Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne)will dem Renaturierungsgesetz zustimmen. Ein Alleingang wäre rechtlich aber heikel.
APA/EVA MANHART

Wien/Brüssel – Trotz der Initiative der SP-regierten Bundesländer Wien und Kärnten bleibt die Blockade der Bundesländer gegenüber dem EU-Renaturierungsgesetz offenbar bis auf weiteres aufrecht. "Im Hinblick auf die von sieben Ländern mitgeteilte Ablehnung ist eine Abänderung der bestehenden einheitlichen Länderstellungnahme (..) zum Vorschlag für eine Verordnung über die 'Wiederherstellung der Natur' nicht zustande gekommen", hieß es am Dienstag in einem Schreiben an die Landeshauptleute.

Absender ist der Leiter der Verbindungsstelle der Bundesländer beim Amt der NÖ Landesregierung Andreas Rosner. Nach einem Vorstoß von Wiens Landeshauptmann Michael Ludwig und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (beide SPÖ) hatte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) als derzeitige Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz angekündigt, Beratungen mit den Bundesländern aufzunehmen. Nach der Einholung neuerlicher Stellungnahmen blieben Wien und Kärnten alleine. Nach der nun brieflich geäußerten Auffassung ist der Rückzug dieser beiden Bundesländer von der bestehenden "einheitlichen Länderstellungnahme" zu wenig, um die bestehende Bindung aufzuheben.

Gewessler: "Österreich sollte zustimmen"

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) bezeichnete das Gesetz in der ZiB2 als "das wichtigste Naturschutzgesetz, das wir in dieser Legislatur auf europäischer Ebene verhandeln". "Ich bin der Meinung, Österreich sollte dem zustimmen", zeigt sie sich überzeugt, die Position der Blockierer halte sie für "wirklich zukunftsvergessen". Aber: Die einheitliche Länderstellungnahme, die vorliegt, binde sie rechtlich. Gewessler begrüße es, dass Wien und Kärnten hier nun umschwenken. Sie forderte vom Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) aber Klarheit ein, ob dessen bisherige Zustimmung zur einheitlichen Stellungnahme der Länder weiter gelte oder diese zurückziehe.

Sollte die Stellungnahme der Länder aufgehoben werden, will Gewessler auch gegen den Willen ihres Koalitionspartners ÖVP im EU-Umweltrat für das Renaturierungsgesetz stimmen, wiederholte sie. "Es ist langjährige Praxis in der Regierung, dass auf den Ministerräten die Ministerinnen und Minister entscheiden." Wenn Norbert Totschnig ohne ihr Einverständnis Umweltauflagen abschwächen könne, müsse das umgekehrt auch möglich sein, findet die grüne Ministerin.

Kritik kam auch von der Umweltschutzorganisation WWF an der "populistischen und faktenwidrigen Blockadehaltung" der sieben Bundesländer. Nötig sei "ein politischer Schulterschluss" von Wien, Kärnten und der Umweltministerin für eine Zustimmung Österreichs, forderte Volker Hollenstein vom WWF Österreich in einer Stellungnahme.

Umweltschutz ist Ländersache

Solche gemeinsame Bundesländer-Beschlüsse binden in jenen Angelegenheiten, die im österreichischen Recht (wie im Fall des Umwelt- und Naturschutzes) Ländersache sind, die österreichischen Ministerinnen und Minister in den entsprechenden EU-Räten. Eine nicht einstimmige Aufhebung einer solchen "einheitliche Länderstellungnahme" ist laut dem Verfassungs- und Verwaltungsjuristen Peter Bußjäger "absolutes Neuland". Über die dafür notwendigen formalen Voraussetzungen herrscht unter Expertinnen und Experten Uneinigkeit.

Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restauration Law) sieht vor, dass künftig mehr Wälder aufgeforstet, Moore wiedervernässt und Flüsse in ihren natürlichen Zustand versetzt werden. Nach langen Verhandlungen wurde es in einer abgeschwächten Form, die viele der früheren Kritikpunkte wie eine mögliche Gefährdung der Ernährungssicherheit berücksichtigte, im EU-Parlament beschlossen.

Ende März wurde es jedoch von der belgischen Ratspräsidentschaft beim Rat der EU-Umweltminister kurzfristig von der Agenda genommen, als sich vor der finalen Absegnung des Gesetzes keine qualifizierte Mehrheit (mindestens 55 Prozent der Mitgliedsländer, die zudem mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der Union repräsentieren, Anm.) abzeichnete. Österreich, das sich bisher enthielte, könnte daher eine entscheidende Rolle spielen – falls das Thema beim nächsten EU-Umweltrat am 17. Juni in Luxemburg von der belgischen Ratspräsidentschaft erneut auf die Agenda gesetzt wird. (APA, red, 29.5.2024)

Dieser Podcast wurde aufgenommen, bevor die ÖVP-Bundesländer ihre Blockade bekräftigt haben. Die Hintergründe zum Thema werden ausführlich erklärt.