Es sind die Geschichten hinter den Bildern, die die Besucher der Ausstellung In Between States in der Bäckerei Kulturbackstube in Innsbruck berührt haben. Geschichten von Flüchtenden, die spurlos verschwunden sind, von Familien vor ihren zerstörten Häusern, aber auch von der Mitverantwortung, die wir alle in uns tragen. In mühevoller Recherchearbeit hat sich Helena Lea Manhartsberger, zeitweise in Begleitung von Taz-Redakteurin Nora Belghaus, den Menschen gewidmet, die ihre ganze Hoffnung in eine bessere Zukunft legen und dennoch stets von der Angst gezeichnet sind: den Menschen in einer Zwischenwelt.

Dabei stehen nicht die klassischen Heldengeschichten oder ein schwarz-weißes Denken im Fokus, sondern vielmehr die Parallelwelten zwischen den Soldaten und Zivilpersonen, zwischen der Regierung und der Bevölkerung oder auch zwischen dem Tourismus und den Fluchtbewegungen. So wird die tatsächliche Nähe dieser Problematiken für jeden spür- und erlebbar und zeigt auf, dass jeder von uns zu den strukturellen Bedingungen, die zu den waghalsigen Überlebenswegen Flüchtender führen, beitragen.

"In Between States": Ausstellung der Fotografin und Journalistin Helena Lea Manhartsberger.
Foto: (Alicia Martin Gomez, Journalismusfest Innsbruck

Eine Recherche, die die Augen öffnet

Durch ihre Reisen in Grenzregionen und deren Dokumentation wurden der Innsbrucker Fotografin mit Lebensmittelpunkt in Wien die Ungleichheiten, die es vor Ort, aber auch auf einer strukturellen Ebene gibt, immer bewusster. "Wenn wir das Beispiel Mexiko betrachten, mit dem Blick darauf, dass wir als Reporterinnen dort unterwegs waren, um zu auf der Flucht verschwundenen Menschen zu recherchieren, wird die Ungleichheit immens sichtbar. Die flüchtenden Menschen wissen nicht, ob sie es über die Grenze schaffen und überleben, und sind dabei tausende Kilometer zu Fuß unterwegs. Wir hingegen steigen in ein Flugzeug und überqueren die Grenze problemlos", erläuterte Manhartsberger in einem Interview.

Auch die Beobachtung, dass viele der Grenzschützer an der US-amerikanischen Grenze selbst lateinamerikanische Migranten sind und quasi ihren eigenen Leuten einen Übergang erschweren, zeigt die Willkür und Unsicherheit einer Flucht deutlich. Strukturell fehlen außerdem die finanziellen und personellen Mittel sowie die nötige Sicherheit für einen legalen Grenzübergang und auch für die Suche von vermissten Personen. Identifizierungen von gefundenen Knochen sind beispielsweise nur durch die aktive Suche der Überreste durch Angehörige, die engagierte Arbeit von Gerichtsmedizinern sowie durch Spenden von Unterstützenden möglich.

Es wird klar, dass nur durch Eigeninitiative oder große strukturelle Veränderungen eine Besserung für Menschen auf der Flucht ermöglicht werden kann. Dass dennoch die Kultur des Wegsehens verfolgt wird, ist in der europäischen Grenzregion sichtbar. "In Lampedusa sieht man die Ungleichheit ebenfalls extrem, da die Insel einerseits schon seit Jahrtausenden immer ein Migrations-Hotspot war und gleichzeitig aber auch ein beliebtes Urlaubsziel ist. Man versucht dort beispielsweise, die Migranten vor den Touristen unsichtbar zu machen, was auch, wenn man sich von all den Nachrichten dazu und dem Erstaufnahmelager fernhält, funktioniert. Das ist eine Perversion, die die Unterschiede plakativ aufzeigt", so die Innsbrucker Fotografin.

Helena Lea Manhartsberger Einzelschicksale von Flüchtlingen und Migranten vor.
Helena Lea Manhartsberger zeigt Einzelschicksale von Flüchtlingen und Migranten.
Foto: (Alicia Martin Gomez, Journalismusfest Innsbruck

Das Ziel ist, Geschichten sichtbar zu machen

Diesem Wegsehen zum Trotz bereitete Manhartsberger in der Ausstellung einzelne Geschichten aus Mexiko, Lampedusa und der Ukraine auf. "Es geht mir jetzt nicht darum, irgendwie das Brutalste, Spektakulärste und Wildeste zu zeigen, sondern eher um das Dazwischen und das Menschliche", kommentierte die Fotografin die Porträtaufnahmen der ausgewählten Personen. "Ich finde immer, dass es nahbarer ist, wenn dir eine Person von ihren Erfahrungen erzählt. Das kann dann stellvertretend für viele sein."

So kann man in der Ausstellung beispielsweise die Sorge einer Mutter, die nichts mehr von ihrem Sohn gehört hat, verfolgen oder auch einen Blick auf das Leben nach der Flucht von jungen Ukrainern werfen. Für den Kontrast stellt die Fotografin dem gezielt auch Geschichten von Soldaten, Ersthelfern und Politikern gegenüber. Auf die Frage, wie die Menschen in den Grenzregionen auf die Kamera reagiert haben, antwortet die Journalistin: "Für viele ist es natürlich eine Hoffnung. Viele wollen, dass das Schicksal, das Leid oder die Situation gezeigt wird, und haben die Hoffnung, dass sich dadurch vielleicht was verändern kann."

Journalismusfest 2024 - Helena Lea Manhartsberger: IN BETWEEN STATES
Journalismusfest Innsbruck

Die Ausstellung In Between States kann noch bis zum 24. Mai in der Bäckerei Kulturbackstube in Innsbruck kostenlos besucht werden. An die zukünftigen Besucher richtet Helena Lea Manhartsberger folgende Botschaft: "Ich freue mich über Besucher, und ich freue mich, wenn sich die Leute aufgrund der Bilder irgendwie Gedanken machen, sich weiter informieren und sich mit dem Thema auseinandersetzen. Wenn ich das bei zumindest einer Person geschafft habe, ist die Ausstellung perfekt." (Alicia Martin Gomez, 9.5.2024)