Erkennt in seinem Umfeld weiterhin keine schiefe Optik: Nicolas Stockhammer.
Collage: derStandard/Friesenbichler Fotos: Martina Berger, AdobeStock, Imago

Nicolas Stockhammer hat noch eine Chance – und er ist gerade dabei, sie zu verspielen. Stockhammer, der in Boulevardmedien als Terrorexperte hofiert wird; der wohl beste Kontakte ins türkise Innenministerium pflegt und dessen Anti-Terror-Lehrgang an der Universität Krems von dort aus mit fast 900.000 Euro unterstützt wird. Aber eben auch jener Stockhammer, der dem sanktionierten Propagandasender des Kreml, RT Deutsch, Ende 2023 ein Interview gab. Da tobte der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine seit mehr als eineinhalb Jahren.

"Ein solches Verbot war mir nicht bewusst", gab sich Stockhammer damals im Profil unwissend. Dass man einen Terrorexperten überhaupt darüber aufklären musste, wirkte für Beobachter damals eigenartig.

So dachte man auch im österreichischen Sicherheitsapparat, mit dem Stockhammer wegen seines Lehrgangs zusammenarbeitet. Dort hinterließ der Auftritt bei RT Deutsch Ärger. Jegliche Kooperation mit Stockhammer soll auf der Kippe gestanden sein, ist zu hören. Aber er bekam noch eine Chance. "Hierfür gab es viel berechtigte Kritik von diversen Seiten", sagt Stockhammer dem STANDARD.

Zuvor sei er hochrangigen Sicherheitsbeamten aber schon aufgefallen, weil er für sie in seinen Interviews ab und zu den Eindruck hinterließ, als spreche er als Beamter der Exekutive. Etwa wenn Stockhammer in der Krone über den Zustand des Staatsschutzes befand, dass "wir" in der Terrorabwehr besser geworden seien. Stockhammer verwahrt sich gegen "solche Unterstellungen", betont er.

Eine Frage blieb aber unbeantwortet: War Stockhammers Auftritt beim Propagandasender des Kreml nur ein naiver Fehler? In Sicherheitskreisen wird das stark bezweifelt.

Eine gut gefüllte Vita

Stockhammer (49) hat eine gut gefüllte Vita. Er ist Politikwissenschafter, schrieb seine Dissertation über die Rationalität politischer Macht. Er absolvierte Forschungsaufenthalte in den USA, in Tel Aviv und Berlin. In der deutschen Hauptstadt war er für zwei Jahre u. a. wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität.

Doch dann gibt es diesen einen Job, der so gar nicht zu einem Terrorismusforscher passt: Nach seinem Abschluss im Jahr 2006 begann Stockhammer bei Centrex in Wien zu arbeiten, als Assistent des Generaldirektors, später in der Personalabteilung. Centrex ist damals wie heute nahtlos mit dem russischen Gaszulieferer Gazprom verbunden und mittlerweile sanktioniert. Er habe sich auf eine Stellenausschreibung beworben, sagt Stockhammer.

Bei Centrex traf Stockhammer auf Sergej Shumilin. Der Russe war im Management tätig. Nachdem Stockhammer 2011 die Firma verlassen hatte, um als Berater zu arbeiten, blieb er dem heute 79-jährigen Shumilin verbunden: als Vorstandsmitglied der Wiener Slavpot-Privatstiftung. In der Urkunde von 2004 ist ein Vermögen von 400.000 Euro eingetragen. Das meiste Geld kommt von einer Firma auf der Kanalinsel Jersey.

Der mächtige Herr Shumilin

In der Stiftung ist aber noch ein einflussreiches Mitglied der Familie Shumilin vermerkt: Wladimir Shumilin. Über das Leben des 50-Jährigen ist kaum etwas publik. Nur so viel: Wladimir Shumilin spielt Schach – und er galt bis Ende 2016 als der bestverdienende Beamte im russischen Verteidigungsministerium. Shumilin war Chef der Rosvoenipoteka, einer Art Sparkasse für Militärangehörige.

Laut gut informierten Sicherheitskreisen soll es Anzeichen dafür geben, dass Wladimir Shumilin möglicherweise über Kontakte zum russischen Militärgeheimdienst GRU verfügt. Restlos aufklären lässt sich das aber nicht.

Mittlerweile hält Shumilin Anteile an einer Moskauer Gastrofirma namens Monster Club. Schreibt man die E-Mail-Adresse an, kommt eine Fehlermeldung retour.

Erst 2022 als Vorstand wiedergewählt

Fakt ist: Stockhammer ließ sich erst am 30. Mai 2022 als Mitglied der Stiftung wiederwählen. Zwei Monate zuvor begann Russlands Überfall auf die Ukraine. Selbst wenn die in Moskau lebenden Shumilins nicht mit Sanktionen belegt sind, wirkt die Optik schief.

Stockhammer sagt, er sei wegen der guten Beziehung zu Sergej Shumilin Vorstand geworden. Dessen Sohn Wladimir sei er nie begegnet. Über mögliche GRU-Kontakte wisse er nichts: "Hätte ich so einen Verdacht gehabt, hätte ich Konsequenzen gezogen." Seit mehr als 14 Jahren sei er auch nicht mehr in Russland gewesen. Was den Zweck der Stiftung abseits der Vermögensverwaltung anlange, müsse Stockhammer rechtlich schweigen. Er betont aber, als Teilnehmer an einem Nato-Projekt streng sicherheitsüberprüft zu sein. "Mein Mandat ist übrigens aufgrund meines Begehrens zwischenzeitlich beendet", sagt Stockhammer schließlich über seinen ehrenamtlichen Vorstandsposten – nach der Konfrontation des STANDARD.

An der Adresse der Slavpot-Privatstiftung verbirgt sich aber noch mehr. Nur eine Tür neben der Stiftung liegt das Europäische Institut für Terrorismusbekämpfung und Konfliktprävention (EICTP). Geleitet wird es von Herbert Scheibner und Gustav Gustenau. Scheibner war FPÖ-Verteidigungsminister der ersten schwarz-blauen Bundesregierung Anfang der 2000er-Jahre. Gustenau ist ein Ex-Spitzenbeamter des Verteidigungsressorts. Stockhammer wird vom Institut als "Senior Researcher" angeführt.

Gustenau war nicht nur in der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft vertreten, er hatte auch Kontakt zu Jan Marsalek, der seit Jahren mit russischen Geheimdiensten kooperieren soll. Ab 2017 hatte Marsalek das Ansinnen, die Migration von Libyen aus zu begrenzen. Dahingehend sei er entgegen anderslautenden Berichten nur bei der Präsentation einer Studie dabei gewesen, sagt Gustenau dem STANDARD. Mehr nicht.

Genau jenen Gustenau soll Stockhammer vor ein einigen Monaten aber zu einer Diskussionsveranstaltung geladen haben – was auf Unverständnis im Sicherheitsbetrieb stieß. Die beiden kennen einander aus der gemeinsamen Zeit im Verteidigungsressort, beide bestreiten die Einladung.

Rechter Blogger im Uni-Kurs

Es gibt aber noch eine Person in Stockhammers Nähe, die Österreichs Behörden beschäftigt: Alexander Surowiec. Der selbsternannte "Investigativjournalist" arbeitete eine Zeitlang im FPÖ-Generalsekretariat. Surowiec pflegte aber offenbar auch Kontakt zu Ex-Staatsschützer Egisto Ott. Ott sitzt aktuell wegen mutmaßlicher Russland-Spionage in U-Haft. Und ausgerechnet Surowiec soll Ott drei speziell verschlüsselte Laptops besorgt haben. Von den Geräten soll einer über einen Spionagering Marsaleks den Weg nach Moskau gefunden haben – wie auch die Handys dreier österreichischer Spitzenbeamter. Was sich auf dem Laptop befand, ist unklar.

Aber was hat das mit Stockhammer zu tun? Surowiec nimmt an dem von Stockhammer gegründeten Masterlehrgang "Counter Extremism and Intelligence" an der Donau-Uni Krems teil – gemeinsam mit Verfassungsschützern. Surowiec’ Teilnahme schmeckte den Sicherheitsbehörden nicht. Der Blogger twitterte selbst von einer angeblichen "Intervention" gegen ihn. Stockhammer wird in Sicherheitskreisen nachgesagt, Surowiec freundschaftlich verbunden zu sein und deshalb nichts gegen dessen Präsenz im Lehrgang zu haben. Das verneint Stockhammer vehement. Was es mit der "Intervention" auf sich hat, darüber könne er aus Datenschutzgründen nicht sprechen. Surowiec reagierte auf eine Anfrage des STANDARD nicht.

Krisper: "Wir erwarten uns rasche Aufklärung"

"Die Fälle zeigen einmal mehr: Dieser ÖVP darf man die Sicherheit Österreichs nicht länger anvertrauen", entgegnet Neos-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper auf die Recherchen. "Wie konnte jemand, der Pressesprecher bei der FPÖ war, 2023 einen Lehrgang der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst besuchen? Wer aus dem Innenministerium hat das genehmigt und wer trägt die Verantwortung? Und wie konnte jemand wie Stockhammer von den ÖVP-Innenministern hofiert und mit einem Lehrgang für unseren Verfassungsschutz betraut werden?"

Wenn die Volkspartei sehenden Auges zulasse, dass der Verfassungsschutz von Menschen infiltriert werde, die nicht für die Sicherheit Österreichs arbeiten würden, sondern für ihre eigenen, in diesem Fall durch Russland korrumpierte Interessen, sagt Krisper, dann sei Feuer am Dach: "Wir erwarten uns rasche Aufklärung und Konsequenzen.“ (Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, 11.5.2024)