Wie die Hochschulen von der EU profitieren, ist nicht leicht zu verstehen. Damit die Zusammenarbeit anschaulicher wird, werden hier vier EU-Projekte von verschiedenen Fachhochschulen vorgestellt – mit den jeweiligen Fördersummen.

Europäisches Netzwerk der FHs

Versammlung des Eurashe-Netzwerks.
Insgesamt hat das Eurashe-Netzwerk über 70 Mitglieder und repräsentiert damit rund 560 angewandte Hochschulen.
University Politehnica of Buchar

Was hat ein europäisches Hochschulnetzwerk mit der Fachhochschule Sankt Pölten zu tun? Seit knapp einem Jahr ist der Geschäftsführer der FH St. Pölten, Hannes Raffaseder, auch Vorsitzender des Netzwerks mit dem Namen Eurashe. Diese Interessenvertretung ist ein Zusammenschluss vieler europäischer Hochschulen, die angewandte Wissenschaft lehren und darüber forschen. Das Netzwerk wurde bereits 1990 gegründet.

Das Ziel ist, die Interessen angewandter Hochschulen in der Europäischen Union zu vertreten, bei europäischen Gesetzen zu beraten oder Input zu Neuerungen zu geben. Die Fachhochschule Sankt Pölten war lange Zeit die einzige österreichische Hochschule in diesem Netzwerk. Mittlerweile sind drei weitere FHs dazugekommen: das IMC Krems, die FH Wiener Neustadt, und die FH Burgenland.

Insgesamt hat Eurashe über 70 Mitglieder in Europa und im Rest der Welt. Es repräsentiert rund 560 angewandte Hochschulen und Institutionen. Unter all diesen Mitgliedern spielt auch Kooperation und Wissensaustausch eine große Rolle. Sie forschen gemeinsam und überlegen beispielsweise, wie die Lehrqualität erhalten und ausgebaut werden kann.

Auch wenn die Bildungssysteme in allen Ländern unterschiedlich sind, meint Raffaseder: "Was wir voneinander lernen können, ist enorm." Was sind die Vorteile einer Mitgliedschaft in einem solchen Verband? Raffaseder nennt hier einige Punkte. Die FH St. Pölten habe dadurch deutlich mehr EU-Drittmittel, also Förderungen oder Finanzierungen, erhalten. Auch sei die Hochschule nun attraktiver für ausländische Wissenschafter.

Die norwegische Wissenschafterin für Digitale Gesundheit Eva Turk lehrt zum Beispiel in St. Pölten. So kämen auch für die internationalen Programme mehr Studierende an die FH. Und dank des Vorsitzes im Eurashe-Netzwerk ist Raffaseder nicht nur im Austausch mit wichtigen Personen der EU, sondern kommt auch im eigenen Land in Kontakt mit den Ministerien. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Projekte, bei denen heimische Betriebe mit eingebunden werden.

Die Idee der Europäischen Hochschulen

Frau hält EU Flagge hoch.
Es nehmen bereits vier Fachhochschulen in Österreich an der "European Universities Initiative" teil. Das Projekt EU4Dual, an der die FH Joanneum teil nimmt, erhielt insgesamt 14,4 Millionen Euro. 75 Prozent davon übernimmt die EU.
Getty Images

Es gibt bereits die Möglichkeit für Studierende, ein Austauschsemester zu absolvieren. Aber es gibt noch keine Studiengänge, die regulär in verschiedenen europäischen Ländern besucht werden können - mit einem europäischen Abschluss. Das wäre mit sogenannten Europäischen Universitäten anders. Sechzig sollen in Zukunft entstehen.

Genau daran arbeitet die Fachhochschule Joanneum zusammen mit acht weiteren europäischen Universitäten und Fachhochschulen aus Österreich, Spanien, Deutschland, Finnland, Ungarn, Polen, Malta, Kroatien und Frankreich. Ebenfalls mit an Bord sind 35 assoziierte Industriepartner. Alle arbeiten seit Jänner 2023 bis 2027 daran, europäische duale Hochschulprogramme aufzusetzen.

Der Zusammenschluss dieser Projektpartner nennt sich Europäische Hochschulallianz – Abkürzung EU4dual. Rund 14,4 Millionen Euro haben alle Projektpartner zusammen dafür von der EU erhalten. Die Regel ist allerdings, dass nur ein gewisser Prozentanteil dieser Projektkosten von der EU übernommen werden. In diesem Fall sind das 75 Prozent der 14,4 Millionen Euro. Den Rest müssen die Hochschulen selbst oder mithilfe von Firmen oder anderen staatlichen Förderungen finanzieren.

Das Projekt EU4dual erarbeitet gerade zwei sogenannte Joint-Master-Programme. Sie sollen die Themen nachhaltige Produktion und Digitalisierung, grüne Ökonomie und Transformation sowie gesunde Lebensführung beinhalten. Die Programme sollen jeweils online sowie in zwei bis drei Partnerhochschulen in unterschiedlichen Ländern absolviert werden können.

Ebenso soll ein duales europäisches Doktoratsprogramm aufgesetzt werden. Bisher ist es in Österreich sowie in einigen anderen europäischen Ländern nicht möglich, an Fachhochschulen oder angewandten Hochschulen ein Doktorat zu machen. Roswitha Wiedenhofer-Bornemann, Projektleiterin an der FH Joanneum, meint: "Das ist ein Wettbewerbsnachteil, den wir uns eigentlich nicht leisten können." Deswegen hofft sie, auf diese Weise ein Doktoratsprogramm einführen zu können.

Wie und von wem all diese europäischen dualen Hochschulprogramme langfristig finanziert werden könnten, welche Rechtsform und wie die Akkreditierung aussehen könnte, ist bisher noch unklar. Vorschläge dafür werden in diesem Projekt auch angedacht.

Biodiversität messen

Frau steht mit Messgerät in einer Wiese.
Insgesamt erhielt das Projekt BioMonitor4CAP der FH Kärnten knapp sieben Millionen Euro Förderung.
Ilja Svetnik

Die Wissenschafterinnen stellen Wildkameras auf, um Insekten zu fotografieren, nehmen Bodenproben, scannen die Landschaft aus der Vogelperspektive mit speziellen Geräten oder zeichnen die akustischen Signale von Heuschrecken auf. Vanessa Berger und Ilja Svetnik sind zwei von rund zehn Forschenden der FH Kärnten, die an dem EU-Projekt BioMonitor4CAP arbeiten. Kryptische Namen und Abkürzungen sind übrigens sehr üblich, da jedes EU-Projekt schon bei der Einreichung eine Abkürzung benötigt.

Das Ziel dieses Forschungsvorhabens ist, Landwirten und der interessierten Öffentlichkeit Wissen, Methoden und Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, um die Landwirtschaft resilienter zu machen. Die Ergebnisse werden auch in die nächste EU-Strategie für gemeinsame Agrarpolitik (GAP) einfließen.

Um festzustellen, wie widerstandsfähig ein Ökosystem ist, kann beispielsweise der Grad der Biodiversität festgestellt werden. Doch so einfach ist das nicht, denn in dem Projekt sind 23 Partner in zehn Ländern vertreten und jede Landschaft hat ganz eigene Merkmale. Deswegen müssen sie erforschen, welche dieser Merkmale Indikatoren für Biodiversität sein könnten und mit welchen Tools und Methoden diese erhebbar wären – und zwar auch für Landwirtinnen und Landwirte selbst.

Vanessa Berger testet im Moment, ob und wie die Technologien funktionieren. Sie eruiert, wie diese eingesetzt werden könnten, und versucht Möglichkeiten aufzuspüren, wie diese in das nationale und föderale Förderungssystem eingebaut werden könnten. Ilja Svetnik spricht darüber hinaus mit den Landwirten. Wie offen stehen sie diesen Methoden gegenüber? "Wichtig ist uns, dass wir den Bäuerinnen und Bauern nicht sagen, wie es besser geht." Stattdessen erfragen sie, welche Methoden zur Biodiversitätsbestimmung sie für möglich und sinnvoll halten und welche sie auch tatsächlich einsetzen würden. "Bei den Gesprächen hat mich beeindruckt, was Landwirte alles leisten, obwohl sie es gar nicht müssten, ohne dafür Geld zu erhalten", sagt Ilja Svetnik.

Spannend an großen EU-Projekten ist auch, wie die Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern funktioniert. Momentan werden die Ergebnisse online gebündelt – in einem Google-Drive-Ordner. "Eine Grundregel bei EU-Projekten lautet: Alle teilen alles. Zu jedem Zeitpunkt. An dem Projekt arbeiten um die 100 Personen gleichzeitig. Man kann sich vorstellen, wie viele Informationen jeden Tag auf einen einprasseln", sagt Berger.

Grenzüberschreitender Tourismus

Gruppenbild der Projektmitglieder vor der FH Kufstein.
Das Projekt "Resilienter Tourismus" wurde mit etwas mehr als 1,3 Millionen Euro gefördert.
FH Kufstein Tirol

Die Corona-Pandemie war für die Tourismusindustrie eine große Herausforderung. "Wir sehen, dass gerade kleine Betriebe es sehr schwer hatten oder sogar langfristig schließen mussten. Diese Zeit hat auch gezeigt, dass die Branche nicht so resistent ist wie angenommen", sagt der Projektleiter der Wissenschafter an der FH Kufstein, Mario Situm.

Wie ist es also möglich, Tourismusbetriebe so aufzustellen, dass sie sich von neu aufkommenden Krisen schneller erholen können? Das untersucht das EU-Projekt Resilienter Tourismus der FH Kufstein und der FH Salzburg gemeinsam mit weiteren 24 Partnern in Tirol und Bayern. Es startete im Jänner 2024 und dauert drei Jahre.

Die Schwierigkeiten der Branche sind auch ohne neue Krisen akut: zum Beispiel der Arbeitskräftemangel oder die starken Wetterveränderungen aufgrund der Klimakrise. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist, dass sehr viele Geschäftsführende kleiner und mittlerer Betriebe in den kommenden Jahren in Pension gehen und Neuübernahmen anstehen.

Zunächst wird nun eine Analyse der Betriebe und des Marktes vorgenommen. Das Ziel ist, mit diesen Daten einen sogenannten Resilienzindex zu erstellen. Doch wie misst man die Krisenfestigkeit von Unternehmen? Dabei gebe es einige klassische Indikatoren wie die Bettenauslastung oder ob ein Betrieb saisonal ist. Aber ein interessanter Faktor ist auch, wie energieautark eine Firma ist, wenn die Energiepreise anziehen. Oder wie gut das Verbandswesen in der Region ist und damit die Kooperation untereinander in Krisenzeiten. In vielen Gesprächen und Kongressen werden diese Punkte erarbeitet, und gleichzeitig wird nach Lösungen für diverse Krisen gesucht.

Die Ergebnisse werden dann als Strategiepapier zusammengefasst und in eine App umgewandelt. Mit dieser können Betriebe ihre Resilienz einschätzen und Veränderungsmaßnahmen ergreifen können. Des Weiteren wird auch ein Lehrgang zum sogenannten Resilienzmanagement aufgesetzt und die ersten Resilienzmangerinnen und Manager ausgebildet. Diese sollen Betriebe beraten können, wie sie ihr Unternehmen zukunftssicher machen könnten.

Mario Situm nennt noch einen wichtigen Punkt: "Es ist essenziell, dass die Tourismusbetriebe und Regionen kooperieren. Mit unseren Treffen und der gemeinsamen Forschung wird somit schon der Grundstein für eine hoffentlich lange Zusammenarbeit gelegt."

Gebäudetechnik ausprobieren

Gläsernes Haus auf Wiese.
Die Häuser der FH Burgenland wurden mit 500.000 und zwei Millionen Euro EU-gefördert.
J.Vass

In Pinkafeld im Burgenland stehen mittlerweile zwei Häuser, die zu einem großen Teil aus EU-Mitteln finanziert wurden. Bei einem spiegelt sich der blaue Himmel in der gläsernen Fassade. Das glänzende Äußere deutet schon darauf hin: Es ist ein Hightech-Gebäude und trägt den Namen Energetikum. Hier verbaute die FH Burgenland alle neuen Technologien im Bereich der Gebäudetechnik. Seit 2015 wird dort geforscht, gelehrt, und es dient auch als Büro.

Das zweite Haus sieht ganz anders aus: gemauerte rosa Wände und vertikale Holzpaneele, an denen bald Pflanzen hochranken. Bei dem sogenannten Lowergetikum ging es den Erbauern um das Gegenteil: Dieses Gebäude sollte mit so wenig Technologie wie möglich ausgestattet werden. An diesem Haus testen die Forschenden seit der Eröffnung 2022 alle möglichen nachhaltigen Gebäudetechniken.

Beides sind Living Labs – also Reallabore. Das bedeutet, dass sowohl bei der Erbauung als auch nach Fertigstellung an den verbauten Techniken selbst geforscht und deren reale Nutzbarkeit getestet wird. "Es war gar nicht so einfach, Firmen zu finden, die einerseits ganz spezifisches Know-how haben und sich andererseits auch auf solch große Experimente einlassen. Denn wir haben viele der Technologien auch zum ersten Mal real in einem Gebäude verbaut", erzählt Marcus Keding, Wissenschafter mit Schwerpunkt Energie- und Wasserstoffspeichersysteme an der FH Burgenland. "Auch gerade die Inbetriebnahme wird häufig unterschätzt", sagt Keding.

Welche Technologien werden dort nun genau untersucht und ausprobiert? Beim Lowergetikum werden beispielsweise speichermassenbasierte Wärmeaustauschkonzepte getestet. Das Interessante daran ist, dass auch versucht wird, die einzelnen Technologien miteinander zu verschränken. Je nach Jahreszeit kommen so unterschiedliche Systeme zum Tragen. Eine weitere aktuelle Forschung an diesem Haus ist, wie sich Fassadenbegrünung auch auf die Temperatur, die Feuchtigkeit, das Licht und vieles mehr auswirkt.

Auch im Energetikum wurden regenerative Energiesysteme eingebaut. Zudem dient es als Labor für Gebäudeklimatisierungssysteme und als Testumgebung für Brennstoffzellen. Mithilfe eines darauf aufbauenden EU-Projekts werden nun in diesem Gebäude hunderte Sensoren eingebaut, um Daten zu sammeln. Mit deren Hilfe soll das Gebäude einen digitalen Zwilling erhalten, mit dem dann weitergeforscht wird. (Natascha Ickert, 30.5.2024)