Das Wiener Label Margaret and Hermione setzt auf Bademode, die miteinander kombinierbar ist.
Yasmina Haddad/ Margaret and Hermione

Als Designerin Barbara Gölles 2015 das Wiener Label Margaret and Hermione mit ihrer damaligen Geschäftspartnerin gründete, war die Auswahl an lokalen Bademodelabels überschaubar. Das Geschäft wurde beherrscht von den Push-ups, Pads und Bügel-BHs großer Marken wie bei Massenware der Retailer. Fast zehn Jahre später ist das Angebot vielfältiger. Wir haben mit der Designerin über die Bademode von heute, Body Issues und Umkleidekabinen gesprochen.

STANDARD: Was macht einen guten Badeanzug oder Bikini aus?

Gölles: Entscheidend ist, dass die Bademode gut sitzt, dass man sich in ihr wohlfühlt, sie gerne anzieht. Sehr viele Menschen haben zu Hause Unmengen an Kleidungsstücken herumliegen, die nicht getragen werden. Meist hat das damit zu tun, dass etwas nicht passt oder man sich nicht wohl fühlt. Mein Anspruch an Bademode ist, dass man sie gerne trägt, im besten Fall nicht nur im Wasser – ein Badeanzug kann auch zum Body werden.

STANDARD: Wann passt ein Badeanzug definitiv nicht?

Gölles: Wenn der Busen an der Seite hervorquillt. Oder das Bikinioberteil sich nach oben zieht, dann sind nämlich die Träger zu kurz. Modelle, in denen man sich nicht einmal auf die andere Seite drehen kann, ohne alles zu verlieren, nenne ich gerne Liegebikinis. Einen passenden Badeanzug zu finden ist noch heikler. Da müssen Brustumfang, Länge und der Po sitzen, oft rutschen auch die Träger nach unten. Wenn eine Frau unten schmal ist und oben herum mehr ist, kann man mit Bikinis besser mit den Proportionen spielen. Bademode zu finden ist sehr komplex, weil jeder Körper anders ist. Deshalb bediene ich Kundinnen gern persönlich, frage auch bei Online-Bestellungen oft nochmals nach. Fast alle haben Body-Issues, man sollte sich gut verpackt fühlen.

STANDARD: Ist es wichtig, beim Kauf die eigenen Körpermaße zu kennen?

Gölles: In einem Retailer mögen die Maße ein Anhaltspunkt sein, weil man sonst keine Hilfe hat. Ansonsten sind die Maße wurscht. Es gibt zwar Körbchen- und Konfektionsgrößen, aber letztlich sagt eine Größe nichts aus. Ein französisches Label schneidert anders als ein skandinavisches oder eine US-Marke. Ich rate dazu auszuprobieren. Der Kauf von Bademode ist für viele ein einziger Albtraum – wie jener von Jeans. Magazine wie Bravo oder Mädchen und Social Media haben uns auf Optimierung und Perfektion getrimmt. Dabei verändern sich Körper im Lauf des Lebens. Wir dürfen uns nicht von diesem Größenwahn verrückt machen lassen. Mir ist es deshalb wichtig, die Kundinnen an die Hand zu nehmen. 80 Prozent gehen bei mir mit einem ganz anderen Stück raus, als sie eigentlich im Kopf hatten.

STANDARD: Muss ein guter Badeanzug den Sprung vom Dreimeterbrett überleben?

Gölles: Unbedingt – den Köpfler und den Bauchfleck natürlich auch. Sonst sind wir wieder bei den Liegebikinis, die man nicht anzieht.

STANDARD: Was sind konstruktionstechnisch die "Problemzonen" bei Bademode?

Gölles: Weil jeder Körper anders ist, ist das Design tatsächlich eine Herausforderung. Zudem gehen viele Hersteller noch immer von der "Idealgröße 36" aus, obwohl die weibliche Durchschnittsgröße heute eine 40 ist. Die größeren Größen werden dann einfach proportional vergrößert. Das ist natürlich Quatsch, weil eine Größe 48 etwas ganz anderes braucht als eine Größe 36.

STANDARD: Woran erkenne ich in Sachen Bademode ein Qualitätsprodukt?

Gölles: Wenn das Material sich wie ein Kaugummimaterial anfühlt, das sich in alle Himmelsrichtungen zieht, kann es nicht halten. Ich setze auf doppelte Verarbeitung, sodass von außen keine Nähte sichtbar sind. Diese Sollbruchstellen schneiden nämlich in die Haut ein und verursachen Druckstellen. Ich persönlich mag auch keine harten Kanten – insbesondere im Bikinibereich. Wenn ein Kleidungsstück gut verarbeitet ist, braucht es selbst bei einem großen Busen keine Stäbchen und Bügel.

STANDARD: Sie führen viele Gespräche mit Ihren Kundinnen: In welchen Schnitten fühlen sich besonders viele Frauen wohl?

Gölles: Diese Frage lässt sich schwer pauschal beantworten. Das ist eine individuelle Angelegenheit. Für Frauen sind nach einer Schwangerschaft hoch geschnittene Höschen sicher gut geeignet. Es gibt Oberteile für kleine Brüste mit einer Naht bis zur Brustspitze, die einen Push-up überflüssig machen.

STANDARD: Seit einiger Zeit erinnern die Bademodenschnitte an jene aus Baywatch. Teilen Sie diese Beobachtung?

Gölles: Richtig, die Tendenz zu hohen Beinausschnitten gibt es. Allerdings sind diese Trends oft wenig massenkompatibel. Man kann mit dieser Ästhetik spielen, das Styling macht so viel aus, das zeige ich meinen Kundinnen auch gern. Beim Onlineshopping geht das weniger.

STANDARD: Für viele sind Onlineshops gerade in Sachen Bademode sicher auch eine Erleichterung.

Gölles: Stimmt, im Sinne eines Safe Space. Man kann die Stücke in Ruhe zu Hause anprobieren und muss sich nicht dem Neonlicht oder verzerrten Spiegeln in irgendwelchen Umkleidekabinen aussetzen. Viele sehen dort vor allem die vermeintlichen Problemzonen.

STANDARD: In den vergangenen Jahren war viel die Rede von Body-Positivity und Body-Neutrality. Sie werben schon lange mit diversen Körpern – hat das alles Auswirkungen?

Gölles: Die Frage stelle ich mir oft. Die Antwort lautet: ja und nein. Gut ist, dass es heute einen Diskurs gibt. Früher gab es nur die Idealgröße 36, die magischen Modelmaße 90-60-90 und null Kompromisse. Jetzt gibt es neue Bewegungen und Begriffe. Ich glaube, dass wir trotzdem noch weit weg von einem guten weiblichen Selbstbewusstsein sind. Selbst junge Menschen hadern trotz aller Aufgeklärtheit mit denselben Problemen wie die Älteren. Kein Wunder, wir leben nach wie vor nicht in einer gleichberechtigten Welt. Beim Verkauf von Bademode spielt der männliche, sexualisierte Blick eine bedeutende Rolle.

Designerin Barbara Gölles entwirft seit fast einem Jahrzehnt Bademode.
Margaret and Hermione

STANDARD: Allerdings gibt es heute viele von Frauen betriebene Bademodenlabels.

Gölles: Richtig, im Kleinen sind Veränderungsbewegungen zu beobachten. Aber da ginge noch mehr. Schließlich sind Botox, Filler, Hyaluron präsenter als je zuvor, der Optimierungsdruck ist enorm. Auch dank zahlreicher Filter auf Social Media. Und Bademode wird nach wie vor überwiegend mit jungen Models verkauft, dabei ist diese Altersgruppe meist gar nicht die Zielgruppe. Ältere Körper, Cellulite, Dehnungsstreifen, kaputte Bäuche werden noch immer verhüllt und versteckt.

STANDARD: Sie selbst bevorzugen Bikini oder Badeanzug?

Gölles: Im Meer bade ich am liebsten nackt. Ansonsten bin ich eine Badeanzugträgerin, im Einteiler fühle ich mich einfach am wohlsten. (Anne Feldkamp, 15.5.2024)