Die Raiffeisen Bank International (RBI) zahlt in Russland mehr Steuern als alle anderen westlichen Banken zusammen. Das liegt daran, dass sie der größte verbliebene westliche Akteur im Finanzbereich in dem Kriegsland ist. Wie die Financial Times Ende April recherchierte, betrugen die Gewinnsteuern, die die RBI entrichtete, im Vorjahr 464 Millionen Euro. Sie fielen wegen des Profits der RBI in Russland von mehr als 1,8 Milliarden Euro an. Weit abgeschlagen hinter der österreichischen Großbank folgen die italienische Unicredit (154 Millionen Euro Steuern), die ungarische OTP (90 Millionen Euro) und die italienische Intesa Sanpaolo (27 Millionen Euro). All diese Abgaben, die die Geldhäuser bezahlen, fließen an den russischen Staat und damit indirekt auch an dessen Kriegsmaschinerie.

Raiffeisen-Bankomat vor dem russischen Außenministerium in Moskau
Größte westliche Bank im Land: Raiffeisen-Bankomat vor dem russischen Außenministerium in Moskau.
EPA/YURI KOCHETKOV

In der Wiener Zentrale wurde indes der Konzerngewinn für das erste Quartal 2024 bekanntgeben – und er fällt zufriedenstellend aus. Insgesamt stieg er auf 657 Millionen Euro, ein kleiner Zuwachs von einem Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Ohne die Beiträge aus Russland und Belarus betrage der Profit 333 Millionen Euro, gab die RBI bekannt. Dennoch bleibt der größte Gewinnbringer Russland. Dort hat das Geldhaus nach Steuern im ersten Quartal mehr als 300 Millionen Euro gemacht, also knapp die Hälfte des konzernweiten Gewinns. Russland ist damit immer noch der lukrativste Markt für die RBI. "Die RBI ist gut in das Geschäftsjahr 2024 gestartet", kommentierte Bankchef Johann Strobl die Zahlen. "Die Ertragsentwicklung entspricht unseren Erwartungen."

Nichts Neues aus Moskau

Keine Neuigkeiten lieferte die RBI indes zu ihrem geplanten Rückzug aus Russland. Dieser ist seit langem in Aussicht gestellt – und erneut weist die RBI lediglich darauf hin, dass die Angelegenheit komplex sei. "Eine realistische Vorhersage, bis wann eine Entkonsolidierung der russischen Bank abgeschlossen ist, ist sehr schwer möglich", heißt es im Aktionärsbericht. Zumindest das gesamte Kreditvolumen in Russland ist seit Jahresbeginn 2024 laut Reuters um rund 0,2 Milliarden Euro gesunken, während die Anzahl der Filialen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Russland ungefähr gleich geblieben sind.

Die Kritik an der RBI wegen ihres Russland-Engagements tönt in den vergangenen Wochen noch lauter als ohnehin schon. Wie Mitte April herauskam – ebenfalls durch eine Recherche der Financial Times – hat die Bank trotz des Bekenntnisses zum Rückzug in Russland seit vergangenem Dezember mehr als 2400 Job-Anzeigen geschaltet. Die RBI rechtfertigt sich damit, dass dies notwendig sei, weil etwa die Banken-IT für den Verkauf fit gemacht werden müsse. Allerdings finden sich in den Inseraten auch Passagen, in denen von einer "Expansion der Kundenbasis" die Rede ist. Hier wiederum spricht die RBI von einem Fehler; es seien versehentlich Textbausteine von vor dem Krieg verwendet worden.

Brief aus Straßburg

Die Kritiker besänftigt das nicht. So forderten vergangene Woche 37 EU-Parlamentsabgeordnete per Brief Bundeskanzler Karl Nehammer, Außenminister Alexander Schallenberg und Finanzminister Magnus Brunner (alle ÖVP) dazu auf, "die RBI zu ermutigen, ihre Aktivitäten in Russland einzustellen". Die Bank, so das Schreiben, sorge "für Finanzmittel für die Fortsetzung der militärischen Aggression gegen die Ukraine". Was Österreichs Abgeordnete betrifft, unterzeichneten jene der SPÖ und der Neos den Brief, nicht aber jene von ÖVP, FPÖ und Grünen.

Nicht nur die EU-Parlamentsabgeordneten üben Druck auf die RBI aus, auch die Europäische Zentralbank (EZB). Sie wird bald die RBI rüffeln, weil der Rückbau zu langsam erfolgt, teilte die RBI Mitte April vorauseilend mitteilte. Als wäre das alles noch nicht genug, ist die RBI auch noch im Visier der US-Behörden. So hat sich die US-Sanktionsbehörde Office of Foreign Assets Control (OFAC) bereits vor einem Jahr einen Brief mit einer Reihe von Fragen zu Russland an die RBI gewandt. Aktuell legen die USA Protest gegen einen geplanten Deal der RBI im Zusammenhang mit dem russischen Oligarchen und Putin-Vertrauten Oleg Deripaska ein. Der Hintergrund: Ein Anteil am Baukonzern Strabag, der zuvor Deripaska gehörte, soll an die RBI in Wien gehen – gewissermaßen als Ausgleich für die Russland-Profite, die wegen der Sanktionen in Moskau feststecken. Laut Reuters fordern hochrangige Vertreter des US-Finanzministeriums die RBI auf, von diesem Plan abzurücken. "Dieser Deal kann nach hinten losgehen", zitiert die Agentur einen Insider. (Joseph Gepp, 2.5.2024)