Jürgen Mossack, dunkler Anzug, rotes Hemd, aufgedunsenes Gesicht, erhebt sich langsam von seinem Klappstuhl. "El Alemán" ist sichtlich genervt von der Aufmerksamkeit. Und er ist sichtbar gealtert seit April 2016, als der heute 76-Jährige zuletzt im Fokus der Weltöffentlichkeit stand.

Jürgen Mossack vor der Gerichtsverhandlung.
AP/Agustin Herrera

Damals waren gerade die Panama-Papers-Recherchen veröffentlicht worden. Die Enthüllungen basierten auf einem Datensatz, den ein Whistleblower 2015 der Süddeutschen Zeitung übergeben hatte – im Grunde der digitale Aktenschrank der Kanzlei Mossack Fonseca. In der Folge mussten Regierungschefs zurücktreten, Prominente sich erklären, Kriminelle Ermittlungen fürchten. Immer mit im Mittelpunkt: Jürgen Mossacks Kanzlei. Sein Geschäft: Er verkaufte weltweit Briefkastenfirmen für alle, die ihre Geschäfte lieber im Dunkeln machen wollten.

Kanzleigründer hofft auf Freispruch

Dafür muss sich Mossack nun vor Gericht verantworten – nachdem es acht Jahre lang so ausgesehen hatte, als würde die Justiz in Panama ihn und seine mutmaßlichen Komplizen nicht belangen. Seit einigen Wochen läuft das öffentliche Verfahren gegen 29 Angeklagte. Jürgen Mossack drohen wegen Geldwäsche zwölf Jahre Haft. Er hofft auf Freisprüche: "Wenn es wahre Gerechtigkeit gibt, werden wir aus der Sache herauskommen." Der Co-Gründer der Kanzlei, Ramón Fonseca Mora, wird den Ausgang des Prozesses nicht mehr erleben. Er ist am Mittwoch verstorben.

Der Zeitpunkt der Verhandlung, die auf Youtube nachzusehen ist, mutet beinahe absurd an. Mossack Fonseca ist längst aufgelöst, die einstigen Kunden der Kanzlei sind längst weitergezogen. Über die Panama Papers wurden Bücher und Lieder geschrieben, es gibt Dokumentationen, Podcasts und sogar einen Hollywood-Film mit Meryl Streep in der Hauptrolle. In etlichen Ländern wurden Gesetze verschärft, weltweit Vermögen von schätzungsweise rund zwei Milliarden Euro eingetrieben. Was jetzt noch fehlt, vor allem Panama selbst, ist ein Schlussstrich. Den könnte nun der Prozess bringen.

Internationale Haftbefehle

Deutschland spielt in der Affäre von Anfang an eine besondere Rolle. Deutsche Journalisten bekamen die Daten zugespielt, eine deutsche Zeitung koordinierte die Enthüllungen mit, und seit Sommer 2017 ist auch das Bundeskriminalamt im Besitz eines Datensatzes, angekauft von dem bis heute anonymen Whistleblower der Panama Papers, der sich "John Doe" nannte. Seither teilen die deutschen Ermittler die Offshore-Daten mit Behörden in aller Welt – auch in Österreich.

Ramón Fonseca ist am Mittwoch verstorben.
AP/Arnulfo Franco

Auf Druck der Deutschen wurden 2020 internationale Haftbefehle gegen Jürgen Mossack, Ramón Fonseca sowie den Schweizer Christoph Zollinger erlassen. Zollinger war lange neben Mossack und Fonseca dritter Partner der Kanzlei. Im Juni 2023 wurde Zollinger in Köln angeklagt, das Hauptverfahren ist bislang nicht eröffnet worden. Zollinger lässt die Vorwürfe über seinen Anwalt zurückweisen.

In Panama gab man sich anfangs wild entschlossen: Die Kanzlei Mossack Fonseca wurde durchsucht, Mossack und Fonseca wurden für einige Wochen sogar inhaftiert. Doch mit der internationalen Aufmerksamkeit erlahmte auch der Aufklärungswille in Panama.

Korruptionsaffäre bei Siemens

Wer sich die mehr als 600 Seiten umfassende Anklage der dortigen Behörden genauer ansieht, stößt auch auf die Korruptionsaffäre bei Siemens, die 2006 aufgedeckt wurde. Der deutsche Weltkonzern hatte jahrelang über schwarze Kassen in zahlreichen Ländern Entscheidungsträger bestochen, um an Aufträge zu gelangen.

Eine dieser schwarzen Kassen lag in einer Mossack-Fonseca-Briefkastenfirma. Die panamaischen Staatsanwälte sehen es zudem als erwiesen an, dass 32 Millionen US-Dollar mit Hilfe von Mossack Fonseca gewaschen wurden. Die Kanzlei habe die dafür nötigen Briefkastenfirmen unterhalten, Schein-Direktoren gestellt und insgesamt ermöglicht, dass Siemens-Gelder in einem komplizierten Geflecht aus Firmen und Konten versteckt werden konnten.

Jürgen Mossack sieht das allerdings alles ganz anders. "Der Deutsche" erhebt sich am ersten Prozesstag von seinem der Stuhl und spricht in das Mikrofon, das er mit leicht zittrigen Händen hält: "Ich bin nicht verantwortlich für diese Taten."

Dabei deutet viel darauf hin, dass Mossack für noch viel mehr Unrecht verantwortlich ist als nur das, wofür er angeklagt wurde. Laut der geleakten Daten half Mossack Fonseca Kunden, Geld in mehr als 200 Ländern zu verstecken und zu vertuschen. Man findet unter den Nutzern der mehr als 200.000 Offshore-Firmen, die Mossack Fonseca im Lauf der Jahre verkauft hat, haufenweise russische Oligarchen, chinesische Kader, venezolanische Funktionäre, Politiker und dubiose Geschäftsleute aus aller Welt – und natürlich unzählbar viele Steuerbetrüger. Korrupte Fifa-Offizielle nutzten die anonymen Vehikel genauso wie Sergei Roldugin, einer der besten Freunde von Wladimir Putin und erfolgreicher Cellist. Ihm gehörten laut Unterschrift Briefkastenfirmen, durch die aberwitzige Summen flossen, insgesamt mehr als zwei Milliarden US-Dollar.

Kanzleigründer wollen nichts gewusst haben

Die Verteidigung Mossack Fonsecas lautet seit fast acht Jahren: Sie hätten nichts von den Taten ihrer Kunden gewusst. In den geleakten Panama-Papers-Daten, auf die mittlerweile auch DER STANDARD Zugriff hat, tauchen allerdings immer wieder E-Mails auf, die das Gegenteil nahelegen. Etwa versuchte man, heikle Klienten – deren Identitäten der Kanzlei bekannt waren – mit Tarnnamen zu schützen. "Sehr geehrter Herr, wir beziehen uns auf unser Meeting mit Harry Potter", schrieb ein Mossack-Fonseca-Mitarbeiter etwa einem Kunden, der wiederum unter dem Decknamen "Winnie Pooh" firmierte.

Die panamaischen Staatsanwälte stehen jetzt vor dem Problem, dass Mossack Fonseca zwar weltweit in Straftaten involviert war, die Staatsanwaltschaft nun aber eben Fälle belegen muss, die auch in Panama strafbar sind – und Steuerbetrug in Deutschland ist das ebenso wenig wie das Plündern von Staatskassen durch die Familien korrupter Diktatoren. Mittlerweile hat Panama immerhin ein neues Anti-Geldwäsche-Gesetz erlassen – das Land steht allerdings noch immer auf der schwarzen Steueroasen-Liste der EU.

In Panama-Stadt schloss Richterin Baloisa Marquínez am 19. April schon nach zehn Prozesstagen die Beweisaufnahme. Sie will nun innerhalb weniger Wochen urteilen.

Ob die Gründer der Skandalkanzlei verurteilt werden, spielt für den Panama-Papers-Whistleblower "John Doe" keine große Rolle. "Jürgen Mossack und Ramón Fonseca sind Kriminelle und werden als Kriminelle in Erinnerung bleiben. Das Leak war die Gerechtigkeit, die ihnen widerfahren ist", sagt er dem STANDARD. (Frederik Obermaier, Bastian Obermayr, 10.5.2024)