In seinem 1560 veröffentlichten Reisebericht aus dem Osmanische Reich beschreibt der französische Diplomat Guillaume Postel (1510–1581) eine recht merkwürdige Form der Eheschließung. Postel berichtet von einer zeitlich befristeten Ehe – genannt "kebin" –, die vor allem bei den ausländischen Christen im Osmanischen Reich beliebt war und folgendermaßen aussah: "Eine Person, gewöhnlich ein Ausländer, der sich, solange es ihm beliebt, in einem fremden Land aufhält, trifft mit einer Frau ... die Vereinbarung, dass er ihr, wenn er sie verlassen will, so und so viel geben wird. [...] Wenn es Kinder gibt, unterstützt er sie [...] Alle unmoralischen Ausländer verlegen sich auf diese Art der Heirat und bedienen sich im Gespräch mit den Türken der Sophisterei, denn die Richter (kadis) und Beamten (subașis) sind befugt, den besagten kebin unter Christen zu genehmigen, und zwar sowohl der Form nach als auch mit dem Eid des Ehesakraments." (Postel, De la République des Turcs, 8–9)

Guillame Postel, De la République des Turcs, Poitiers 1560 (Orléans, Bibliothèque municipale Orléans, Rés. E2530_3)
Guillame Postel, De la République des Turcs, Poitiers 1560 (Orléans, Bibliothèque municipale Orléans, Rés. E2530_3)
Foto: http://www.bvh.univ-tours.fr/Consult/index.asp?numfiche=1148

Viele Zeitgenossen waren fasziniert und zugleich verwirrt von diesen Arrangements, die Historiker bis heute ein Rätsel aufgeben. Kebin-Ehen wurden im osmanischen Raum der Frühen Neuzeit sowohl zwischen zwei Christen als auch zwischen einem muslimischen Mann und einer nicht-muslimischen Frau geschlossen, doch interessanterweise ist diese ursprünglich islamische Institution besonders in den südosteuropäischen Provinzen und besonders unter Christen belegt. Auf welcher Rechtsgrundlage fußte diese zeitlich befristete Vereinbarung? Wie sprachen die Zeitgenossen über sie? Und was trägt das Phänomen zu unserem Verständnis der Bedeutung der Ehe in der Vormoderne bei?

Der rechtliche Rahmen

Christliche Quellen wie Reiseberichte, katholische Missionsberichte und orthodoxe kirchliche Dokumente aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert verweisen häufig unter dem Begriff "kebin" (in verschiedenen Varianten wie "kiambin", "chiebin" oder "kepinion“) auf das Phänomen der temporären Eheschließung im osmanischen Südosteuropa. Ausgehend von den Wortursprüngen (von Persisch "kâbîn" für die Mitgift des Bräutigams) setzten Historiker den Begriff mit dem islamischen Begriff der "mut'a" (wörtlich Vergnügen, das heißt Genussehe) in Verbindung, der im islamischen Recht im Sinne einer zeitlich begrenzten Ehe verwendet wurde. Diese Praxis wurde zur Zeit des Propheten Mohammed ausgeübt, der es den Soldaten erlaubte, Mut'a-Ehen zu schließen, solange sie sich auf langen Feldzügen befanden. Diese Praxis soll später vom Kalifen 'Umar (634–644) gegen Ende seines Kalifats verboten worden sein. In der Folge haben alle sunnitischen Rechtsschulen die mut'a untersagt, während sie heute nur noch von der Zwölfer-Schia offiziell anerkannt wird. Doch auch aus dem Alltag der sunnitischen Gemeinden sollte die Praxis nicht völlig verschwinden.

Obwohl osmanische Richter, die der hanafitischen Rechtsschule der Sunna angehörten, theoretisch keine Mut'a-Ehen hätten anerkennen dürfen, wurden den erhaltenen christlichen Quellen zufolge an islamischen Gerichten dennoch zeitlich befristete Regelungen getroffen. Formal musste in diesen Eheverträgen nicht nur die Höhe der Mitgift festgelegt werden, die der Mann der Frau zu zahlen hatte, sondern auch die Dauer der Ehe, die theoretisch von einigen Stunden bis zu mehreren Jahren dauern konnte.

Das Problem besteht darin, dass selbst wenn solche zeitlichen Vereinbarungen getroffen wurden, die konkrete Dauer der Ehe nicht in das offizielle Heiratsregister eingetragen, sondern privat und mündlich vereinbart wurde. Daher ist es praktisch unmöglich, auf der Grundlage der sehr formelhaften osmanischen Heiratsregister festzustellen, ob ein Ehevertrag eine zeitliche Befristung enthielt, und wenn ja, wie diese Befristung konkret aussah.

Katholische Beobachter

Verglichen mit dem Schweigen osmanischer Dokumente sind die katholischen Quellen aussagekräftiger. Katholische Beobachter, die den Begriff "kebin" verwenden, beziehen sich auf bestimmte zeitlich befristete Ehevereinbarungen, die vor einem islamischen Gericht zwischen einem katholischen Mann, in der Regel einem im Osmanischen Reich ansässigen ausländischen Katholiken, und einer einheimischen Christin geschlossen wurden. In seinem Bericht über das osmanische Buda aus dem Jahr 1599 äußerte sich der Kaplan Vincenzo di Augustino aus Ragusa (heute Dubrovnik) in ähnlicher Weise wie Guillaume Postel über die Eheschließungen katholischer Kaufleute im Osmanischen Reich. Um Sanktionen der osmanischen Behörden für das Zusammenleben mit unverheirateten Mägden (und den gemeinsamen Kindern) zu entgehen, zogen sie es vor, sich vom Kadi trauen zu lassen.

Der oberste Richter (kadıasker), dargestellt in einem„Türkisches Manierbuch“ um 1600
Der oberste Richter (kadıasker), dargestellt in einem "Türkischen Manierbuch" um 1600.
Foto: https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1315294353739/414/LOG_0202/

In seinem Visitationsbericht von 1623 bis 1624 berichtet der Missionsbischof Pietro Massarecchi über die Praxis der Kebin-Ehe in Sofia sowie davon, dass es katholische Männer (wahrscheinlich Kaufleute) gab, die christliche Sklavinnen zum Zweck der Prostitution freikauften, während andere mit Frauen Kebin-Ehe eingingen. Die Männer wandten diese Praxis an, um nicht von den osmanischen Behörden bestraft zu werden. Wurden diese Männer in "verdächtigen Häusern" und mit "schlechten Frauen" angetroffen, hatten sie harte Strafen zu befürchten. War die betreffende Frau zudem Muslimin, drohte dem Mann die Todesstrafe oder er musste seinem christlichen Glauben abschwören und zum Islam konvertieren. Um solchen Konsequenzen zu entgehen, wanden sich diese Männer an das islamische Gericht, um eine Kebin-Ehe zu schließen.

Diese Quellen zeigen, dass für die osmanischen Behörden die Zulassung einer Art von befristeter oder konditionierter Ehe nicht nur ein Mittel zur Legitimierung von Ehen zwischen Christen war, sondern, wichtiger noch, leicht zu einem Weg der Legitimierung von Prostitution werden konnte, die ihrerseits eine umstrittene rechtliche Kategorie im islamischen Recht war.

Orthodoxe Perspektiven

Wendet man sich schließlich dem orthodoxen Umfeld zu, so ergibt sich ein anderes Bild der Kebin-Ehe. In den griechisch-orthodoxen Quellen wird der Begriff kebin ziemlich einheitlich verwendet, um Ehen schlechthin zu bezeichnen, die zwischen zwei orthodoxen Christen oder zwischen orthodoxen christlichen Frauen und muslimischen Männern vor einem osmanischen Gericht geschlossen wurden, ohne ausdrückliche Erwähnung des befristeten Charakters. Die orthodoxe Kirche versuchte, diese Praxis einzudämmen, und betrachtete diejenigen, die eine solche Verbindung eingingen und ihre Ehe vor dem osmanischen Gericht eintragen ließen, als Ehebrecher. Eine solche Ehe wurde nicht als gültig anerkannt und die daraus hervorgegangenen Kinder galten in den Augen der orthodoxen Kirche als unehelich.

Obwohl einiges darauf hindeutet, dass allein schon die Tatsache, zum Zweck der Eheschließung ein osmanisches Gericht aufgesucht zu haben, regelmäßig dazu führte, diese Ehen als kebin zu verurteilen, gab es darunter auch Fälle, die aller Wahrscheinlichkeit befristeter Natur waren. So etwa, wenn sich die Vorwürfe der orthodoxen Kirche gegen Eheschließungen muslimischer Kaufleute in der Schwarzmeerregion oder aber von Garnisonssoldaten mit orthodoxen Frauen richteten. In anderen Fällen wurden orthodoxe Männer beschuldigt, gleichzeitig mehrere Ehefrauen an verschiedenen Orten zu haben.

Was macht eine Kebin-Ehe aus?

Allem Anschein war die Kebin-Ehe eine fließende und flexible rechtliche sowie soziale Kategorie, die eine ganze Reihe von Heiratspraktiken umfassen konnte. Der Begriff konnte die Ehe eines katholischen oder muslimischen Kaufmanns oder Soldaten mit einer christlichen Frau für einen bestimmten Zeitraum beschreiben; er konnte sich auf die Ehe zweier orthodoxer Christen beziehen, die vor einem islamischen Gericht geschlossen wurde (ohne ausdrückliche zeitliche Vereinbarung); und er konnte die gleichzeitige Heirat orthodoxer Männer mit orthodoxen Frauen an verschiedenen Orten bezeichnen. Es ist daher nur schwer einzuschätzen, ob alle Personen, die den Begriff "kebin" (oder eine seiner Varianten) verwendeten, seine rechtliche Grundlage verstanden oder ihn nicht doch eher als Synonym für eine verbotene Verbindung oder eine Form der Prostitution verwendeten. Wie stark auch immer das Verständnis variiert haben mag, allein schon die Existenz von Kebin-Ehen im osmanischen Südosteuropa zeigt, auf welch vielfältige Weise Normen und Regeln der Ehe in der gelebten Erfahrung immer wieder eingebunden, herausgefordert und verhandelt wurden. (Emese Muntán, 14.5.2024)