Kakao beruhigt die Nerven. Seit die Preise der braunen Bohne Ende April ein Rekordhoch erlebt haben, wächst in der Süßwarenindustrie jedoch die Nervosität. Auf den Spotmärkten zahlte die Branche dafür jüngst satte 11.000 Dollar pro Tonne und damit das Vierfache des Preises vor sechs Monaten. Nie zuvor hat sich Kakao derart rasant verteuert.

Die Süßwarenbranche erlebt die größte Knappheit an Kakaobohnen seit 40 Jahren. 
Die Süßwarenbranche erlebt die größte Knappheit an Kakaobohnen seit 40 Jahren.
EPA/LEGNAN KOULA

Bereits im Herbst überstieg der Kakaobedarf die verfügbare Produktion weltweit um bis zu 20 Prozent. Extremwetter und Pflanzenkrankheiten hatten die Ernten in den Hauptanbauländern Ghana und Elfenbeinküste drastisch dezimiert. Wahlen in beiden Ländern trieben die Preise zusätzlich nach oben. Bauern stiegen zudem auf weniger pflegeintensiven Kautschuk um. Andere bewog der hohe Goldpreis in Ghana dazu, ihr Land der Rodung preiszugeben.

Spürbare Verteuerung

Zahlreiche Schokoladehersteller deckten sich zwar zuvor abseits der Spotmärkte bis Sommer mit der begehrten Bohne ein. Im Juni aber werden auf den Plantagen die neuen Blüten gezählt. Danach wird es angesichts der größten Knappheit an Kakao seit 40 Jahren ernst.

Hohe Verluste will die Branche nicht riskieren. Experten gehen daher von einer deutlichen Verteuerung von Süßwaren aus. Konsumenten müssten mit Preissteigerungen von bis zu 30 Prozent rechnen.

Von höheren Einkommen nur träumen konnten bisher jedoch die Bauernfamilien. Um Zwischenhandel zu unterbinden, zahlen ihnen Ghana und die Elfenbeinküste Fixpreise. Wie stark ihre Erträge anziehen, wird sich erst im Herbst weisen.

Viele Verlierer

Sorgen bereiten die extremen Ausschläge auch dem fairen Handel, bei dem Landwirte neben Mindestpreisen Prämien erhalten und die gesamte Lieferkette zertifiziert wird. Es sei eine ungesunde Situation, zieht Hartwig Kirner, Chef von Fairtrade Österreich, Bilanz. Aus Anbauländern werde Kakao geschmuggelt, um höhere Preise zu erzielen, was dortige Genossenschaften belaste. Zugleich baue Ecuador die Produktion massiv aus und werde Ghana als zweitgrößten Produzenten ablösen. Der gesamte Markt sei im Umbruch.

In Österreich wuchs der Absatz an fair gehandeltem Kakao im Vorjahr um 13,4 Prozent auf 9690 Tonnen. Dieser kommt zusehends auch bei günstigeren Lebensmitteln zum Einsatz. Rewe und Hofer etwa stellten Süßes bei ihren Eigenmarken ebenso auf Fairtrade um wie der Diskonter Action.

Fairtrade wächst

In Summe erzielten Fairtrade-Produkte hierzulande 2023 ein Umsatzplus von zwölf Prozent auf 663 Millionen Euro. Die Direkteinnahmen der Produzenten nahmen um neun Prozent auf rund 79 Millionen Euro zu.

Annähernd stabil entwickelte sich der Absatz von Fairtrade-Kaffee, obwohl Konsumenten angesichts der starken Inflation vermehrt zu günstigeren konventionellen Marken griffen. Auf hohem Niveau blieb der Markt für Bananen. Wider Erwarten gewöhnten sich viele Österreicher daran, dass diese nunmehr überwiegend mehr als zwei Euro das Kilo kosten.

Kirner macht keinen Hehl daraus, dass die Preissensibilität quer über alle Einkommensschichten ordentlich gestiegen sei. Dennoch sei ein guter Teil der Konsumenten bereit, sich faire Lieferketten mehr kosten zu lassen, nicht zuletzt auch dank der jüngsten Gehaltsanpassungen.

Gastronomie spart

Ein raues Pflaster für den fairen Handel bleibt die Gastronomie. Viele Wirte sehen sich nach wie vor im Krisenmodus, nachhaltiger Einkauf ist für die meisten Restaurants und Großküchen zweitrangig. (Verena Kainrath, 8.5.2024)