Der Rapper Young Krillin lebt im Salzburger Stadtteil Lehen und ist einer der wichtigsten Protagonisten der österreichischen Cloud-Rap-Szene.
Lex Lugner

"Ich bin Serbe", hat Young Krillin vor einigen Jahren ins Internet geschrieben. "Sehr behindert." Der Rapper sitzt in seinem Rollstuhl im Gastgarten der Trumerei, eines Bierlokals in der Nähe der Salzach. Sein Pils schlürft er durch ein rotes Plastikröhrl, dazu gibt es weißen Spargel mit Kartoffeln und Sauce hollandaise. Ihm gegenüber sitzt sein persönlicher Assistent Angelo und hilft ihm beim Essen. Young Krillin leidet unter spinaler Muskelatrophie (SMA), typisch sind zunehmende Lähmungen sowie ein Abbau der Arm- und Beinmuskulatur. "Mein Game viel zu tight, meine Bana san hin / Doch mei Ride is der beste, vastehst?", rappt er im Song M1 Ridey, den er vor drei Jahren gemeinsam mit Influencer Dave veröffentlicht hat. Young Krillin nimmt noch einen Schluck, dann fängt er an zu erzählen. Von der Erfindung einer neuartigen Hip-Hop-Welle, die Cloud-Rap genannt wurde, der SMA-Erkrankung und dem Krebs, der seine Hoden befiel.

Im bürgerlichen Leben heißt der 36-Jährige Jasmin und wurde im damaligen Jugoslawien geboren. "Ich komme aus Slawonien, ganz im Osten Kroatiens, nahe der Grenze zu Bosnien", erzählt er. Damals herrschte Krieg. Als Spross einer serbisch-kroatischen Ehe auch noch mit einer Behinderung auf die Welt zu kommen waren dort keine guten Voraussetzungen. Es folgte der Umzug nach Salzburg. Bei spinaler Muskelatrophie bilden sich die Nervenzellen im Rückenmark und im Hirnstamm zurück. Der dadurch ausgelöste Muskelschwund lässt sich zwar durch Therapien verlangsamen, aber nicht aufhalten. "In den letzten Jahren kann ich wirklich nur mehr wenig selber", sagt Krillin. Der elektrische Rollstuhl, in dem er heute sitzt, ist ziemlich modern. Er steuert ihn über einen Joystick. "Ich habe einen Mädchennamen, bin behindert und auch noch Ausländer, mich wundert es, dass ich nicht mehr gemobbt wurde", sagt er.

Flucht aus Jugoslawien

Trotzdem sei es am Anfang schwierig gewesen, in Salzburg anzukommen. Die Eltern kannten nämlich nur andere Ex-Jugoslawen. Richtige Freunde fand Jasmin erst auf dem Gymnasium und dann später auf der Uni, während seines Soziologiestudiums. Hauptsächlich eben durch Hip-Hop. "Einer von ihnen ist Angelo", sagt Krillin. Sein persönlicher Assistent, mit dem er damals erste gemeinsame Songs aufnahm, nickt. Rap sei eine Gaudi gewesen. Zusammen mit dem Rapper Casino Fog habe er etwa Liebeslieder für die Rapperin Bahati Venus geschrieben, die später als Kolibri an der Seite von Richard Lugner bekannt wurde. "Sie hat uns sogar einmal in die Lugner City eingeladen." Anfang der 2010er wurde Young Krillin dann zu einem zentralen Protagonisten einer lila gefärbten Klangwolke, die sich mit ihren langsam benebelnden Beats von Salzburg aus verbreitete: Man nannte das Cloud-Rap.

Wenn er nicht gerade rappt, ist Young Krillin ein leidenschaftlicher "Magic: The Gathering"-Spieler.
Lex Lugner

"Gegen den Begriff habe ich mich damals gesträubt", erzählt er. Ein einheitlicher Musikstil sei Cloud-Rap nämlich gar nicht. Eher ein Sammelbegriff für Rapper einer Generation, die unterschiedliche Sounds, aber ähnliche Einflüsse hatten. Mit ihren liebevoll trashigen Videos und den sphärischen Synthesizersounds schwappten sie in den 2010ern aus dem Internet in die echte Welt rüber. Der sogenannte Hanuschplatzflow ist irgendwas zwischen amerikanischem Südstaaten-Rap, Lil B und österreichischem Dialekt. In Wien machte Money Boy zur selben Zeit etwas Ähnliches, und auch der damals noch unbekannte, fast minderjährige Yung Hurn dockte bei den Salzburgern an. Dass mit den ursprünglichen Spaßprojekten auch Geld zu verdienen wäre, merkte Krillin Mitte der 2010er, als ihn plötzlich Rapper wie Frauenarzt ("Hey, das geht ab / Wir feiern die ganze Nacht") für Features anfragten. In den deutschen Feuilletons begann man Begriffe wie "Oida" oder "Göd" zu googeln, und die österreichische Cloud-Rap-Szene war plötzlich ein "Phänomen", das in der Zeit und vom Intellektuellensprachrohr Arte besprochen wurde.

Dissen und gedisst werden

Im Rap gehe es auch oft darum, seine Gegner mit möglichst kreativen Beleidigungen zu diffamieren. Der Rollstuhl biete da natürlich viel Angriffsfläche. "Mir hat aber nie jemand abgesprochen, Teil dieser Szene zu sein, auch wenn ich wegen diesem Scheiß gedisst wurde." Ein bekannter Rapper habe einmal in einem Interview gesagt: "Bei Young Krillin läuft … nicht. Aber seine Geschäfte laufen." Das sei eh in Ordnung, weil es im Endeffekt doch wieder Anerkennung ausdrücke. Young Krillin war früher in den sozialen Medien auch einer, der selbst ganz gern gestichelt hatte. Als er einmal Jan Böhmermann anpöbelte, bekam er den Social-Media-Mob zu spüren. "Wer jetzt noch mit Jan Böhmermann hängt, ist mein Feind", postete Krillin zum Spaß auf Twitter. Der deutsche TV-Satiriker teilte den Beitrag mit seinen zwei Millionen Followern, woraufhin der Rapper einen Shitstorm bekam. "Es war schon witzig zu sehen, von denen, die auf der 'guten Seite' stehen, wegen meiner Behinderung gedisst zu werden", erklärt er. Als Krillin darauf hinwies, blockierte Böhmermann den Rapper.

Es beginnt zu regnen, wir wechseln nach drinnen, und Krillin bestellt noch ein Bier. Beim Ausprobieren von Rauschzuständen sei der Rollstuhl eigentlich ganz praktisch, erklärt er. "Man kann damit schwerer umfallen." Eine Zeit lang sei er früher "druggy" unterwegs gewesen. "Aber schreib das nicht rein mit den Drogen", sagt er, und kurz darauf: "Ach wurscht, das war sowieso in der Vergangenheit." Mittlerweile konsumiere er keine Drogen mehr, maximal zwei Bier, das reiche. Die Kraft brauche er nämlich für den Alltag. Die Muskeln würden Jahr für Jahr schwächer werden. Leichtsinniges Verhalten kann er sich da nicht mehr leisten. Einen sehr traumatisierenden Unfall gab es einmal, da ist er mit dem Rollstuhl über einen Steinhang hinunter in die Salzach gefallen. Zum Glück habe ihn eine Freundin rechtzeitig rausgefischt, aber zahlreiche Knochen waren gebrochen. Auch psychisch hatte er damit lange zu kämpfen.

Mittlerweile führt Young Krillin ein eher ruhiges und zufriedenes Leben.
Lex Lugner

Zusätzlich zu allem noch eine Krebsdiagnose zu bekommen fühlte sich 2021 ganz unwirklich an. "Hab nur noch 1 Hoden, Leute", ließ er kurz darauf seine Follower auf Instagram wissen. Corona-Zeit, Lockdown – und Chemotherapie. "Es war so, als ob Millionen Sachen gleichzeitig auf einen niederprasseln." Damals habe er sich mit seiner Freundin zurückgezogen. Isoliert. Zwei der drei Tumore sprangen auf die Chemo an, einer nicht. Wenn der sich weiter ausgebreitet hätte, wäre das sein Todesurteil gewesen. "Eigentlich solltest du einen Disstrack gegen den Krebs droppen", schlägt Angelo vor. Sein persönlicher Assistent erinnert ihn, dass bald wieder eine Kontrolluntersuchung ansteht. Mittlerweile ist Young Krillin krebsfrei, trotzdem bleibt die Angst im Hinterkopf. "Aber es wird schon passen", sagt er.

Durch die Schicksalsschläge und Probleme der Welt lässt sich Young Krillin nicht von dem abbringen, was für ihn wirklich wichtig ist. Freunde, die Familie – und eben Hip-Hop. Drei oder vier fertige Alben habe er noch zu Hause liegen, aber zum Aufnehmen kommt man bei allem, was sonst so passiert, eben nur mehr selten. Im Jänner erschien die letzte EP Ich tu dir was erzählen, gemeinsam mit Lex Lugner. "I hab Krebs ghobt / bin in die Salzach gfoin / aber noch an Johr siehst du mi schon wieder rollen", rappt er darauf. "Ich bin das einfach gewohnt", sagt er. "In deinem Leben ist doch auch sicher immer irgendwas?", fragt er. Ein Leben, das sei eben keine Einbahnstraße. Durch das rote Plastikröhrl schlürft er sein Bier noch fertig und rollt dann nach Hause. (Jakob Thaller, 31.5.2024)