"Wir einigen uns immer.“ Mit diesen Worten beendete der deutsche Bundeskanzler am Dienstagabend den Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Deutschland. Drei Tage lang hatten Berlin und Paris versucht, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen – und das bekam zum Schluss noch einmal der russische Präsident Wladimir Putin zu hören.

Emmanuel Macron (li.) zu Gast bei Olaf Scholz auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin.
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Denn Macron sprach sich dafür aus, dass die Ukraine auch Ziele in Russland angreifen dürfe – und zwar mit westlichen, also aus der Nato stammenden Waffen. "Wir müssen ihnen erlauben, militärische Stützpunkte zu neutralisieren, von denen aus Raketen abgeschossen werden", sagte Macron. Die Ukraine müsse sich dabei, so wurde betont, an das Völkerrecht halten – nur dann sei eine solche Verteidigung legitim. Beide stellten klar, dass dies nur der Fall sein könne, um sich gegen einen russischen Angriff von einem bestimmten Ort aus zu wehren. Scholz wies Medienberichte zurück, denen zufolge die deutsche Bundesregierung solche Verteidigungshandlungen der Ukraine untersagt habe. Macron wiederum wäre dafür, auch Angriffe auf Raketenbasen im russischen Hinterland zu erlauben, und sieht allein darin keine Eskalation des Konflikts – solange sich Kiew ans Völkerrecht hält.

Der russische Präsident Wladimir Putin drohte Richtung Westen, dass ein solches Vorgehen nicht folgenlos bleiben würde. "Diese ständige Eskalation kann zu ernsten Konsequenzen führen. In Europa, besonders in den kleinen Staaten, sollten sie sich bewusst machen, womit sie da spielen", sagte er bei einem Besuch in Usbekistan.

Video: Einsatz westlicher Waffen in Russland? Westen gespalten.
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Hilfsappell an G7-Staaten

Scholz und Macron wollen sich außerdem bei den G7-Staaten dafür einsetzen, dass die Ukraine weitere Hilfe in Milliardenhöhe erhält – sie sprachen von einer "Initiative für eine dauerhafte Finanzierung der Ukraine". Dafür prüfe man auch, wie Zinseinnahmen aus eingefrorenen Vermögen der russischen Zentralbank genutzt werden können, so Scholz.

Macron hatte im Rahmen seines Staatsbesuchs zuvor schon in Dresden eindringlich gewarnt: "Es geht in der Ukraine wirklich um unseren Frieden und unsere Sicherheit. Russland kann morgen hier sein." Er warb erneut für mehr Anstrengungen in der Nato zur Unterstützung der Verteidigungsbemühungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und betonte: "Dabei dürfen wir nicht in die Falle tappen, nationalistisch zu agieren, wir sollten entschlossen als Europäer handeln." Auch dürfe man nicht nur auf die USA schauen. Letzteres durfte man als Seitenhieb auf Scholz verstehen, der sich eng an die Seite von Präsident Joe Biden gestellt hat.

Trotz dieser indirekten Kritik an der Haltung Berlins im Ukrainekrieg erhielt Macron in Deutschland viel Lob. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte ihn bei der Verleihung des Westfälischen Friedenspreises in Münster mit den Worten: "Du bist nicht nur ein Macher, du bist ein Mutmacher."

Wladimir Putin droht: Europa spiele mit dem Feuer.
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Angesichts wiederholter deutsch-französischer Spannungen in den vergangenen Jahren – vor allem nach dem Ende der Amtszeit von Langzeitkanzlerin Angela Merkel, mit der sich Macron meistens bestens verstanden hatte – bemühten sich Scholz und der französische Präsident, Einheit zu demonstrieren. Und sie erhoben mehr als einmal auch einen deutlichen Führungsanspruch in der EU. "Wir gehen als deutsch-französisches Tandem voran, Europa folgt", sagte etwa Macron.

Der deutsch-französische Ministerrat beschloss noch am Abend ein neunseitiges Papier, das sich wie ein Arbeitsauftrag für die nächste EU-Kommission liest: Bürokratieabbau, Vollendung einer Kapitalmarktunion, mehr Investitionen in Schlüsselsektoren, "faire Handelsabkommen", Maßnahmen gegen unlautere oder missbräuchliche Handels- oder Wettbewerbspraktiken. (Birgit Baumann aus Berlin, Gianluca Wallisch, 29.5.2024)