Papst winkt
Die Erklärung der Übernatürlichkeit obliege ausschließlich dem Papst, berichtete Radio Vatikan.
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Vatikanstadt – Der Vatikan hat die seit 1978 geltenden Normen für die Beurteilung vermeintlicher "übernatürlicher" Phänomene aktualisiert. Das neue Dokument des Glaubensdikasteriums, das am Freitag veröffentlicht wurde, tritt schon am Sonntag in Kraft. Der Text enthält einige Neuerungen.

Weder der Ortsbischof noch der Vatikan werden künftig in der Lage sein, "eine Erklärung über die Übernatürlichkeit des Phänomens" abzugeben, das heißt "die Möglichkeit, mit moralischer Gewissheit zu behaupten, dass es auf eine Entscheidung Gottes zurückgeht". Die Erklärung der Übernatürlichkeit obliege ausschließlich dem Papst, berichtete Radio Vatikan.

Keine "Verpflichtung" für Gläubige

Das Dikasterium für die Glaubenslehre bekräftigt in seinem neuen Dokument, dass es für die Gläubigen keine "Verpflichtung" gibt, an angebliche Erscheinungen zu glauben, selbst wenn das Urteil der Kirche nicht negativ ausfällt.

Wenn in einigen Fällen Phänomene mutmaßlich übernatürlichen Ursprungs "einen pastoralen Wert" hätten, den der Diözesanbischof "würdigen" müsse, so müsse gleichzeitig anerkannt werden, dass in einigen Fällen die Kirche mit all ihrer pastoralen Fürsorge handeln müsse, um Betrugsfälle zu entlarven, unterstreicht das Dikasterium für die Glaubenslehre in einem neuen, vom Papst gegengezeichneten Dokument.

"In einigen Fällen könnten von Ereignissen, die mutmaßlichen übernatürlichen Ursprungs sind, sehr ernste Probleme zum Schaden der Gläubigen auftreten", hieß es im Dokument. Etwa, wenn solche mutmaßlichen Phänomene "zur Erlangung von Profit, Macht, Ruhm, sozialer Berühmtheit, persönlichen Interessen" dienten. Oder sogar "als Mittel oder Vorwand, um Menschen zu beherrschen oder Missbrauch zu begehen".

Nicht zuletzt warnt Kardinalspräfekt Victor Manuel Fernandez in diesem Zusammenhang vor der Gefahr, "dass die Gläubigen in den Bann eines einer göttlichen Initiative zugeschriebenen Ereignisses geraten", das in Wirklichkeit auf Fantasie beruht, auf "Mythomanie", auf der "Neigung zur Verfälschung".

Bisherige Normen abgelöst

Die neuen Richtlinien lösen laut Kathpress die bisherigen Normen von 1978 ab, die oft zu jahrzehntelangen Anerkennungsverfahren führten. Der zuständige Ortsbischof muss nun nicht mehr entscheiden, ob es sich bei den behaupteten Erscheinungen tatsächlich um übernatürliche Phänomene handelt. Stattdessen kann er jetzt pragmatisch darüber befinden, ob er für die Wallfahrten und Gottesdienste an einem behaupteten Erscheinungsort ein "nihil obstat" ("nichts steht entgegen") erteilt oder eine andere kirchenrechtliche Einschätzung wählt. Insgesamt sind sechs Einstufungen möglich.

Konflikte zwischen der Kirchenleitung und selbsterklärten Sehern gibt es häufig. Der bekannteste Fall in Europa sind die mutmaßlichen Marienerscheinungen in Medjugorje im heutigen Bosnien-Herzegowina. Dort erschien nach Auskunft der Betroffenen die Jungfrau Maria sechs Jugendlichen erstmals 1981 und danach immer wieder und überbrachte ihnen Botschaften mit Handlungsanweisungen an die Gläubigen. Der Ort wurde in den folgenden Jahren ein Pilgerzentrum, zu dem alljährlich mehrere Millionen Menschen kommen. Eine kirchliche Anerkennung der dortigen Erscheinungsphänomene steht bis heute aus, zumal einige der Seher laut eigenen Angaben bis heute Botschaften erhalten. (APA, 17.5.2024)