Johann August Edmund Mojsisovics Edler von Mojsvár, so der vollständige Name, stammte aus gutem Haus. Sein Vater, Arzt im Wiener AKH, wurde 1858 von Kaiser Franz Joseph als Edler von Moisvár nobilitiert. Im Sommer flüchtete die Familie, so wie viele andere, die es sich leisten konnten, aus der stickigen Reichshaupt- und Residenzstadt aufs Land. Die Sommerfrischeadresse der Mojsisovics' war dort, wo auch die kaiserliche Familie kurte. Im Ischler-Bade-Blatt (erst 1906 kam das "Bad" zu "Ischl“) findet sich ab 1853 unter den Gästen: "Herr Georg Mojsisovics, Dr. der Med. und k. k. Primar-Arzt, mit Familie, aus Wien." Hier entdeckte der junge Edmund (*18. Oktober 1839), Schüler am Schottengymnasium, in den Sommermonaten seine Liebe zur Natur und der Bergwelt. Nach der Gymnasialzeit wandte er sich den Rechtswissenschaften zu. Sein Jusstudium schloss er am 22. Juli 1864 an der Universität Graz ab. Dass er nie als Jurist arbeitete, lag wohl daran, dass die Liebe zur heimischen Bergwelt größer war als das Interesse an Gesetzestexten.

Jahrbuch
Der junge Mojsisovics begründete nicht nur den Alpenverein, sondern war als Redakteur der Publikationen auch ein aktiver Funktionär.
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Gründung des Alpenvereins mit Grohmann und Sommaruga

Noch als Student hatte der damals 23-jährige zusammen mit Paul Grohmann (1838 bis 1908) und Guido Freiherr von Sommaruga (1842 bis 1895) ein bahnbrechendes Projekt initiiert. Die drei hatten im Herbst 1862 den Alpenverein begründet. Sein Lehrer und Mentor, der Geologe Eduard Suess (1831 bis 1914), erinnert sich: "In meinen Vorlesungen war gar oft von den Alpen die Rede und im Wintersemester 1861/62 teilte mir einer meiner Hörer, Edmund v. Mojsisovics, mit, daß er und zwei seiner Freunde, Paul Grohmann und Baron Guido Sommaruga, die Absicht hätten, einen Alpenverein zu gründen." Suess unterstützte diese Initiative, dessen Ziel klar umrissen war: "Die Kenntnisse von den Alpen, mit besonderer Berücksichtigung der oesterreichischen zu verbreiten und zu erweitern, die Liebe zu ihnen zu fördern, und ihre Bereisung zu erleichtern." Anfang Juli 1862 waren die Vereinsstatuten genehmigt worden. Als am 19. November 1862 die formale Gründungsversammlung stattfand, zählte man mehr als 600 Mitglieder, darunter prominente Namen, wie den Geographen Friedrich Simony. Der Botaniker Eduard Fenzl (1808 bis 1879) wurde zum Vorsitzenden gewählt. Grohman und Mojsisovics, Sekretäre der ersten Stunde, redigierten nicht nur die Publikationen des Alpenvereines, sondern steuerten auch alpinistische Artikel bei. Mojsisovics, damals noch Jusstudent, schrieb in Band 1 (1863) über die "Ersteigung" der Hochalmspitze, des Reiß- und des Kollinkofels in Kärnten und die alten Gletscher der Südalpen.

Geologische Karte
Basierend auf seinen jahrelangen Forschungen im Salzkammergut veröffentlichte Mojsisovics auch eine geologische Karte der Region.
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Die geologische Karriere eines Quereinsteigers

Als junger Jusstudent hörte der an der Bergwelt interessierte Mojsisovics paläontologische Vorlesungen bei Eduard Suess, der ab dem Wintersemester 1862 neben paläontologischen auch geologische Themen las. Am 2. Dezember 1862 präsentierte der 23-jährige Studiosus den versammelten Geologen der k.k. geologischen Reichsanstalt (heute: GeoSphere Austria) seine Sichtweise über die Hierlatz-Schichten (Jura/Erdmittelalter). Damit folgte er der "dringenden Aufforderung" seines Lehrers Suess. Er hatte erkannt, dass die Leidenschaft des jungen Mojsisovics bei Gesteinen und Fossilien, und nicht bei Paragraphen, lag. Seine Einschätzung war richtig. Am 17. Februar 1865 bewarb sich der ambitionierte Edmund bei der k.k. geologischen Reichsanstalt als unbezahlter Volontär. "Hochselbe [Reichsanstalt] geruhe den Gefertigten als freiwilliges Mitglied in den engeren Verbund der Anstalt aufzunemen [sic!]." Tags darauf wurde Mojsisovics aufgenommen, weitere Meilensteine waren: 1869 Hilfsgeologe, 1873 Chefgeologe, 1879 Oberbergrat und ab 1892 Vizedirektor.

Ein Leben für die Erforschung der alpinen Trias

In den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts gab es einen Höhepunkt der Triasforschung. Damals wurde die höchst komplexe Abfolge einstiger Meeresablagerungen während der Trias, der älteste Periode des Erdmittelalters (251,9 bis 201,4 Millionen Jahre vor heute), zeitlich gegliedert. Die grundlegenden Arbeiten erfolgten in den Alpen ("alpine Trias"), wobei dem Salzkammergut eine Schlüsselstellung zukommt. Mojsisovics hat sich bei der zeitlichen Gliederung (Stratigraphie) der Obertrias einen Namen gemacht. Basierend auf Ammoniten (=fossile Kopffüsser) hatte er in der Region von Hallstatt und Aussee im Salzkammergut und Hall in Tirol, eine Gliederung erarbeitet, die weltweit Gültigkeit erlangte, und – ebenso wie der Alpenverein – Bestand haben sollte. 1869 etablierte er die Begriffe "Karnische" (237 bis 227 Millionen Jahre) und "Norische Stufe" (227 bis 208,5 Millionen Jahre), und benannte damit Abschnitte der Obertrias. 1893 hatte Alexander Bittner (1850 bis 1902), ebenfalls Geologe an der k.k. Geologischen Reichsanstalt und gleichzeitig schärfster Kontrahent von Mojsisovics, das Ladinium (242 bis 237 Millionen Jahre), eine Stufe der Mitteltrias etabliert, die ebenfalls heute noch gültig ist.

Mojsisovics hatte seine Arbeiten über die alpine Trias in großen Monographien (1873 und 1893) publiziert. Die zugrundeliegenden Ammoniten füllen die Sammlungen der GeoSphere Austria und dienen als Referenz für vergleichende Forschungen. Neben der Bearbeitung der Fossilien hatte Mojsisovics im Salzkammergut zwischen 1880 und 1884 auch geologische Kartierungen gemacht. Das Kartenblatt Ischl und Hallstatt (1:75.000), an dem auch Bittner mitgearbeitet hatte, erschien 1905.

Fossil Ammonit
Hunderte Fossilien in den Sammlungen der Geosphere Austria stammen von Mojsisovics und wurden von ihm beschriftet.
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Lob von Charles Darwin

Neben seinen Arbeiten im Salzkammergut war er auch in den Dolomiten aktiv. In seinem geologischen Hauptwerk, "Die Dolomit-Riffe von Südtirol und Venetien: Beiträge zur Bildungsgeschichte der Alpen" (1879), verglich er die fossilen Riffe der Dolomiten (Trias) mit rezenten Riffen. Da Charles Darwin (1809 bis 1882), dessen Theorien er folgte, über Riffe gearbeitet hatte, schickt er ihm seine Dolomitenarbeit. Darwin war hoch erfreut, dass Mojsisovics seine Deszendenztheorie im fossilen Bereich anwendete, wie er ihm am 1. Juni 1878 schrieb. "What a wonderful change in the future of geological chronology you indicate, by assuming the descent-theory to be established, & then taking the graduated changes of the same group of organisms as the true standard!". Darwin hatte nicht gerechnet, dass er das noch erleben würde. "I never hoped to live to see such a step even proposed by anyone."

Bild Dolomiten
Mojsisovics schenkte Charles Darwin sein Buch über die fossilen Riffe der Dolomiten.
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International vernetzt, national verwurzelt

Als im März 1879 die Geologische Reichanstalt beauftragt wurde Bosnien zu erforschen, waren die drei Ausführenden rasch gefunden, neben Mojsisovics und Bittner brach im Mai 1879 auch der etwas jüngere Geologe Emil Tietze (1845 bis 1931) Richtung Sarajewo auf. Die geologische Karte samt Erläuterungen wurde 1880 fertig.

1881 wurde beim II. Internationalen Geologenkongreß in Bologna, durch Mojsisovics als Vertreter Österreich-Ungarns die Herausgabe einer geologischen Karte von Europa 1 : 1.500.000 angeregt und auch beschlossen. Mojsisovics wurde ins Herausgeberkomitee gewählt.1913 wurde die Karte gedruckt. Er genoss internationales Ansehen; 1904 verlieh ihm die Universität Cambridge das Ehrendoktorat.

1871 hatte er sich an der philosophischen Fakultät der Universität Wien für spezielle Geologie habilitiert und hielt auch Vorlesungen. 1876 schlug er das Angebot eines Ordinariats für Geologie an der Universität Innsbruck aus. Auch Prag und Graz, was ebenfalls zur Disposition stand, waren für ihn kein Thema; er bevorzugte in Wien zu forschen.

Neben all den Meriten als hauptberuflicher Geologe internationalen Formats blieb er auch seiner frühen Passion, dem Alpinismus, treu. Von 1886 bis 1891 war er Vorsitzender der Sektion Austria des Alpenvereins. Als im September 1890 der Reitsteig von Hallstatt auf den Dachstein eröffnet wurde, dankten ihm die Hallstätter mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft.

Liste mit Ortsnamen
Von Wien aus schickte Mojsisovics hunderte Fragebögen in die Kronländer rund um das Erdbebengebiet von Laibach.
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Krisenmanager mit Weitblick beim Laibacher Beben von 1895

Mojsisovics stellte sich nie in den Vordergrund, doch er wusste was zu tun, wenn es darauf ankam. Als am Osterwochenende, dem 14. und 15. April 1895, Laibach von einem heftigen Erdbeben (Magnitude 6) erschütterte wurde, klirrte auch in Wien das Geschirr in den Küchenkredenzen. An der k. k. geologischen Reichsanstalt sah man Handlungsbedarf. Deren Direktor, Guido Stache, war im Urlaub.

Mojsisovics amtierte als Vizedirektor und wusste was zu tun war: Am Dienstag den 16. April schrieb er dem Ministerium, dass er schon am Montag den 15. April den Geologen Franz Eduard Suess (1867 bis 1941), Sohn seines Lehrers und Mentors Eduard Suess, beauftragt hatte "sich ohne Verzug in das Schüttergebiet zu begeben". Während Suess im Katastrophengebiet in Slowenien war, erwies sich Mojsisovics in Wien als innovativer Krisenmanager. Am 19. April hatte er einen "Aufruf" mit 14 Fragen betreffend Wahrnehmungen zum Beben ausgearbeitet, das in die betroffenen Gebiete versendet wurde. Die Aktion war ein voller Erfolg. Der junge Suess, der das Beben wissenschaftlich bearbeitete, wertete "1300 positive Berichte von mehr als 900 Orten und über 200 negative Berichte, [die] direct an die k. k. geologische Reichsanstalt" geschickt worden waren, aus.

Nationalparkzentrum Mallnitz
Als Bios-Nationalparkzentrum findet die einstige Villa von Mojsisovics eine würdige Nachnutzung.
© Dietmar Denger / BIOS Nationalparkzentrum Mallnitz

Gründung des Erdbebendienstes

Mojsisovics, der wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften war, agierte visionär. Zehn Tage nach dem Beben, am 25. April 1895 stellte er in der Akademie den Antrag zur Etablierung einer Erdbebenkommission. Ziel war "die Organisation eines Erdbebendienstes in den österreichischen Ländern". Dieser sollte – unterstützt durch Seismographen und Beobachter – Beben dokumentieren. Als Stache am 17. Mai von seinem Urlaub zurückkam, hatte sein weitblickender Vize Mojsisovics mit der Gründung der Erdbebenkommission mehr getan, als man sich erwarten konnte.

Am 2. Oktober 1906 starb Mojsisovics in Mallnitz (Kärnten) in seiner Villa (heute: Bios Nationalparkzentrum Mallnitz). Er hinterließ eine reich dotierte Stiftung, die der Akadmie zufiel. Die Gelder kamen von seinen Einkünften der Trifailer Kohlenwerks-Gesellschaft (Slowenien), deren Präsident er ab 1883 bis zu seinem Lebensende war. Sein Name bleibt nicht zuletzt dank der nach ihm benannten Mojsisovics-Spitze (2904 m) in der Ankogelgruppe (Kärnten) unvergessen. (Thomas Hofmann, 13.6.2024)