Ganz schön dreckig: Laut dem deutschen Kraftfahrt-Bundesamt lag 2023 der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Verbrennern bei 115 Gramm pro Kilometer.
Michael Weber IMAGEPOWER

Eigentlich ist die Sache längst gegessen. Bereits im Frühjahr 2023 einigte sich die EU auf das Verbrenner-Aus. Damit sollen ab 2035 alle neuen Pkws und Kleinfahrzeuge in der EU emissionsfrei sein. Bestehende Verbrenner dürfen allerdings weiterhin auf Europas Straßen herumkurven. Es ist eine von vielen Maßnahmen des Green Deal, der Klimaneutralität in der EU bis 2050 anstrebt.

Trotz beschlossener Tatsachen kündigt die ÖVP in ihrem EU-Wahlprogramm an, das Verbrenner-Aus neu verhandeln zu wollen. Helfende Hände dafür findet sie bei der FPÖ. Haben Verbrenner wirklich noch eine Zukunft? Das sagen andere Parteien und Forschende über die Sinnhaftigkeit des Verbrenner-Aus.

Eingriff in die Wettbewerbsfähigkeit?

Das Zulassungsverbot greife wie auch das Lieferkettengesetz zu stark in die Wettbewerbsfähigkeit der EU ein. Damit begründet die ÖVP ihre Absicht, das Verbrenner-Aus kippen zu wollen. Außerdem solle "Europas Autoindustrie zum Weltmarktführer bei Verbrennungsmotoren" aufsteigen. Dabei setzt die Partei auf sogenannte grüne Verbrenner, Fahrzeuge, die mit E-Fuels oder Biokraftstoffen betankt werden.

"Europa zum Weltmarktführer bei Verbrennern zu machen ist, als würde man sagen: Wir werden Weltmarktführer bei Schreibmaschinen", sagt Anna Stürgkh über das ÖVP-Vorhaben. Sie kandidiert auf dem zweiten Listenplatz der Neos und hält das Auslaufen der veralteten Technik für dringend notwendig, um die Klimaziele zu erreichen.

Mit dem Verbrenner-Aus beabsichtigt die EU, Emissionen von neuen Pkws und Kleintransportern bis 2030 um rund die Hälfte zu senken – verglichen mit 2021. Es setze, wie Stürgkh meint, klare Signale an die Industrie. Diese Berechenbarkeit sei erforderlich, um planen und investieren zu können. "Die ÖVP gefährdet damit die Wettbewerbsfähigkeit Europas und hunderttausende Arbeitsplätze", sagt Stürgkh. Außerdem haben sich Autohersteller wie VW und Porsche laut Stürgkh längst auf eine elektrische Zukunft eingestellt. Die Vorschrift komme also nicht über Nacht. Zudem seien CO2-neutrale Kraftstoffe für Verbrenner noch nicht kosteneffizient herstellbar.

Industrie will wissen, "wo die Reise hingeht"

Auch Umweltrechts- und Politikprofessor Sebastian Oberthür glaubt, dass die Industrie kein Zurücknehmen des Verbrenner-Aus wolle. Betriebe wollten wissen, "wo die Reise hingeht", sagt Oberthür. Unternehmen könnten bereits getroffene Investitionsentscheidungen nicht mehr umpolen. Dazu kommt: Die Batteriekosten für Elektrofahrzeuge sind in den vergangenen Jahren stark gesunken. Unklar ist, ob sich dieser Trend fortsetzt.

Die Anschaffungskosten für E-Autos könnten dennoch noch eine Weile hoch bleiben, vermutet Oberthür. "Aber das, was wir wissen, spricht für weitere Preisrückgänge bei Batterien", ergänzt er. Damit meint er hohe Investitionsvolumen in Batterientechnik. Zusätzlich braucht es laut Oberthür einen Gebrauchtwarenmarkt für E-Autos. Nur auf E-Fuels zu setzen hält er dagegen für wenig sinnvoll.

"Die Herstellung von E-Feuls erfordert viel Energie. Dadurch sind sie extrem teuer und knapp. Wir sollten sie da nehmen, wo es wenig Alternativen gibt. Zum Beispiel im Flugverkehr oder für große Lastwagen. Damit kann man sich E-Fuels für Verbrennermotoren ohne Subventionen gar nicht leisten."

Biokraftstoffe "nicht flächendeckend" verfügbar

Bei der Mobilitätswende ausschließlich auf Biomasse zu vertrauen scheint laut einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs (EuRH) auch keine geeignete Lösung zu sein. Biokraftstoffe seien in der EU "nicht flächendeckend" verfügbar, meint Nikolaos Milionis, Mitglied des EuRH. Sie können also keine Alternative für fossile Brennstoffe darstellen. Außerdem sind sie teurer als herkömmliche Kraftstoffe. Derzeit sei sogar günstiger, "Emissionszertifikate zu erwerben, als die CO2-Emissionen mithilfe von Biokraftstoffen zu verringern", betont der EuRH in einer Pressemitteilung.

Georg Mayer, der derzeit für die FPÖ im EU-Parlament sitzt, glaubt, das Verbrenner-Aus sei "der völlig falsche Weg, um Europa fit für die Zukunft zu machen". Der Wirtschaft werde damit "ein riesiger Stein in den Weg gelegt", sagt er. Wie auch die ÖVP möchte er "ergebnisoffen" an E-Fuels forschen lassen und "sparsame" Benzin- und Dieselfahrzeuge weiterhin abwägen. Auch kritisiert Mayer andere Maßnahmen des Green Deal wie den Emissionshandel und eine mögliche CO2-Steuer europaweit.

Überdies beargwöhnt er die Notwendigkeit, bis 2050 klimaneutral in der EU zu sein. Schließlich gebe es "unterschiedliche Meinungen in der Wissenschaft", ob der derzeitige Klimawandel menschengemacht ist. Dass diese Aussage aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar ist, zeigt auch der letzte Bericht des Weltklimarats (IPCC) unmissverständlich.

"Sparsame" Verbrenner reichen nicht aus

Laut Oberthür negieren auch "sparsame" Dieselfahrzeuge keine flächendeckende E-Mobilität. Sie stoßen noch "zu viele Emissionen" aus, findet der Umweltexperte. Elektrofahrzeuge schneiden im Gesamtlebenszyklus besser als Verbrenner ab, obwohl ihre Herstellung viel Energie erfordert. "Sparsame Verbrenner reichen nicht aus", betont Oberthür. "Wir müssen auf null Emissionen kommen." Das gehe nur mit Elektroautos, betrieben von Elektrizität aus Erneuerbaren.

SPÖ und Grüne sind vom Verbrenner-Aus überzeugt. Andreas Schieder, SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, bekräftigt: "Wir müssen die technologischen Umstiege als Zukunftschance begreifen." Ein Verbrennerverbot für Neuzulassungen sende klare Signale an die Industrie. Zudem solle die EU nicht dabei zusehen, wie Maßnahmen gegen den Klimawandel nur Arbeitsplätze "in Fernost" schaffen. Seiner Meinung nach mache die ÖVP mit dem Festhalten am Verbrenner "Politik von vorgestern".

Der grüne EU-Mandatar Thomas Waitz findet, der Zulassungstopp für Verbrenner könne auch auf dem Land umsetzbar sein. "Gerade wir in der Landwirtschaft haben die Dachflächen, um Solarenergie zu installieren", meint der Biobauer. Trotzdem sei es sinnvoll, alte Benzin- und Dieselautos bis zu ihrem Lebensende zu befahren und nicht direkt auf ein Elektroauto umzuschwenken. "Es ist ökologischer, ein Dieselauto so lange zu benutzen, wie es noch fährt, als ein funktionierendes Auto auf den Schrottplatz zu werfen." Das wird auch nach 2035 noch möglich sein.

Europäische Batterieindustrie unterlegen

Zwar lobt der EuRH die Zielsetzung des Verbrenner-Aus, macht aber auf einige Hürden bei der Umsetzung aufmerksam. Die europäische Batterieindustrie sei im internationalen Wettbewerb unterlegen, analysieren Mitglieder des EuRH. "Dies könnte einen vollständigen Aufbau der Kapazitäten in der EU im Keim ersticken."Derzeit produziert Europa weniger als zehn Prozent der Batterien weltweit. Dagegen erzeugt China 76 Prozent. Außerdem sei die EU laut dem EuRH stark von Rohstoffeinfuhren aus Drittländern abhängig, "mit denen sie keine geeigneten Handelsabkommen geschlossen hat". Das kann Kostenzwänge bewirken. Auch kann bei politisch instabilen Ursprungsländern die Zufuhr der Rohstoffe gefährdet sein.

Ist die EU in Sachen E-Mobilität nicht wettbewerbsfähig genug, hat das Nachteile für die europäische Autoindustrie. Damit das Verbrenner-Aus nicht zulasten von Arbeitsplätzen geht, muss die EU die Batterien-Entwicklung vorantreiben, meint Oberthür. Feststoffbatterien könnten in der Zukunft Lithium-Ionen-Akkus ersetzen. Sie versprechen höhere Reichweite und kürzere Ladezeit, lassen aber noch mehrere Jahre auf sich warten. (Marie Kermer, 13.5.2024)