Sylt, Strandkörbe, Strand
So beschaulich kennt man Sylt. Doch der weiße Sand verbirgt das Neonazi-Gedankengut in Deutschland kaum.
IMAGO/ingo kutsche

L'amour toujours heißt der Electro-Hit von Gigi D'Agostino, der mit seiner einprägsamen Melodie hohen Wiedererkennungswert hat. 2001 landete der italienische DJ damit einen Megahit, noch heute ist dieser ein beliebter Partysong. Im Herbst vergangenen Jahres ist erstmals ein Video mit einer rechtsnationalen Umdichtung des Songs im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern aufgetaucht. Damals wurde auch der Sohn des Bürgermeisters in der grölenden Menge entdeckt, der Staatsschutz ermittelte daraufhin. Seither haben sich Videos gehäuft, in denen junge Menschen zu L'amour toujours die Neonazi-Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" grölen.

Gigi D'Agostino hat sich auf Anfrage des Spiegel zur Intention seines Lieds geäußert. Er wisse nichts von den Umdichtungen, aber in seinem Song gehe es "um ein wunderbares, großes und intensives Gefühl, das die Menschen verbindet. Es ist die Liebe", so D’Agostino.

Gigi D'Agostino - L'Amour Toujours ( Official Video )
GIGI D'AGOSTINO

Experten verdächtigen die Neue Rechte, zu der auch die Identitäre Bewegung gehört, das Lied vorsätzlich instrumentalisiert und verbreitet zu haben. Hunderte Videos mit rechtsextremen Inhalten soll es laut einem Bericht im Nachrichtenmagazin Stern auf Tiktok geben, alle unterlegt mit L'amour toujours. Das entspreche der Strategie, rechtes Gedankengut über popkulturelle Inhalte zu rekontextualisieren und zu normalisieren. Jüngst tauchte erst ein Video des rechtsextremen Identitären Martin Sellner auf, in dem die Melodie des Italo-DJs im Hintergrund zu hören war. Das Video stammte aus Passau, obgleich Sellner die Einreise nach Deutschland seit dem Rechtsextremen-Treffen in Potsdam nicht mehr gestattet ist.

Die bürgerliche Elite auf Sylt

Am Wochenende ging ein Video durch die Medien, das junges, wohlhabendes Partyvolk beim Mitgrölen von Naziparolen auf Sylt zeigte. Die Empörung war groß, da es diesmal aus keiner Dorfdisco stammte, sondern die bürgerliche Elite beim Feiern zeigte. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilte das Video als "eklig und nicht akzeptabel".

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) aktivierte den Verfassungsschutz wegen Volksverhetzung mit dem erklärten Ziel, hart gegen die Normalisierung von Naziparolen vorzugehen. In den sozialen Medien wurden Namen und Berufe der Mitsingenden geteilt, das Resultat war, dass einige ihre Jobs verloren haben. Bei der jungen Frau, die anfangs direkt in die Handykamera singt, ist das besonders perfide: Sie war bei einer Influencerin angestellt, die Migrationshintergrund hat.

"Rechter Scheißdreck"

Um die Verbreitung der Naziparolen zu verhindern, wird nun von Großevents wie dem Oktoberfest in Betracht gezogen, Gigi D'Agostinos L'amour toujours nicht mehr zu spielen. "Wir wollen es verbieten und ich werde es verbieten", sagte der Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) laut der Nachrichtenagentur dpa. "Auf der Wiesn ist für den ganzen rechten Scheißdreck kein Platz."

Eine andere Strategie verfolgen zahlreiche Tiktok-User mit Migrationshintergrund. Deutsche People of Color tanzen dort etwa unter der Überschrift "Wie wir auf Sylt die Party crashen" zu Steiererbuam san very good von den Stoakoglern. Auch eine Form des Protests. (red, 28.5.2024)