Nach der Scheidung kann ein Ex-Ehepartner für den anderen, der während aufrechter Ehe den Haushalt geführt hat, unterhaltspflichtig sein. Ein solcher nachehelicher Unterhaltsanspruch ist von bestimmten Voraussetzungen abhängig, etwa von den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Parteien und der Art der Scheidung. Durch grobes Fehlverhalten eines an sich unterhaltsberechtigten Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten kann der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt aber auch verwirkt werden.

Eheringe und Richterhammer
Der OGH hielt fest, dass dem haushaltsführenden Ehegatten nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts kein Unterhaltsanspruch zusteht, wenn dessen Geltendmachung, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechts wäre.
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Vorliegen groben Fehlverhaltens

Mit der Frage, wann ein grobes Fehlverhalten vorliegt, beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) kürzlich (1 Ob 22/24b). Die Ehe wurde im konkreten Fall aufgrund des überwiegenden Verschuldens der Frau geschieden. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Die Familie lebte zuletzt gemeinsam in Wien, verbrachte aber auch regelmäßig Zeit in der Ukraine, wo der Mann als Miteigentümer einer Bank ein äußerst hohes Einkommen lukrierte. Nach der Verstaatlichung der Bank verlor der Mann diese Einkommensquelle und lebte von seinen Ersparnissen. Die Frau zog 2020 aus der ehemaligen gemeinsamen Wohnung in Wien aus und lebte zuletzt von Notstandshilfe.

Die Frau hatte dem Mann 2019 per SMS mitgeteilt, sich scheiden lassen zu wollen, und ließ die gemeinsamen Kinder in der Wohnung zurück, während sie für mehrere Tage unerreichbar war. Der Mann fand die Kinder einige Tage später ohne ihre Mutter vor und entdeckte eine bedrohliche Installation im Schlafzimmer – eine Figur eines Mädchens, der ein Messer an den Hals angesetzt war. Rundherum waren Fotos der gemeinsamen Kinder aufgelegt. Daraufhin flog der Mann mit den Kindern in die Ukraine und verweigerte der Frau den Kontakt zu ihnen. Die Frau reagierte mit zahlreichen Gewalt- und Morddrohungen per Kurznachricht, in denen sie ihm auch damit drohte, seine Wohnung in Brand zu stecken und seine angebliche Freundin mit Säure zu überschütten. Die Frau griff den Mann und andere Personen auch tätlich an, verkaufte wertvolle Uhren ohne seine Zustimmung und zerstörte unter anderem mehrere von ihm erworbene Gemälde.

Verwirkung des Unterhalts

Die Frau forderte vom Mann vorläufigen Unterhalt in Höhe von monatlich 33.000 Euro. Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, dass die Frau ihren Unterhaltsanspruch durch ihr Verhalten verwirkt habe. Diese Entscheidung wurde in der zweiten Instanz (Rekursgericht) bestätigt. Mit einem außerordentlichen Revisionsrekurs wandte sich die Frau letzten Endes an den Obersten Gerichtshof (OGH).

Der OGH hielt fest, dass dem haushaltsführenden Ehegatten nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts kein Unterhaltsanspruch zusteht, wenn dessen Geltendmachung, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechts wäre. Eine solche Verwirkung des Unterhalts tritt laut OGH ein, wenn dessen Geltendmachung und Gewährung wegen des Verhaltens des an sich unterhaltsberechtigten Ehegatten grob unbillig wäre. Eine vollständige Unterhaltsverwirkung setzt dabei regelmäßig den völligen Verlust des Ehewillens des an sich unterhaltsberechtigten Ehegatten voraus. Dieser muss sich schuldhaft über alle Bindungen aus der ehelichen Partnerschaft hinweggesetzt haben. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des OGH insbesondere, ob der an sich Unterhaltsberechtigte aus eigenem Verschulden den Ehewillen weitgehend und dauernd aufgegeben hat. Ob ein Fehlverhalten eine Unterhaltsverwirkung rechtfertigt, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen.

Die zweite Instanz befand bereits, dass das Verhalten der Frau weit über ein tolerierbares Maß hinausging und sie alle Bindungen der ehelichen Partnerschaft missachtet habe. Ihre Drohungen und Beleidigungen wurden als inakzeptabel eingestuft. Der OGH bestätigte dies. (Helena Marko, Anna Büchel, 31.5.2024)