Kraniche
Eines der wohl bekanntesten Beispiele für die Wanderung von Tieren ist der alljährliche Vogelzug. Hier im Bild sind Kraniche zu sehen, die in ihre Winterquartiere aufbrechen.
IMAGO/Andreas Franke

Wenn von Tierwanderungen die Rede ist, denkt man vielleicht an Herden von Gnus und Zebras in der Serengeti oder an die erstaunlichen Reisen der Wale. Doch auch in unserer unmittelbaren Umgebung wandern Tiere: zwischen Laich- und Nahrungsplätzen, Sommer- und Winterquartieren oder in neue Lebensräume. Im Rahmen der Ausstellung Tierisch mobil! Natur in Bewegung beleuchtet das Haus für Natur in St. Pölten die verschiedensten Aspekte rund um die Mobilität der Fauna. Angesiedelt ist es im Museum Niederösterreich, einem der Museen des Landes Niederösterreich.

"Wir wollen zeigen: Alles ist in Bewegung", erklärt der wissenschaftliche Leiter des Hauses für Natur, Ronald Lintner, der die Ausstellung mit seinen Kollegen auch kuratiert hat. Der Bogen ist dabei weit gespannt: von der Frage, warum Tiere wandern, über die Erforschung, wie sie es tun, bis zu den Grenzen, die ihnen dabei – meist durch den Menschen – gesetzt sind. Präsentiert werden dabei auch neueste Ergebnisse verschiedener Forschungseinrichtungen. Wer noch mehr wissen will, findet an vielen Schautafeln einen QR-Code, der zu detaillierten Informationen führt.

Verschwundene Vögel

Ein klassisches Thema bei Tierwanderungen ist der Vogelzug, doch seine Erforschung begann erst im 19. Jahrhundert: Zwar fiel den Menschen schon vorher auf, dass viele Vögel im Winter unauffindbar waren und erst mit Frühlingsbeginn wieder auftauchten, aber ihr Verbleib war unerklärlich. Manche Theorien vermuteten ihren Aufenthaltsort in Gewässern, eine sogar auf dem Mond. Erst die Erlegung eines Weißstorchs mit einem afrikanischen Pfeil im Hals 1822 gab den Startschuss für die Idee, die Vögel könnten in andere Länder ausweichen.

Heute werden neben Beringung diverse Sender eingesetzt, um die Reisen der Tiere zu erforschen. Berühmt wurde diesbezüglich das im Juni 2021 im Nordburgenland von Birdlife Österreich besenderte Kaiseradler-Weibchen Artemisia: Auf ihrem Weg die Adriaküste entlang nach Nordgriechenland legte sie rund 3800 Kilometer zurück. Den Winter verbrachte sie auf Zakynthos und am Ionischen Meer, ehe sie sich Anfang März zurück nach Mitteleuropa aufmachte. Dort besuchte sie Tschechien, Deutschland, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich und brach dann wieder ins Burgenland auf. Dort allerdings war ihre Reise zu Ende: Sie wurde angeschossen und so schwer verletzt, dass sie nach ihrer Auffindung eingeschläfert werden musste. Ihr Skelett ist in einer der Ausstellungsvitrinen zu sehen: Man sieht, dass die Kugel beide Beine durchschlug und sie dabei beinahe abtrennte.

Verfolgung und Barrieren

Direkte Verfolgung ist jedoch nur eine der Varianten, wie der Mensch die Wanderungen von Tieren beeinträchtigt. Eine andere sind räumliche Hürden: So wanderte der bis zu acht Meter lange Beluga-Stör oder Hausen (Huso huso) früher vom Schwarzen Meer zum Laichen die Donau aufwärts bis nach Österreich. Diese rund 2000 Kilometer lange Reise ist heute nicht mehr möglich, denn eine Vielzahl von Staustufen versperrt ihm – und anderen Fischen – den Weg. Es gibt jedoch auch Bestrebungen, die Flüsse für ihre tierischen Bewohner wieder durchgängiger zu machen: Ein großes Luftbild in der Ausstellung zeigt die Donau beim Kraftwerk Altenwörth. Was aussieht wie ein idyllisches, natürliches Geflecht von Nebenarmen, ist in Wirklichkeit die mit 12,5 Kilometern Länge größte Fischaufstiegshilfe Österreichs.

Feldhase auf Straße
Jährlich werden in ganz Österreich mehr als 17.000 Hasen von Kraftfahrzeugen überfahren und getötet. Sie sind aber nicht die einzigen Tiere, denen das Straßennetz zum Verhängnis wird, wie unter anderem Citizen-Science-Projekte zeigen.
APA/DPA/PATRICK PLEUL

Eine der größten Barrieren, mit denen sich wandernde Tiere an Land konfrontiert sehen, ist das Straßennetz. Im Zuge des Citizen-Science-Projekts Roadkill sind interessierte Laien aufgefordert, Tiere zu melden, die durch Fahrzeuge getötet wurden. Damit lassen sich Stellen identifizieren, die besonders gefährlich sind und vielleicht entschärft werden können. Die Daten für das Jahr 2023, die in der Ausstellung präsentiert werden, sprechen für sich: 145 Feldhasen, 96 Igel und 51 Erdkröten, um nur die drei häufigsten Opfer zu nennen. Dazu kommen jede Menge tote Vögel durch Windräder und Glasflächen.

Tierische Rekorde

Erbaulicher ist eine Wand, die tierische Rekorde aus der ganzen Welt präsentiert. So legte eine Pfuhlschnepfe (Limosa lapponica) 2022 einen Nonstop-Flug von Alaska nach Tasmanien zurück: Für die rund 13.500 Kilometer brauchte sie elf ganze Tage und eine Stunde. Nicht nonstop, aber auch sehr weit schwamm ein Blauflossen-Thunfisch (Thunnus thynnus): innerhalb von 20 Monaten eine Strecke von insgesamt 40.000 Kilometern. Damit wäre er einmal um die Welt gekommen. Den Höhenrekord beim Fliegen hält ein Sperbergeier (Gyps rueppelli), der 1973 auf mehr als 11.000 Meter Höhe mit einem Linienflugzeug zusammenstieß.

Wanderungen besenderter Tiere weltweit werden schließlich auf einer großen Videowand sichtbar gemacht. Sie wird aus Daten des deutschen Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie gespeist und zeigt eindrucksvoll, dass tatsächlich alles Leben in Bewegung ist. (Susanne Strnadl, 26.6.2024)