Als Umberto Eco 2016 starb, hat sogar der Mailänder Vergnügungspark aus Trauer geschlossen. Seine Bibliothek gehört nun dem italienischen Staat.
Als Umberto Eco 2016 starb, hatte sogar der Mailänder Vergnügungspark aus Trauer geschlossen. Ecos Bibliothek gehört nun dem italienischen Staat.
Rossofuoco

Gerade wurden neue alte Schriftrollen aus einer antiken Bibliothek in Herculaneum entziffert. Umberto Eco hätte sich darüber vermutlich sehr gefreut. Der 2016 verstorbene Gelehrte und Hobbyromancier (Der Name der Rose) war ein großer Bibliophiler. Nur folgerichtig, dass sich nun eine Doku mit seiner Privatbibliothek beschäftigt – und damit natürlich auch mit dem Maestro selbst.

In Umberto Eco: Eine Bibliothek der Welt begibt sich Davide Ferrario in das intellektuelle Labyrinth, das Eco hinterlassen hat. Das besteht aus nicht weniger als 30.000 Bänden in einer Mailänder Wohnung, wobei Eco lange vor seinem Tod zu zählen aufgehört hat. Eine Kamerafahrt folgt dem Professor zu Beginn bis zum hintersten Regal. Am Ende des Films fährt seine Enkelin mit Rollschuhen durch sein Bücherparadies.

Exzentrik und Schmäh

Genüsslich lässt die Doku ihren Bücherhelden in kleinen Archivhäppchen Schmäh führen und Anekdoten erzählen. Wie jene, dass er mit seinen Büchern übersiedeln musste, weil das Bauamt am alten Standort eine Gefahr durch das Gewicht des gesammelten Wissens sah – fast wie der Mönch am Ende des berühmtesten Romans von Eco.

Ecos eigene Bibliothek besteht im Kern aus exzentrischen Kuriositäten mit Büchern zu okkulten Wissenschaften, Alchemie, Magie, Dämonologie oder Fantasiesprachen. "Meine Sammlung enthält nur unwahre Bücher, Bücher, die das Gegenteil sagen." Denn Fiktionen sind keine Lügen und nicht alles Wissen ist Wahrheit.

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Einigen dieser obskuren Lieblingsautoren folgt der Film, um sich dann wieder den grundsätzlichen Fragen zuzuwenden, die der Professor der Semiotik damit verfolgt hat. Die Bibliothek ist für Eco "Symbol und Realität eines kollektiven Gedächtnisses". Doch wohin verflüchtigt sich dieses Gedächtnis, wenn seine Realität im Virtuellen unsicher wird? Der Professor hat zu Lebzeiten darin durchaus eine Gefahr gesehen und hätte sicher auch zur künstlichen vermeintlichen Intelligenz einiges zu sagen.

Posthum belässt es der Film bei süffisanten kulturpessimistischen Bemerkungen Ecos aus dem Archiv. Im Fokus steht schließlich die alte Welt des "pflanzlichen Gedächtnisses", wie Eco seine papierene Sammlung in Abgrenzung zur mineralischen des Computersiliziums nannte. Am iPad habe er schließlich keine Eselsohren und Marmeladenflecken in seine Bücher machen können.

Papierene Erotik

Die bibliophile Haptik verfolgt auch der Film. Immer wieder fährt die Kamera die Regalreihen, Buchrücken und unsortierten Stapel entlang, zeigt Illustrationen und handschriftliche Kommentare – und entbehrt dabei nicht einer gewissen papierenen Erotik. Dazwischen erzählen Ecos Familie und Freunde, und es gibt prächtige öffentliche Bibliotheken zu sehen, von Turin bis Tianjin in China.

Die wichtigste Frage aber bleibt offen: Wie ist Umberto Ecos Sammlung sortiert? Die Antwort: "Im Grunde wusste nur er, wo bestimmte Bücher zu finden waren – weil die Bibliothek lebte." (Marian Wilhelm, 5.5.2024) Jetzt im Kino