Zebrafisch-Larve Mikroskop
Zebrafisch-Larven, aber auch Organoide kann man in einer Flüssigkeit schweben lassen.
IMAGO/BSIP

Sie gelten als großer Hoffnungsträger für die medizinische Forschung: Organoide. Diese millimetergroßen "Nachbauten" menschlicher Organe könnten künftig in der personalisierten Medizin zur Heilung von Krankheiten eingesetzt werden. Zudem sollen die künstlich gezüchteten Zellen beim Testen von Medikamenten und anderen Eingriffen Tierversuche weitgehend ersetzen. Doch wie mit ihnen arbeiten, sie bearbeiten oder untersuchen? Um sie störungsfrei mit optischen Methoden vermessen zu können, benötigt es einen Trick.

Mit leichten und empfindlichen Objekten vollkommen berührungslos zu hantieren oder eben nicht hantieren zu müssen, hat viele Vorteile. Auf diese Art wird verhindert, dass selbst durch kleinste mechanische Einwirkungen Schäden entstehen oder hochreine Materialien kontaminiert werden. Das Mittel der Wahl ist in vielen Fällen dieser Art eine sogenannte akustische Levitation. Dabei nutzt man die Energie von Schallwellen, um filigrane Objekte gegen die Kraft der Gravitation hochzuheben und zum Schweben zu bringen. Das Verfahren wird auch in der chemischen Forschung oder in der industriellen Fertigung von Mikrochips angewendet.

Erstmals exakte Drehung

Forschende der Med-Uni Innsbruck konnten gemeinsam mit Kollegen der Med-Uni Wien im Bereich der Organoid-Forschung nun einen Durchbruch vermelden: "Erstmals ist es gelungen, derart komplexe biologische Objekte im Schwebezustand kontrolliert und mit hoher Genauigkeit in verschiedene Richtungen zu drehen, sodass exakte Schnittbilder durch eine spezielle Bildgebungsmethode erstellt werden können", erklärt Monika Ritsch-Marte, Direktorin des Instituts für Biomedizinische Physik der Med-Uni Innsbruck. Die Ergebnisse, die sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen vor kurzem im Fachjournal Nature Communications vorstellte, entstanden im Rahmen des Spezialforschungsbereichs Tomography Across the Scales, der vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wird.

3D-Modell Zebrafisch-Embryo.
Institut für Biomedizinische Physik, Med Uni Innsbruck und Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik, Med Uni Wien Nat

Die Entwicklung entstand aus dem Bedarf heraus, dreidimensionale Bilder von Organoiden, Krebszellenclustern oder Tiermodellembryonen mittels sogenannter Optical Coherence Tomography (OCT) anfertigen zu können. Das Bildgebungsverfahren, mit dem etwa auch Augenärzte den Augenhintergrund vermessen, nutzt Laserstrahlen, die an Grenzflächen im Gewebe gestreut werden. Die Weiterentwicklung der OCT-Methoden wird von den Projektpartnern des Zentrums für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der Med-Uni Wien vorangetrieben.

Damit Organoide oder andere spannende Objekte wie Tierembyronen untersucht werden können, müssen sie zunächst vollständig in 3D abgebildet werden. Dafür müssen Schnittbilder in regelmäßigen Abständen von allen Seiten angefertigt werden. "Der konventionelle Weg wäre, die in Gel eingebetteten Organoide in Glasröhrchen einzufüllen, um sie drehen zu können", erklärt Ritsch-Marte. "Das ist umständlich. Zudem wird das Gel, in dem die Organoide wachsen, zunehmend problematisch gesehen, was Nebeneffekte und Reproduzierbarkeit betrifft."

Ausweg für große Probe

Das neue, auf akustischer Levitation basierende Verfahren lohnt sich bei Objekten ab einer Größe von etwa 100 Mikrometern. Kleinere sind auch mit optischen Pinzetten, die gebündeltes Licht nutzen, berührungslos erfassbar – eine Technologie, mit der sich Ritsch-Marte und ihr Team bereits in früheren Projekten beschäftigt haben. Werden die Objekte allerdings zu groß, braucht es stärkere Laser, und das Risiko, Verbrennungen an der Probe zu verursachen, steigt.

Um größere Proben kontrolliert um eine gewünschte Achse zu drehen, entwickelte Mia Kvåle Løvmo, Dissertantin am Innsbrucker Institut, nun eine akustische Falle – einen Behälter, der mit einer Reihe von hochfrequenten Ultraschallquellen versehen ist. Das zu untersuchende Objekt, etwa ein Zebrafisch-Embryo, ist darin von Wasser umgeben. "Eine stehende, von unten kommende Schallwelle erzeugt einen Knotenpunkt mit minimalem Druck in der Flüssigkeit, in den die Probe hineingezogen wird", beschreibt Ritsch-Marte. "Die Kunst ist aber nun, mithilfe weiterer stehender Wellen, die rund um die Probe angebracht sind, gezielt eine Rotation um die eigene Achse auszulösen."

"Die Proben haben inhomogene Formen und Masseverteilungen. Wie sie bei der Drehung verkippen, ist nicht mit ausreichender Präzision vorauszusagen", beschreibt Ritsch-Marte. Ausgehend von den OCT-Aufnahmen hat Simon Moser, ebenfalls Dissertant an der Med-Uni Innsbruck, ein Optimierungsverfahren entwickelt, das die aus verschiedenen Richtungen aufgenommenen Bilder mit Vorhersagedaten einer Simulation vergleicht und so Achse und Winkel der Drehung mit hoher Genauigkeit bestimmen kann. Damit lassen sich dann die Bilder physikalisch korrekt zu einer 3D-Aufnahme zusammenführen. Als Nebenprodukt entstehen mit Daten über Brechungsindex und lokaler Abschwächung des OCT-Signals innerhalb der Probe zudem weitere wertvolle Informationen.

Biokompatibilität als Herausforderung

Um tatsächlich lebende Organoide oder Embryonen von Modellorganismen auf diese Art untersuchen zu können, muss noch die Biokompatibilität sichergestellt werden. "Wir arbeiten noch an Aspekten wie Temperaturstabilisierung, Gasaustausch oder Nährstoffzufuhr", sagt Ritsch-Marte. "Hier sind aber keine substanziellen Probleme zu erwarten." Künftig möchte man das Verfahren noch effizienter und vielseitiger gestalten. Die Physikerin hofft zudem, dass viele Labors und Forschungsgruppen den Ansatz für ihre Zwecke adaptieren. Ein gemeinsames Projekt zeichnet sich etwa mit Kolleginnen und Kollegen der University of California in Berkeley ab. Dort möchte man die kontrollierte Levitationstechnik in Kombination mit einer anderen optischen Bildgebungsvariante nutzen. (Alois Pumhösel, 31.5.2024)