Mehrere Köche stehen in der Küche mit Pfannen.
Köche aus China? Für österreichische Gastronomiebetriebe ist das gar nicht so einfach möglich.
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Wer sich mit dem Fremdenrecht befasst, hört gebetsmühlenartig den Aufschrei: "Aber wenn sie Arbeit haben, sollen sie jedenfalls bleiben." Der Ausspruch ist eingedenk der Rechtslage so falsch wie die Rot-Weiß-Rot-Karte für Fachkräfte in Mangelberufen realitätsfremd ist. Ein Arbeitsplatz garantiert keinen Aufenthaltstitel. Ein Beispiel aus der Kanzleipraxis: Ein Restaurantbetreiber spricht verzweifelt vor, in Tschechien würden sich derzeit zwei großartige Köche aus China befinden. Er will sie unbedingt einstellen. Doch die chinesische Kochausbildung wird in Österreich nicht als gleichwertig anerkannt. Ergebnis: Der Antrag auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte ist aussichtslos.

Vorweg ist festzuhalten: Es geht im Folgenden nicht um Asyl. Einen Asylantrag zu stellen ist ein Menschenrecht, es besteht ein Anspruch darauf. Die Zuwanderung abseits des Asylverfahrens hingegen können die Staaten von Bedingungen abhängig machen, wobei selbstredend die Grundrechte zu beachten sind und viele Vorgaben auf EU-Ebene beschlossen werden.

Der österreichische Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen in Österreich jeweils von einem bestimmten Zweck abhängig zu machen. Mit anderen Worten brauchen sie einen konkreten Grund, um in Österreich leben zu können. So vielseitig wie das Leben sind auch die Gründe, in einem anderen Land leben zu wollen. Im Ergebnis zählt das österreichische Gesetz über dreißig verschiedene Aufenthaltstitel.

Einer davon betrifft den Zweck der Arbeit im Bundesgebiet, die sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte. Es bestehen vier verschiedene Arten dieses Aufenthaltstitels mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Vorliegend im Fokus steht jene für Fachkräfte in Mangelberufen. Die zugrundeliegende Idee ist eine simple: Sind pro offene gemeldete Stelle beim AMS weniger als 1,5 Arbeitssuchende gemeldet, gilt ein Beruf als Mangelberuf. Bundesweit gibt es in Österreich derzeit 110 Mangelberufe, hinzu kommen 90 regionale. Dazu gehören auch Köche. Freilich muss eine abgeschlossene Berufsausbildung in dem angestrebten Beruf vorliegen, damit ein Antrag bewilligt werden kann. So weit, so einfach.

Gleichwertige Ausbildung?

Die Arbeitgeberin muss sich an dem Verfahren zur Erteilung der Rot-Weiß-Rot-Karte als Partei beteiligen. Daher muss der Arbeitnehmer vor Antragstellung zunächst eine Arbeitgeberin finden, die bereit ist, ihn nach Erteilung des Aufenthaltstitels zu beschäftigen.

Die im Herkunftsstaat absolvierte Ausbildung muss aber qualitativ jener in Österreich entsprechen. Spätestens jetzt ist Schluss mit "einfach". Viele Drittstaaten kennen keine Lehre, geschweige denn eine duale Ausbildung. Die potenzielle Arbeitnehmerin kann eine vielfach ausgezeichnete Köchin sein, wenn sie keine vergleichbare Lehre absolviert hat, wird der Antrag abgewiesen. So wie im geschilderten Fall: China kennt keine (duale) Ausbildung zum Koch, wie es sie in Österreich gibt.

Abgesehen von einer abgeschlossenen Ausbildung müssen weitere Voraussetzungen erfüllt werden. Es sollen bloß "qualifizierte Arbeitskräfte" in das Bundesgebiet zuwandern. Die Qualifikation wird anhand eines Punktesystems bewertet. Eine zu Österreich gleichwertige Ausbildung bringt bloß 30 von 55 der erforderlichen Punkte. Zusätzlich werden Punkte für Berufserfahrung, Sprachkenntnisse oder das Alter vergeben. Gerade ältere Arbeitnehmer erzielen die erforderlichen Punkte regelmäßig nicht, zumal die Berufserfahrung entsprechend nachgewiesen werden muss, was in der Praxis mangels entsprechender Dokumentation in den Herkunftsstaaten oft nicht gelingt.

Die Voraussetzungen werden durch das AMS geprüft. Somit entscheidet nicht der Arbeitgeber, ob eine Person für den angestrengten Job geeignet ist. Mit Gesetzesänderungen aus den Jahren 2022 und 2023 wurden zwar die Kriterien im Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) bei der Punktevergabe gelockert. So wird beispielsweise bereits pro halbes Jahr Arbeitserfahrung ein Punkt vergeben. An der grundlegenden Problematik hat sich dadurch aber nichts geändert. Selbst diese moderate Erleichterung wurde von SPÖ und FPÖ im Parlament als "kompletter Kniefall vor der Wirtschaft" bezeichnet. Der Druck auf heimische Arbeitnehmerinnen würde dadurch steigen (PK NR. 785 v 28.06.2022).

Erfahrung statt Ausbildung

Diese Sorge ist nicht nachvollziehbar. Im Klartext: Um eine Rot-Weiß-Rot-Karte beantragen zu können, ist jedenfalls ein konkretes Arbeitsplatzangebot erforderlich. Es entscheidet die Arbeitgeberin, die sich als Partei am Verfahren beteiligen muss, ob sie eine Person beschäftigen will oder nicht. Der Wirtschaft werden in diesem Sinn keine Fachkräfte aus Drittstaaten "aufgedrückt". Große Vereinfachungen dürfte die Gesetzesänderung jedenfalls nicht gebracht haben. Es werden nach wie vor Nachweise gefordert, die oftmals nicht erbracht werden können. In vielen Drittstaaten spiegelt sich Kompetenz ausschließlich in Arbeitserfahrung wider, hingegen besteht keine Ausbildung, die begonnen und abgeschlossen werden kann.

Gleichsam zu EWR-Bürgerinnen sollte den Arbeitgebern daher auch bei Drittstaatsangehörigen die Erlaubnis eingeräumt werden, eigenständig über die Kenntnisse und Erfahrung der Antragsteller zu befinden. Sie wissen am besten Bescheid, welche Fertigkeiten ihre zukünftigen Arbeitnehmer vorweisen müssen. Um dem Fachkräftemangel effektiv entgegentreten zu können, sollten daher das Abstellen auf eine formal gleichwertige Ausbildung sowie Ideen einer "Festung Österreich" der Vergangenheit angehören. (Nikolai Schäffler, Thomas Neugschwendtner, 30.5.2024)