Klimaaktivistin
Um die ökologische Wende zu schaffen, spielt die Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle.
Getty Images

Sechs von neun planetaren Belastungsgrenzen sind teils bereits überschritten. Neben der Erderwärmung zählt dazu beispielsweise die Belastung der Umwelt mit Atommüll, Mikroplastik und Pestiziden oder die Zerstörung von Lebensräumen. Die Diskrepanz zwischen den schon spürbar eskalierenden Auswirkungen des Klimawandels und der politischen Indifferenz dem Problem gegenüber kann Gefühle von Ohnmacht, Frust und Verzweiflung auslösen. Die Diagnose "Klimaangst" ist eine Reaktion auf immer neue Temperaturrekorde oder Wetterextreme und peinigt besonders junge Menschen.

Egal, wie man dazu steht, die Klimakrise wird früher oder später niemanden mehr kaltlassen. Trotz alldem sieht Ernst Fürlinger, wissenschaftlicher Leiter der an der Universität für Weiterbildung Krems angesiedelten Akademie der Transformation, auch ein Hoffnungsmoment, "in dem Sinn, dass die Menschheit gezwungen ist zu handeln, um die Bewohnbarkeit des Planeten zu erhalten". Als Reaktion auf "die Politik der Klimaverzögerung" hat Fürlinger im Namen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft das Projekt "Österreichisches Transformationsforum" aus der Taufe gehoben, das kürzlich erstmals in Krems stattfand. 120 Personen aus 75 Organisationen kamen dabei zusammen, um sich zwei Tage lang "über die Grenzen von Bereichen, Milieus und Lagern hinaus gemeinsam über die Herausforderung des sozial-ökologischen Wandels auszutauschen".

Illustration Gesellschaft im Klimawandel
Die Einbeziehung unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure wird beim Österreichischen Transformationsforum angestrebt.
Getty Images

Kein ökologischer Wandel ohne soziale Wende

Ein Blick in das Teilnehmerfeld offenbart tatsächlich eine bunte Mischung von Institutionen: vom Blasmusikverband und Bundes-Feuerwehrverband über verschiedene Religionsgemeinschaften, Gemeinde- und Städtebund, Fridays for Future bis hin zum Climate Change Center Austria (CCCA), dem Forschungsverbund Politische Ökologie der Universität Wien, Joanneum Research und dem International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) – um nur einige wenige zu nennen. "Das ist auch ein Versuch einer neuen Form von Wissenschaftskommunikation", erklärt Fürlinger den Ansatz.

Der Versuch, grundlegende Veränderungen in Richtung echter Nachhaltigkeit herbeizuführen, kann freilich nur unter größtmöglicher Einbindung der Zivilgesellschaft gelingen, ist Fürlinger überzeugt: "Es gibt keinen ökologischen Wandel ohne die soziale Wende, und auch der soziale Wandel kann heute im Kontext der Klimakatastrophe und der Biodiversitätskatastrophe nur ökologisch gedacht werden. Das ist ein ganz entscheidender Punkt: dass man aufhört, diese beiden Dimensionen zu trennen." Vielmehr gelte es, multiperspektivisch zu denken und grundsätzlichere Fragen zu stellen, statt in eingemauerten Positionen zu verharren: "Ist es damit schon getan, dass jetzt halt Autos mit Elektromotoren im Stau stehen? Oder wollen wir einen strukturellen Wandel?"

Gutes Leben für alle

Die Konferenz – gestaltet als offener Dialogprozess ohne die sonst üblichen Vorträge und Podiumsdiskussionen – basierte auf der Ausgangsfrage, was ein gutes Leben für alle auf einem bewohnbaren Planeten im Einklang mit der Natur bedeutet. Thematische Arbeitsgruppen erarbeiteten Projektvorschläge, die sich in den nächsten Monaten noch konkretisieren sollen. Etwa wurde vorgeschlagen, Österreich solle der Wellbeing Economy Alliance beitreten. Das 2018 gegründete Kollaborationsnetzwerk will eine Umgestaltung der Wirtschaft dahingehend erreichen, dass sie sich auf das Wohlbefinden des Planeten und der Menschen konzentriert statt nur auf das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Beim Vorschlagen allein soll es aber nicht bleiben, angedacht wird eine gemeinsame Kampagne zivilgesellschaftlicher Organisationen mit diesem Ziel.

Dem Organisator ist bewusst, dass ohne den politischen Hebel am oft bemühten Ende des Tages auch die besten Vorschläge im Sande verlaufen könnten. Trotzdem sei es wichtig gewesen, die Parteipolitik von der Veranstaltung fernzuhalten, damit sich die Konkurrenzlogik zwischen den politischen Parteien gerade im Vorfeld von Wahlen nicht negativ auf diese zivilgesellschaftliche Zusammenkunft auswirke. Letztlich sei es aber gerade der springende Punkt, nicht auf politische Entscheidungen zu warten. Eher, so ein weiterer Vorschlag einer Arbeitsgruppe, sollten verstärkt Weiterbildungsangebote für Politikerinnen und Politiker in Sachen ökosozialer Transformation eingerichtet und angeboten werden.

Das Österreichische Transformationsforum soll entlang dieser ökosozialen Leitlinien nun jährlich fortgeführt werden, die nächste Ausgabe findet von 25. bis 26. Februar 2025 statt. Das langfristige Ziel ist es laut Fürlinger, "dass die Zivilgesellschaft erkennt, wie viel Macht sie selber besitzt, wenn es ihr gelingt, zu kooperieren und sich zu koordinieren". Demokratische Entscheidungen über die Ausrichtung der Transformation dürften nicht nur der Wirtschaft und dem Staat überlassen werden: "Im Grunde sind wir dabei, eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie aufzubauen, weil es ein Format braucht, wo sich die Gesellschaft selber über diese Transformation verständigen kann – und zwar in einer partizipativen und demokratischen Weise." (Mario Wasserfaller, 2.7.2024)