Hände bauen gerade einen Joint zusammen.
Joints, ein Beruhigungsmedikament und Kokain soll ein Mädchen von deutlich älteren Zufallsbekanntschaften bekommen haben, ehe sie mit ihr schliefen.
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Wien – Es sind Lebensrealitäten, die man sich kaum vorstellen kann, die man im Schöffenprozess gegen zwei junge Angeklagte um den schweren sexuellen Missbrauch Unmündiger zu hören bekommt. Da sind die beiden Angeklagten, heute 19 und 24 Jahre alt, die vor zwei Jahren mit einer damals 13-Jährigen Geschlechtsverkehr gehabt haben sollen. Nachdem gemeinsam in der mütterlichen Wohnung des Jüngeren zumindest Benzodiazepine und Marihuana, nach Aussagen des Mädchens auch Kokain, konsumiert worden waren. Da ist die Drittangeklagte, die Mutter des 19-Jährigen, die bei der Polizei gelogen haben soll, um die Burschen zu schützen. Und da ist die 13-Jährige selbst, die mit massiven Essstörungen und Substanzmissbrauch kämpft und mit ihr Unbekannten mitging.

Staatsanwalt Wolfram Bauer zeigt sich vor dem Senat unter Vorsitz von Hannelore Bahr überzeugt, dass die beiden Männer genau wussten, wie alt das Mädchen ist. Spätestens in der Wohnung in Wien-Hernals habe sie ihr Alter verraten, hatte sie bei den Einvernahmen durch Polizei und Gericht ausgesagt. "Es war ihnen wurscht", ist der Ankläger sich sicher, sie hätten mit dem Opfer in der Nacht ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt. Und das, obwohl das Mädchen am nächsten Tag, als es von ihrer älteren Schwester abgeholt wurde, nachdem sie ihre Verwandte elektronisch geortet hatte, in einem furchtbaren Zustand war. Sie musste gestützt werden, konnte sich nicht allein die Schuhe anziehen und zitterte am ganzen Körper.

Erstangeklagter mittlerweile Vater

Dass es den intimen Kontakt gegeben hat, bestreiten die beiden mehrfach vorbestraften Angeklagten gar nicht. Allein: Sie wollen das Alter nicht gekannt haben, beziehungsweise hätten beide sie für älter als 15 geschätzt. Der jüngere Erstangeklagte, der damals im November 2022 gerade von seiner gleich alten Lebensgefährtin, mit der er mittlerweile ein Kind hat, getrennt war, will auch nichts mit Drogen zu tun gehabt haben. Der Ältere gibt zu, Marihuana spendiert zu haben, ob er auch Tabletten ausgeteilt hat, kann er nicht mehr sicher sagen, da er selbst schwer beeinträchtigt gewesen sei.

Der Zweitangeklagte ist grundsätzlich geständig. Er sagt, er habe die 13-Jährige zufällig kennengelernt, als sie ihn auf der Straße nach Zigaretten oder illegalen Rauschmitteln angesprochen habe. "Ich habe sie geschätzt auf jung, aber sicher nicht 13. 15, 16 oder 17", sagt er. "Ich habe selbst Geschwister und Cousinen", erzählt er, "ich habe das erst am nächsten Tag, als die Schwester da war, erfahren, dass sie erst 13 ist!" Heute schäme er sich dafür: "Ich kann nicht glauben, dass ich mit diesem Kind geschlafen habe!" Den Einwand von Vorsitzender Bahr, dass das Mädchen 35 Kilogramm gewogen und körperlich nicht entwickelt gewesen sei, kontert der Zweitangeklagte mit: "Es war dunkel!"

Nach dem Kennenlernen auf der Straße, wo auch eine Freundin des Opfers und der Erstangeklagte dazustießen, habe man einen Joint geraucht, sei dann in einen Park gegangen und schließlich in die Wohnung des Erstangeklagten. "Was wollten Sie dort?", interessiert Bahr. "Vielleicht noch einen Joint rauchen und dann schlafen", gibt der Zweitangeklagte vor, sich nicht mehr genau zu erinnern. Er habe aber sicher nicht die Initiative ergriffen.

"Stundenlang so gegangen!"

Als man schließlich zu dritt im Bett lag, hätten zunächst der Erstangeklagte und die 13-Jährige Geschlechtsverkehr gehabt. "Das ist stundenlang so gegangen. Die wollten das beide, glaub ich", sagt der Zweitangeklagte. Das Gestöhne habe ihn erregt, als der Erstangeklagte sein Zimmer verließ, "hat sie sich angeboten, dann haben wir kurz Sex gehabt". – "Sie hat sich angeboten?", fragt die Vorsitzende nach. "Ich glaube ja." – "Sie sagt nämlich, sie wurde überredet", hält Bahr die Aussage des Mädchens vor. Der Zweitangeklagte ist sich nicht mehr sicher. "Ich war schwer beeinträchtigt!", sagt der Suchtmittelabhängige.

Nach fast sieben Stunden Verhandlung verkündet Bahr schließlich die großteils anklagekonformen Urteile. Der Erstangeklagte wird zu zwei Jahren Haft, acht davon unbedingt verurteilt, eine Vorstrafe im Ausmaß von fünf Monaten wird widerrufen und kommt zum unbedingten Teil dazu. Zusätzlich wird Bewährungshilfe und eine Psychotherapie angeordnet. Seine unbescholtene Mutter erhält sechs Monate bedingt wegen falscher Zeugenaussage, da sie in den Ermittlungen behauptet hatte, den regelmäßig in der Wohnung schlafenden Zweitangeklagten nicht zu kennen.

Auf einem in der Verhandlung vorgespielten Video ist die stark geschminkte, aber sehr jung aussehende Unmündige zu erleben, wie sie stark benommen an einem Joint zieht und ihr der ältere Angeklagte einen Kuss auf die Wange drückt.

Die Lebensgefährtin des Erstangeklagten, deren gemeinsames Kind mittlerweile fremduntergebracht ist, lässt in ihrer widersprüchlichen Zeuginnenaussage an der 13-Jährigen wenig Gutes. Sie behauptet, nach den angeklagten Vorfällen mit dem Mädchen und ihrer Schwester gesprochen zu haben, dabei habe die Schwester gesagt, die 13-Jährige würde immer wieder über ihr Alter lügen und mit Männern für Geld oder Drogen mitgehen. Dann behauptet sie, die 13-Jährige habe ihr dezidiert gesagt, sie habe alles freiwillig gemacht, was sie danach wieder relativiert. Eine Vergewaltigung ist aber ohnehin nicht angeklagt, daher ist das für den Prozess irrelevant.

Drei Verurteilungen

Der Zweitangeklagte ist bei seiner jüngsten Verurteilung ohnehin bereits zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden, er erhält eine Zusatzstrafe von zwei Jahren, zwei Monate einer offenen Vorstrafe werden widerrufen. Ergibt zusammen vier Jahre und zwei Monate, mit denen er ebenso wie Staatsanwalt Bauer einverstanden ist, diese Entscheidung ist also rechtskräftig.

Anders verhält es sich beim Erstangeklagten und seiner Mutter. Dem 19-Jährigen hat die Vorsitzende in ihrer Begründung noch ins Gesicht gesagt: "Sie kennen keine Konsequenzen, Sie haben noch nie Konsequenzen gespürt, es ist Ihnen einfach egal." Nach rund zehn Minuten Beratung mit Verteidigerin Sonja Scheed bittet das Duo zunächst um Bedenkzeit. Dann bricht es plötzlich aus dem Erstangeklagten heraus: "Können Sie mir nicht vielleicht Therapie statt Gefängnis geben?", fleht er Bahr an. "Es ist Ihre vierte Verurteilung!", hält die dem Teenager entgegen. "Ich bitte Sie!", zeigt er sich diesem Argument gegenüber nicht sehr aufgeschlossen. Auch der Ankläger gibt keine Erklärung ab, diese beiden Entscheidungen sind daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 6.5.2024)