Ein Mann steht am Griller und brutzelt das Fleisch. Er steigt in sein dickes Auto, einen SUV, groß natürlich und PS-stark, und beim Wegfahren erzeugt er einen ohrenbetäubenden Lärm. Bilder wie diese kennt man von Los Angeles bis Langenzersdorf.

Dass das Auto für viele immer noch ein Zeichen von Männlichkeit ist, ist hinreichend bekannt. Folgt man neuen Theorien, könnte dahinter aber ein noch größerer Zusammenhang stecken. Denn nicht nur dem Autofahren oder Grillen sind überwiegend Männer zugeneigt – sie sitzen auch an den Schalthebeln der Macht großer Öl- und Gaskonzerne. Oder an der Spitze jener Parteien, die sich gegen die Energiewende stellen und fossile Brennstoffe weiter hochhalten. Wie etwa der ehemalige US-Präsident Donald Trump, der traditionelle Bilder von Männlichkeit mit fossiler Energiegewinnung wie dem Kohleabbau verbindet. Auf einem signalhaften Foto aus dem Jahr 2016 hält er ein Schild in der Hand mit der Aufschrift: "Trump Digs Coal" – "Trump gräbt nach Kohle".

Mit dem Schild "Trump gräbt nach Kohle" warb der Republikaner 2016 um die Gunst der Wählerinnen und Wähler.
imago/ZUMA Press

Männer, die die Welt verbrennen

"Männer profitieren unverhältnismäßig stark vom Erfolg der fossilen Brennstoffe", sagt der Journalist und Psychologe Christian Stöcker. Ein Beispiel sei der russische Präsident Wladimir Putin, "dessen gigantischer Reichtum und komplette Macht auf Öl und Gas basieren". Oder Mohammed bin Salman, der Kronprinz von Saudi-Arabien. In seinem neuen Buch geht Stöcker mit ebenjenen Akteuren ins Gericht, die in seinen Augen die Hauptverantwortung für die Klimakrise tragen. Es trägt den Titel Männer, die die Welt verbrennen und ist kürzlich im Ullstein-Verlag erschienen.

Die Lust am Verbrennen finde sich allerdings nicht nur ganz oben in der Politik und Wirtschaft, betont Stöcker gegenüber dem STANDARD: "Diese Haltung findet man auch bei Männern, die nicht reich geworden sind mit Öl und Gas. Sie findet sich auch bei denen, die einfach nur ihr Auto lieben." Er sagt: Der Verbrenner sei ein wichtiges Identitätsmerkmal für viele vor allem konservative Männer mittleren Alters.

Der Verbrennungsmotor hat für petromaskuline Männer offenbar eine große Symbolkraft, sie verteidigen ihn vehement.
Getty Images/iStockphoto

Dieser Zusammenhang hat einen Namen: Petromaskulinität. Es handelt sich dabei um eine Wortschöpfung aus "Petroleum" (Erdöl) und "Maskulinität" (Männlichkeit). Die US-amerikanische Politikwissenschafterin Cara Daggett hat den Begriff 2018 geprägt. Sie meint damit meist männlich geprägte, autoritäre Gegenbewegungen zum Klimaschutz.

Eher klimawandelskeptisch

Tatsächlich gebe es einen "ganz klaren Geschlechterunterschied", so Stöcker: Männer wählen eher rechte Parteien, die häufiger den menschengemachten Klimawandel in Zweifel ziehen. Studien aus den USA und Schweden zeigen, dass Männer eher klimawandelskeptischer sind als Frauen.

Petromaskulinität, erklärt der Autor, hänge außerdem häufig mit Frauenhass zusammen. Ein Prototyp für das Phänomen ist für ihn der Influencer und ehemalige Kickboxer Andrew Tate. Vor rund zwei Jahren richtete er auf X, vormals Twitter, eine spöttische Botschaft an die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. "Ich habe 33 Autos", prahlt der Influencer darin und berichtet von einem Bugatti und zwei Ferraris. Doch das sei erst der Anfang, heißt es weiter: "Bitte schicke mir deine E-Mail-Adresse, damit ich dir eine vollständige Liste meiner Sammlung an Autos und ihrer jeweiligen enormen Emissionen zusenden kann." Thunberg konterte cool: "Ja, bitte kläre mich auf. Schreib mir an smalldickenergy@getalife.com".

Frauen und andere, die sich für Klimaschutz oder Feminismus einsetzten, seien die typischen Feindbilder petromaskuliner Männer, erklärt Stöcker. Sie würden in einen regelrechten Kulturkampf gegen all das ziehen, was sie als "woke" ablehnen. Die Fossilindustrie in den USA verunglimpfe auch auf diese Art und Weise die Windkraft. "Und Donald Trump hetzt jetzt gegen Elektroautos. Im Endeffekt sind das Marketinginstrumente, um weiterhin fossile Brennstoffe verbrennen zu können."

"Petromaskulinität ist überall"

Für Christoph May meint das Phänomen aber längst nicht nur Rechte. May betreibt in Rheinland-Pfalz gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Stephanie May das Institut für Kritische Männlichkeitsforschung. Er sagt: "Petromaskulinität ist überall." May ortet sie auch bei dem Nachbarn, der am Wochenende Holz durch den Häcksler jagt, das gepimpte Motorrad aus der Garage holt oder den großen Grillmeister spielt. "Besonders auffällig ist, wie laut das eigentlich alles ist. Man muss wirklich von einem Männlichkeitslärm sprechen. Und alle anderen müssen ihn aushalten, dieser Lebensstil wird ihnen rücksichtslos aufdiktiert."

Filme wie auch Serien würden diese Form der Maskulinität befördern. Sie zeigen Superhelden und Geheimagenten, die mit schnellen Fahrzeugen durch die Gegend rasen, um die Welt zu retten. Damit solle die männliche Überlegenheit durch Autos, Flugzeuge und Motorräder demonstriert werden, sagt May. Ebenso eine Rolle würden "Narrative" spielen, beispielsweise jenes, dass Männer besser Auto fahren könnten als Frauen. Mit diesen Erzählungen würden wir alle aufwachsen, sie seien allgegenwärtig, sagt May.

Für den Männlichkeitsforscher hängt die Petromaskulinität auch mit einer fragilen Männlichkeit zusammen: Je weniger sich jemand seiner Männlichkeit sicher ist, desto dominanter und aggressiver gebe er sich. Demnach sei Petromaskulinität ein Ergebnis verloren geglaubter Männlichkeit – das sagt auch die Schöpferin des Begriffs, Politikwissenschafterin Cara Daggett. Je mehr sich Frauen ihren Platz in der Gesellschaft erkämpfen und für das Klima eintreten, umso mehr Widerstand entsteht. "Umso mehr werden Männer wieder die Auspuffe ihrer Autos aufheulen lassen und einen Scheiß auf Umweltschutz geben", sagt May. Für ihn passt das Phänomen zu dem Befund, dass junge Männer immer konservativer werden, während das bei jungen Frauen umgekehrt ist.

In Filmen und Serien sind motorisierte Fahrzeuge wichtige Tools von Superhelden und Geheimagenten. Auf dem Bild zu sehen ist Tom Cruise im siebten Teil von "Mission: Impossible".
Paramount Pictures; AP/Christian Black

Phänomen mit Geschichte

Für Politikwissenschafterin Daggett ist Petromaskulinität historisch gewachsen. Einerseits schuf die Produktion dieser fossilen Energieträger Jobs für Männer. Diese konnten damit einen Familienlohn generieren und somit dem gesellschaftlichen Leitbild des Familienernährers entsprechen. Andererseits sei der Lebensstil, auf dem der American Dream baue, stark auf den Verbrauch fossiler Energien angewiesen.

Bleibt die Frage, ob neue Männlichkeitsbilder Abhilfe schaffen könnten. "Ich würde davon abraten, zu sagen: Wir müssen nur die Männlichkeitskonstruktion verändern, dann lösen wir auch die Klimakrise", sagt Buchautor Stöcker. "Wir haben einfach keine Zeit – und an dem Thema Männlichkeit wird ja auch nicht erst seit gestern gearbeitet." Es bewege sich zwar etwas, aber es gehe zu langsam. Vielmehr müsse das Energiesystem umgestellt und dadurch die Verantwortlichen entmachtet werden. Es gelte auch, ihre Methoden der Desinformation offenzulegen.

Tesla-Chef Elon Musk gehört für Forschende zu einer Gruppe von Männern, die zwar auf erneuerbare Energien bauen, aber nach wie vor der Wachstumslogik folgen.
REUTERS/David Swanson

Es gibt jedoch auch männliche Identitäten abseits der Petromaskulinität. Gotelind Alber, die seit 15 Jahren an der Schnittstelle von Gender und Klima forscht, spricht etwa von der "ecomodern masculinity". Der Begriff wurde von dem Schweden Martin Hultman geschaffen. Der ecomoderne Mann baue auf erneuerbare Energien, "fühlt sich innerlich aber nach wie vor Wachstum und Technologie verpflichtet", erklärt Alber. Ein Beispiel sei der Politiker Arnold Schwarzenegger, der als Gouverneur in Kalifornien viel vorangebracht habe in Sachen Klimaschutz, dessen Ansätze jedoch sehr technikzentriert seien. Als weiteres Beispiel nennt die Expertin den Unternehmer Elon Musk: "Einerseits hat er Tesla und E-Autos großgemacht, andererseits fliegt er mit dem Privatjet durch die Gegend und schießt seine Raketen in den Himmel." Dahinter stecke weiterhin eine "Eroberungsmentalität".

Männlichkeitsforscher May sagt, dass es auch ganz anders gehe. Schließlich gebe es sie bereits, die Männer, die überallhin mit dem Fahrrad führen, die sich in der Umweltbewegung engagierten oder bei grünen Parteien. Für ihn liegt der Schlüssel darin, Männlichkeit mit anderen Eigenschaften zu verbinden als mit Macht, Aggression und Gewalt. Sein Wunsch: eine Welt, in der Männer Rücksicht nehmen, selbstkritisch und patriarchatskritisch sind. In der Anteilnahme und feministisches Engagement wichtiger sind als ein lauter, stinkender Auspuff. (Lisa Breit, 30.5.2024)