Zwischen die rechtsextreme AfD und ihre Schwesterpartei FPÖ passt bekanntlich kein Blatt. Zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen, Auftritte und gegenseitige Beratungen zeugen davon. Für die AfD lief es im EU-Wahlkampf zuletzt nicht so gut. Nicht nur, dass der deutsche Verfassungsschutz in mehreren Bundesländern zu dem Schluss kam, dass die AfD gesichert rechtsextrem ist, hat auch Marine Le Pens Rassemblement National mit der AfD gebrochen, mittlerweile wurde die AfD auch aus der Rechts-außen-Fraktion Identität und Demokratie (ID) im EU-Parlament ausgeschlossen.

Bundestagsabgeordneter Matthias Helferich aus Dortmund ist (noch) AfD-Mitglied, aber wilder Mandatar.
Bundestagsabgeordneter Matthias Helferich aus Dortmund ist (noch) AfD-Mitglied, aber wilder Mandatar.
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Der Bruch Le Pens mit der AfD begann sich schon nach Bekanntwerden des rechtsextremen Treffens in Potsdam abzuzeichnen, nach dem die französische Rechtspopulistin aber noch besänftigt werden konnte. Die Aussage des AfD-EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah in einem Interview mit der italienischen La Repubblica ("Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trägt, automatisch ein Verbrecher ist") hatte dann das Fass zum Überlaufen gebracht.

"Freundliches Gesicht des NS"

In Österreich sucht man indes eine Distanzierung der FPÖ von der AfD vergeblich. Wenig überraschend, hat doch der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl vor 14 Jahren selbst zur SS in einer ATV-Talkrunde Folgendes gesagt: "Da werden wir uns nicht darauf verständigen können, dass ein Verein als solcher oder eine Einheit wie die Waffen-SS kollektiv schuldig zu sprechen ist." Wie als Erstes das Ö1-Morgenjournal berichtete, bekam die Plattform Stoppt die Rechten nun eine Einladung zum 130. Stiftungsfest der Wiener pflichtschlagenden Burschenschaft Aldania zugespielt.

Als Festredner geladen ist dort am Freitag Matthias Helferich, gegen den die Parteifreunde in Deutschland gerade ein Parteiausschlussverfahren laufen haben. In die Bundestagsfraktion wurde er überhaupt nie aufgenommen. Der Bundestagsabgeordnete Helferich ist mindestens so umstritten wie Krah. 2021 wurden Chats aus den Jahren 2016 bis 2017 geleakt, in denen sich Helferich selbst als das "freundliche Gesicht des NS" (Nationalsozialismus, Anm.) bezeichnete. Sein bürgerliches Image bezeichnete Helferich in Chats nur als "Schein", und er bezog sich positiv auf Adolf Hitler.

Zu rechtsextrem

Die eigene Burschenschaft in Deutschland hat den 35-Jährigen längst ausgeschlossen. "Ein Rechtsextremer, der sogar den Rechtsextremen in Deutschland zu rechtsextrem ist", fasst das der ehemalige Grünen-Politiker und Betreiber von Stoppt die Rechten, Karl Öllinger, zusammen.

Das ist auch innenpolitisch bemerkenswert, sind doch bei der Aldania einige Männer aus der Wiener FPÖ Mitglieder – zum Beispiel der Chef der Wiener FPÖ, Dominik Nepp, aber auch sein Klubchef Maximilian Krauss, der Wiener Landesgeschäftsführer Andreas Guggenberger und Heinz-Christian Straches ehemaliger Reisebegleiter nach Ibiza, Johann Gudenus, sind Aldanen. Für Helferich ist das aber keineswegs der erste Kontakt mit der FPÖ. Er absolvierte 2019 ein Praktikum als Jurist bei der Kärntner FPÖ.

Bernhard Weidinger, Politologe und Extremismusforscher am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, schreibt im Zusammenhang mit der Aldania von einer "außergewöhnlichen Verankerung in der Wiener FPÖ, die bis in die Landesparteiobmannschaft von Rainer Pawkowicz rückverfolgbar ist". Zumindest bis 2008 hatte die Aldania auf ihrem Verbindungshaus laut Weidinger noch "eine Karte des Deutschen Reiches in den Grenzen vom 1.9.1939", also dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, angebracht.

Grüne und SPÖ entsetzt

SOS Mitmensch forderte in einer Reaktion Nepp und Krauss auf, die Burschenschaft zu verlassen oder zurückzutreten. "Es ist untragbar, dass Politiker Mitglieder von Organisationen sind, die Rechtsextremisten, die selbst der unter Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit stehenden AfD zu extrem sind, den roten Teppich ausrollen", befand SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak.

Entsetzt zeigten sich auch die Grünen über den geplanten Auftritt Helferichs. Die Aldania gelte als "Haus-und-Hof-Burschenschaft" der Wiener FPÖ, kritisierte Klubchefin Sigrid Maurer. Dass dort ein Mann eingeladen werde, der sogar der rechtsextremen AfD zu rechtsextrem sei, zeige die "hässliche Fratze", die sich hinter der FPÖ verberge.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim sprach in einer Aussendung von einem "traurigen Höhepunkt" der ungebrochenen Unterstützung der FPÖ für die AfD. Er forderte FPÖ-Chef Herbert Kickl auf, Stellung dazu zu nehmen, dass seine Parteifreunde "einen Nazi zu ihrem Fest einladen". Die neueste Enthüllung zeige jedenfalls einmal mehr, dass eine Stimme für die FPÖ eine Stimme für einen Rechtsruck und den Abbau der Demokratie und des Sozialstaats sei, warnte Seltenheim.

Diskussionsrunde in Wien

Der SS-Sager von Herbert Kickl und die Verwerfungen der AfD auf EU-Ebene holten auch Peter Schmiedlechner, niederösterreichischer FPÖ-Kandidat zum EU-Parlament, ein. Bei der Diskussionsrunde namens "Richtungsentscheidung für Europa", zu der am Montag Arbeiterkammer, ÖGB, die Vertretung des EU-Parlaments in Österreich und die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik luden, diskutierten auch Reinhold Lopatka (ÖVP), Evelyn Regner (SPÖ), Lena Schilling (Grüne) und Peter Berry (Neos).

Peter Schmiedlechner (FPÖ) bei einer Diskussion von AK und ÖGB zur EU-Wahl am Montag in Wien.
Peter Schmiedlechner (FPÖ) bei einer Diskussion zur EU-Wahl am Montag in Wien.
Screenshot Youtube

Zur 2010 getätigten Einschätzung Kickls zur SS, die Schmiedlechner aus dem Publikum vorgelesen wurde, sagte dieser, er könne sich nicht vorstellen, dass der Bundesparteichef so etwas gesagte habe, er selbst sei aber vor 15 Jahren "nicht in der Politik" gewesen. Schmiedlechner distanzierte sich vom "verbrecherischen Regime" der Nationalsozialisten. (Colette M. Schmidt, 28.5.2024)