Der Vorfall hatte sich schon vor über einer Woche ereignet, ist aber erst jetzt durch italienische Medien publik geworden: Bei einer Versammlung der italienischen Bischöfe, bei der hinter verschlossenen Türen über die Aufnahme von homosexuellen Personen an katholische Priesterseminare debattiert wurde, hatte sich Papst Franziskus offenbar sehr entschieden gegen diese Möglichkeit gewandt: Es gebe an einigen Seminaren schon heute "ausufernde Schwuchteleien". Das italienische Wort, das der Papst verwendet hatte, "frociaggine", ist noch deutlich vulgärer und beleidigender als die deutsche Übersetzung. Mehrere Bischöfe bestätigten gegenüber den italienischen Medien, dass dieser Ausdruck gefallen sei.

Papst Franziskus entschuldigte sich kurz nach Bekanntwerden seiner Aussagen. Er habe niemand beleidigen und sich nicht homophob ausdrücken wollen, hieß es in einer Presseaussendung des Vatikans am Dienstag. "Papst Franziskus ist sich der Artikel bewusst, die kürzlich über ein Gespräch hinter verschlossenen Türen mit den Bischöfen der italienischen Bischofskonferenz erschienen sind. Wie er bei verschiedenen Gelegenheiten gesagt hat, 'In der Kirche ist Platz für alle, für alle! Niemand ist überflüssig, niemand ist überflüssig, es gibt Platz für alle. So wie wir sind, alle'", hieß es in der Pressemitteilung des Vatikans.

Die italienische Bischofskonferenz hatte im November bei ihrer Hauptversammlung in Assisi nach einer kontroversen Debatte über die Aufnahmebedingungen an Priesterseminaren einen Antrag angenommen, der eine Unterscheidung zwischen einer "einfachen homosexuellen Orientierung" und sogenannten "tief verwurzelten Tendenzen" macht. Nach dieser neuen, vom Vatikan noch nicht genehmigten Regelung könnte ein Homosexueller zum Seminar zugelassen werden, wenn er garantiert, dass er die Disziplin des Zölibats einzuhalten weiß. Das sieht Franziskus offenbar ganz anders: Um Probleme zu vermeiden, sollten Homosexuelle seiner Ansicht nach nicht zu den Seminaren zugelassen werden, und zwar ohne Ausnahme.

Ambivalente Aussagen

Ein Regenbogen über dem Petersdom.
AP/Gregorio Borgia

Papst Franziskus und die Homosexuellen: Das ist ein Kapitel mit Licht und Schatten. Schon ganz zu Beginn seines Pontifikats hatte er 2013 gesagt: "Wenn eine Person homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist, wer bin ich denn, um über ihn zu urteilen?" So einen Satz hatte vor ihm noch kein Papst gesagt. Und im vergangenen Jahr hatte er es den Priestern offiziell erlaubt, gleichgeschlechtlichen Paaren den Segen zu geben, was bei den Konservativen in der Kirche einen empörten Aufschrei auslöste. Andererseits hatte Franziskus den Eltern von homosexuellen Jugendlichen auch schon angeraten, ihrem Sohn eine "psychiatrische Behandlung" angedeihen zu lassen. Auch damit hatte er Entsetzen ausgelöst – diesmal in der LGBTIQ+-Community.

Eine Regenbogenflagge vor dem Petersdom.
IMAGO/Antoine Mekary / Godong

Dass sich der joviale und volkstümliche Papst verbal gelegentlich auf dünnes Eis begibt, ist nicht neu: "Er kann nicht an sich halten", beklagen sich ohnmächtige Kommunikationsverantwortliche im Kirchenstaat hinter vorgehaltener Hand. Neben seinem Hang zum Blumigen und Burschikosen (einmal legte er Nonnen bei einem Treffen ans Herz, sie sollten sich "wie Mütter und nicht wie alte Jungfern" aufführen) wird dem Papst auch immer wieder zum Verhängnis, dass er zwar fast immer Italienisch spricht, seine Muttersprache aber Spanisch ist.

Muttersprachenproblem?

Einige Bischöfe sagten nach dem jüngsten Fauxpas, der Papst sei sich bestimmt nicht bewusst gewesen, wie abwertend die Bezeichnung "frociaggine" im Italienischen sei. Auch bei der "psychiatrischen Behandlung" für Homosexuelle hatte Franziskus wahrscheinlich den milderen Ausdruck "psychologisch" im Sinn gehabt. Das Gleiche ist ihm auch schon in eigener Sache passiert: Als er einmal gefragt wurde, warum er im vatikanischen Pilgerheim Santa Marta und nicht im apostolischen Palast wohne, sagte er, das habe "psychiatrische Gründe".

Die sprachlichen Fallstricke und Hindernisse, die man zugunsten von Franziskus ins Feld führen kann, ändern natürlich nichts an dem Fakt, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche im 21. Jahrhundert immer noch keine Homosexuellen und auch keine Frauen an Priesterseminaren sehen will. Und trotz seiner im Vergleich zu seinen Vorgängern offeneren Haltung gegenüber der LGBTIQ+-Community hat er die katholische Doktrin in Sachen Sexualität nicht verändert: Gleichgeschlechtliche Neigungen als solche werden zwar toleriert, solange sie nicht ausgelebt werden, aber homosexuelle Praktiken gelten nach wie vor als Sünde. Der italienische Abgeordnete und LGBTIQ+-Aktivist Alessandro Zan kommentierte die päpstliche Äußerung gestern so: "Es gibt nicht zu viele Schwuchteleien, sondern zu viel Homophobie." (Dominik Straub aus Rom, 28.5.2024)