Schuldirektorin Monika Mikocki
Ruft danach, Schulplätze wieder verpflichtend nach Wohngebiet zuzuweisen: Pädagogin Monika Mikocki.
Regine Hendrich

Es waren bittere Tage, die Direktorin Monika Mikocki im Frühling erlebte. Vehement hatten sich etliche Eltern dagegen gewehrt, dass ihre Kinder für das kommende Schuljahr als Erstklässler der Volksschule im Wiener Olympiapark zugewiesen werden. Unschöne Dinge seien in Mails an die Bildungsdirektion zu lesen gewesen, erzählt Mikocki: "Von Menschen, die unsere Schule nur vom Hören und Sagen kennen."

Dabei wirkt der vom Architekten Gustav Peichl in den Sechzigern entworfene Waschbetonbau, der vor der Tür weiten Auslauf ins Grüne bietet, auf den ersten Blick wie ein Vorzeigestandort. Mikockis Schule liegt nicht etwa nahe dem Favoritener Reumannplatz oder in einer anderen als sozialer Brennpunkt verschrienen Gegend, sondern in Döbling. Doch weil Wiens im Durchschnitt drittreichster Bezirk neben Heurigen und Villenvierteln auch große Wohnblocksiedlungen beherbergt, schlagen sich in Grätzeln wie der "Krim" die Zuwanderungswellen nieder. In der VS Olympiapark haben 82 Prozent der Kinder eine andere Erstsprache als Deutsch. Für die Hälfte der Neuanfänger reichen die Kenntnisse nicht, um dem Unterricht zu folgen.

Vermisste Zugpferde

Die Schule unternehme jede Menge, um dieses Handicap auszugleichen, sagt Mikocki. Wer der ersten Klasse nicht gewachsen ist, absolviert ein Vorschuljahr, in der Folge greift die spezielle Sprachförderung in der Klasse oder in Kleingruppen. Zusatzaktivitäten reichen von der Theatergruppe über extra Englischkurse bis zum Musikschwerpunkt. Weil sie im Gegensatz zu anderen Standorten genügend Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung habe, die noch dazu topmotiviert seien, stellten sich auch erstaunliche Erfolge ein. Bei den informellen Kompetenzmessungen erzielten ihre Schülerinnen und Schüler Ergebnisse, die teilweise sogar über dem österreichischen Mittelwert lägen.

Noch viel mehr möglich wäre allerdings, wenn es mehr deutschsprachige Kinder aus bildungsaffinem Elternhaus als "Zugpferde" gäbe, glaubt die Direktorin. Doch dieser Durchmischung arbeiteten Eltern und Behörde entgegen.

"Nicht ausländerfeindlich, aber..."

"Ich bin nicht ausländerfeindlich, aber ...": Diesen Satz bekomme sie im Umfeld der Schule oft zu hören. Persönlich würden sich die wenigsten Eltern wohl selbst als xenophob einstufen, sagt Mikocki, "doch viele von ihnen streben eine Segregation an". Unreflektierte Vorurteile führten dazu, dass eine Schule wie die ihre von vornherein "abgeschrieben" werde.

Leider trage die Wiener Bildungsdirektion dem Rechnung, kritisiert Mikocki. Die Verantwortlichen seien bemüht, primär den Wünschen der Eltern nachzukommen und der heterogenen Zusammensetzung der Klassen "entgegenzuwirken", hat sie bereits im Februar in einem Schreiben an die Behörde angeprangert. Sämtliche Kinder, deren Eltern gegen die von der Bildungsdirektion vorgenommene Zuteilung in den Olympiapark protestiert hatten, seien letztlich an anderen Standorten untergebracht worden – sofern die Alternative nicht gleich eine Privatschule gewesen sei. Die dadurch im eigenen Haus frei gewordenen Plätze hätten vor allem Sprösslinge aus Migrantenfamilien eingenommen, die gegen ihre Schule ja keine Vorbehalte hegten.

Ende der Wunschschule

Aber wenn eine Volksschule schon sehr viel Aufwand dafür betreiben muss, um Schülerinnen und Schülern überhaupt deutsche Grundkenntnisse beizubringen: Ist die Sorge autochthoner Eltern mit Bildungsehrgeiz, dass die Förderung ihrer eigenen Kinder zu kurz kommt, da nicht verständlich? Mikocki plädiert für klare Verhältnisse. Ginge es nach ihr, dann hätte die Option, bei der Anmeldung die Wunschschule anzugeben, ausgedient. Wie früher sollten Kinder der Bildungsstätte in jenem Einzugsgebiet zugewiesen werden, zu dem auch ihre Wohnadresse zählt. In Bezirken wie Döbling ließe sich dann eine so gute Durchmischung erreichen, dass niemand Bedenken haben müsse, in einer bestimmten Schule zu landen.

In der Wiener Bildungsdirektion stößt diese Idee auf keine Gegenliebe. Eine Zwangszuweisung würde nur zur verstärkten Abwanderung in die Privatschulen führen, lautet das Gegenargument. Besseres Mittel sei ein Chancen-Index, der Schulen mit größeren sozialen Herausforderungen mehr Personal garantiere. Wien habe bei den Förderstunden bereits einen Schritt getan. Für alles Weitere brauche es aber bundesweite Vorgaben und ausreichend Lehrkräfte.

Nicht möglich sei es hingegen, Schulplätze nach sozialen Kriterien zu verteilen, dazu fehlten schon allein die notwendigen Daten. In der überwiegenden Zahl der Fälle würde die jeweilige Wunschschule zugewiesen, heißt es aus der Bildungsdirektion. Gibt es hingegen mehr Anwärter als verfügbare Plätze, sollen die vom Gesetz definierten Kriterien greifen. Von Vorteil ist dann, wenn der Schulweg kurz ist und/oder bereits Geschwister an derselben Schule sind.

Kids aus dem Park holen

"Wohin sollen wir Kinder integrieren, wenn aus Familien der Aufnahmegesellschaft nur ein geringer Anteil in einer Schule ist?", fragt sich hingegen Mikocki. Auch den Töchtern und Söhnen von alteingesessenen Eltern dürfe zugetraut werden, mit Gleichaltrigen aus fremden Ländern und Kulturen zurechtzukommen: "Sonst besteht die Gefahr, dass unsere Kinder Diskriminierung und Privilegien als selbstverständlich ansehen."

Noch ein Manko macht Mikocki aus. Bei der Vergabe der Plätze in den kostenlosen ganztägigen Volksschulen Wiens – in Döbling gibt es zwei davon – haben Familien Vorrang, in denen beide Elternteile berufstätig sind; schließlich haben diese besonderen Bedarf an Kinderbetreuung. Damit kämen viele Kinder aus gutverdienenden Berufsgruppen zum Zug, glaubt die Direktorin – nicht aber jene, die dieses Angebot besonders brauchen könnten: Kindern mit Migrationshintergrund täte es gut, auch den Nachmittag in einem deutschsprachigen schulischen Umfeld zu verbringen.

Gepaart mit dem Ausbau der Ganztagsplätze sollten die Aufnahmebedingungen so geändert werden, dass Kinder mit Deutschförderbedarf bevorzugt aufgenommen werden, wünscht sich Mikocki. Außerdem fände sie es klug, die bestehenden Kostenbeiträge für die Horte – der Alternative zur Ganztagsschule – zu streichen. Viele Viertklässler aus ihrem Haus würden den Nachmittag unbeaufsichtigt verbringen: beim exzessiven Computerspielen oder beim Abhängen im Olympiapark. Dabei entflammten Konflikte, die in der Klasse nicht aufgekommen seien – und das bestärke wiederum all jene im Bezirk, die ihre Schule für einen Ort zum Meiden hielten. (Gerald John, 29.5.2024)