Mittel-Alter Satire Debatte Babyboomer
Das Erlebnis Natur gemeinsam genießen, um Kraft zu tanken: Wladimir Putin und Sergej Schoigu beim gemeinsamen Kräuterpflücken 2018 in einem verträumten Waldstück hinter Omsk.
AFP/POOL/ALEXEY NIKOLSKY

Mit nicht geringem Erstaunen nahm die Weltöffentlichkeit zur Kenntnis, dass Wladimir Putin zur Untermauerung seiner triumphalen Wiederwahl als Russlands Präsident ein besonders starkes Zeichen gesetzt hat: Mit der Entlassung von Verteidigungsminister Sergej Schoigu zog der oberste Zwingherr aller Reußen einen spektakulären Schlussstrich unter eine Männerfreundschaft, die man für unverbrüchlich zu halten gute Gründe hatte.

Noch zögert man mit der Feststellung, Putin habe seinen Kriegsminister einfach in die Wüste geschickt. Denn mit Schoigu verband den Präsidenten die engste aller denkmöglichen Verbindungen – sieht man vielleicht von derjenigen ab, die ihre Teilhaber zum gemeinsamen Gebrauch von Tisch und Bett nötigt. Letztere bedarf der Segnung durch den orthodoxen Patriarchen. Man weiß, dass Putin sowohl bei der Wahl der Ehefrau als auch bei der Bestellung des obersten Geistlichen das wirklich allerletzte Wort zu haben pflegt.

Mit Schoigu hat Putin in längst verblichenen Friedensjahren das Zweimannzelt geteilt. Die beiden Naturfreunde kampierten vielleicht nicht in der Wüste, aber dafür gemeinsam in der sibirischen Taiga. Fotos, die einst das Magazin Stern druckte, zeigten zwei Beerenpflücker bei der stillen Verkostung ihrer süßen Beute. Braunbären, die das Pech hatten, den beiden Staatsmännern über den Weg zu laufen, schlossen Bekanntschaft mit einem Kriegsarsenal, das größtenteils noch aus Sowjetzeiten stammt.

Bärlauch und Holzfeuer

Die gemischten Gefühle, die ich mit dem Ansehen der Fotos verband, stammen wiederum aus Frühlingstagen der Ära Kreisky. Im Wienerwald duftete es damals nach Bärlauch und Holzfeuer. Ich, ein dicker Babyboomer, teilte mit Vertretern des Österreichischen Pfadfinderbundes ein Dreimannzelt. In tiefer Nacht ließ unser Patrouillenführer den einen oder anderen Wind ziehen. Widerspruch erstickte der wackere Funktionär mit dem Hinweis im Keim, dass wir uns an derlei zu gewöhnen hätten. So gesehen grenzt es an ein Wunder, wie lange Putin seinen Kriegsminister riechen konnte. (Ronald Pohl, 15.5.2024)