Blick auf Logo und Schriftzug einer Filiale der Drogeriekette Müller.
Drei Adoptivkinder des Drogerie-Unternehmers Erwin Müller fordern ihren Pflichtteil des Erbes und klagen deswegen vor dem Landgericht gegen den 91-Jährigen und seine Frau Anita.
APA/dpa/Lando Hass

Wien – Es ist ein höchst brisanter Streit, der in Deutschland vor Gericht liegt. Es geht um eine bekannte Familie, viel Geld und damit verbundene Erbansprüche. Konkret geht es um die Drogeriekette Müller. Deren Gründer Erwin Müller (91) befindet sich seit Wochenbeginn in einem öffentlichen Zivilstreit mit seinen drei erwachsenen Adoptivkindern. Sie haben im Rahmen der Adoption, bei der sie bereits erwachsen waren, einen Pflichtteilverzicht unterschrieben. Im Gegenzug sollen sie von Müller Versprechungen bekommen haben – etwa die Müller-Finca auf Mallorca und Bauprojekte. Die Verzichtserklärung wollen die Kinder nun aber anfechten. Entscheidet das Gericht für sie, haben sie Ansprüche auf einen Pflichtteil des nach Schätzungen hohen Millionenvermögens von Müller.

Diesem Streit vor Gericht geht auch ein innerfamiliärer voraus. Müller hat auch einen leiblichen Sohn, Reihnard (64), mit dem er 2015 gebrochen haben soll. Der Sohn soll einst unter seinem Vater im Unternehmen gearbeitet haben, berichtete der Spiegel. Doch die Zusammenarbeit soll nicht funktioniert haben, Müller senior werde nachgesagt, ein detailversessener Workaholic zu sein. Der Junior schied aus dem Unternehmen aus und soll vom Vater abgefunden worden sein – Berichten zufolge mit einem "mittleren dreistelligen Millionenbetrag". Auch er verzichtete in der Folge auf seinen Pflichtteil und soll Anteile am Familienunternehmen abgegeben haben.

Von Jagdfreunden zu Kindern

Bei den drei Adoptierten soll es sich um ein Ehepaar und den Bruder des Ehemanns handeln. Müller soll die drei auf der Jagd kennengelernt haben. Die Adoption soll nach dem Bruch mit dem leiblichen Sohn stattgefunden haben. Wie auch das leibliche Kind sollen die Adoptierten per Vertrag auf ihren Pflichtanteil verzichtet haben. Laut Bild-Zeitung wird der mögliche Pflichtanteil auf "etwa 500 Millionen Euro" geschätzt. Diese Verzichtserklärung wird nun vor Gericht angefochten.

Anita Müller, zweite Ehefrau des Firmengründers, die er 2006 heiratete, sagte der Bild-Zeitung im Vorjahr, dass die Drogeriekette "platt wäre und 40.000 Mitarbeiter arbeitslos", wenn die Klage durchgehen würde. Müller soll wegen des Undanks die Adoption sogar rückgängig machen wollen haben, doch das müsste von beiden Seiten beschlossen werden und sei von den Adoptierten abgelehnt worden. Die einstigen Jagdfreunde hätten über die Jahre hohe Geldsummen erhalten, heißt es vonseiten der Familie Müller. Laut Magazin Forbes soll Müller über ein Vermögen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro verfügen.

Bei einer Verhandlung am Montag war Müller selbst nicht anwesend, seine Frau und die Adoptierten schon. Der Anwalt der Adoptierten, Maximilian Ott, erklärte: "Wir greifen den Pflichtteilverzichtsvertrag an, weil wir ihn für sittenwidrig und formnichtig halten." Anton Steiner, Anwalt der Familie Müller, erklärte, dass laufende Verfahren grundsätzlich nicht kommentiert würden. Das öffentliche Interesse ist groß. Das Landgericht Ulm hat für den Zivilprozess mit dem Aktenzeichen 2 O 189/23 extra den größten Sitzungssaal reservieren lassen, eigentlich werden dort Strafverfahren abgehalten.

Versprechen gebrochen?

Doch warum eskaliert die Situation jetzt? Laut Bild soll es 2022 zum Zerwürfnis zwischen Müller und den Adoptivkindern gekommen sein. Beim 90. Geburtstag von Müller sollen die Adoptierten nicht am Ehrentisch platziert worden sein. "Meine Mandanten fühlten sich aus der Familie gedrängt", sagte Ott zur Bild-Zeitung. An diesem Tag sei ihnen klar geworden, dass sie ausgenutzt worden seien, um Druck auf den leiblichen Sohn auszuüben, der daraufhin mit einer geringeren Abfindung das Unternehmen verlassen habe. Die Versprechungen von der Finca und anderen Projekten sollen von Müller nicht eingehalten worden seien. Daher reichten die drei im Juni 2023 Klage beim Landesgericht Ulm ein. Die Versprechungen, die Müller den Adoptierten gegenüber machte, sollen schriftlich nicht dokumentiert worden sein. Anwalt Ott dazu via Bild: "Meine Mandanten gingen davon aus, dass sie einem ehrbaren Kaufmann und Familienvater wie Erwin Müller ohne Schriftstücke vertrauen können."

Müller, eigentlich gelernter Friseur, richtete laut Unternehmensangaben 1953 in der elterlichen Wohnung im bayerischen Unterfahlheim seinen ersten Salon ein, den er später nach Neu-Ulm verlegte. 1966 sei er auf die Idee gekommen, dort auch Kosmetik und Drogerieartikel anzubieten. Damit war das Grundkonzept für die Müller-Läden geboren. 1969 brachte Müller den Angaben zufolge von einer Rundreise durch die USA und Kanada die Idee der Drugstores mit und jene von großen Selbstbedienungshäusern. 1973 wurde in Ulm dann der erste reine Drogeriemarkt eröffnet. Heute beschäftigt die Müller-Kette rund 35.000 Mitarbeiter in rund 900 Filialen in Europa. Der Umsatz des Unternehmens wurde laut Spiegel mir rund fünf Milliarden Euro pro Jahr beziffert. (bpf, 8.5.2024)