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Als "Staatsfeind Nummer eins" habe ihn die politische Konkurrenz ausgemacht, sagt FPÖ-Chef Herbert Kickl.
Florian Voggeneder

Wenn Grillhendln, Steckerlfisch, Schaumrollen und Früchtespieße wie warme Semmeln weggehen, Zuckerwatte kübelweise verkauft wird, der Nusskönig unter dem Motto "Wir sind Sünde" frisch gebrannte Mandeln und Nüsse mit dünner Zuckerkruste anpreist, die Fahrgeschäfte bei prächtigstem Frühlingswetter ihre Runden drehen, dann ist in der oberösterreichischen Landeshauptstadt wieder Jahrmarktzeit. Und wenn rund um das Festzelt am Linzer Urfahranermarkt Polizisten patrouillieren, Securitys vor den Zelteingängen Handtaschen und Rucksäcke inspizieren, drinnen die John Otti Band gecoverte Hits wie "Wir sind eine große Familie" und "Marmor, Stein und Eisen bricht" zum Besten gibt, dann ist der 1. Mai ins Land gezogen.

Den Tag der Arbeit begeht die FPÖ auch heuer im Festzelt inmitten des Jahrmarktgeländes. Längst ist der 1. Mai nämlich nicht nur im roten, sondern auch im blauen Jahreskalender ein Fixtermin. Und längst hat die FPÖ der SPÖ auch den Rang als Arbeiterpartei abgelaufen. Laut der jüngsten für den STANDARD durchgeführten Market-Umfrage, sind die Freiheitlichen mit 38 Prozent Wähleranteil unter Arbeiterinnen und Arbeitern die bei weitem beliebteste Partei in der Arbeiterschaft.

Umgeben von einem Meer an Rot-Weiß-Rot- und FPÖ-Fahnen zogen Parteichef Herbert Kickl, Oberösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner und EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky trachtig gekleidet in das gesteckt volle Festzelt ein. Begleitet wurde deren Einzug nicht nur musikalisch von der blauen Hausband, sondern auch von lautstarken "Herbert, Herbert"-Sprechchören der zum Großteil auf Bierbänken stehenden 5.000 Besucherinnen und Besucher.

Auch heuer begeht die FPÖ im Festzelt am Urfahraner Markt in Linz den 1. Mai.
Auch heuer begeht die FPÖ im Festzelt am Urfahraner Markt in Linz den 1. Mai.
Florian Voggeneder

"Doppelte Wählerwatschn"

Finanzskandal in der Steiermark, blaue Verstrickungen in die Spionageaffäre, die diese Woche bekannt gewordenen Korruptionsermittlungen gegen die ehemalige blaue Ministerriege, zu der auch Kickl zählt – all das tangiert im zum Bersten vollen und stickigen Festzelt niemanden. Blaue Anhängerinnen und Anhänger waren gekommen, um den freiheitlichen Frontmann zu hören – und dessen Vision vom Umbau des Landes unter seiner Führung.

"Das wird ein blauer Wirbelwind werden, der durch dieses Land fährt, der ordentlich ausputzt bis in die letzten Enden dieser Republik", kündigt Kickl gleich in den ersten Minuten seiner Rede an. Dagegen werde „der rote Railjet der reinste Schlafwaggon sein". Parteichef Andreas Babler hatte am Wochenende am Parteirat in Wieselburg angekündigt, aus der Dampflok SPÖ einen Railjet machen zu wollen. Es brauche laut Kickl nämlich "neue Wege und Lösungen für diesen gigantischen Problemberg, den uns die Einheitspartei hinterlassen hat".

"Regenbogenkult", "Genderwahnsinn", "Klimakommunismus", "Gesundheitsdiktatur" und "Kuscheljustiz" – Kickl lässt in seiner gut einstündigen Rede alle Reizworte fallen, die die Menge zum Toben bringen. "All das wollen wir nicht haben", stellt er unmissverständlich klar. Stattdessen wolle er einen "Stopp der Völkerwanderung" und scheut auch nicht davor zurück, den Begriff "Remigration" – hinter dem verfassungswidrige Deportationspläne stecken – in den Mund zu nehmen. "Ja, ich traue mich das auszusprechen, selbstverständlich." Den schweren Rucksack der Menschen wolle er leichter machen, etwa durch die Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe und der CO2-Steuer.

Dass ihn die politische Konkurrenz als "Staatsfeind Nummer eins" ausgemacht hat, dürfte Kickl, der sich selbst als "Arbeiterbua aus Radenthein" bezeichnet, insgeheim auch ein wenig Stolz machen. Wer Dinge in diesem Land verändern wolle, müsse eben den Preis dafür zahlen, von allen anderen "angegriffen, verspottet und verleumdet" zu werden, sagt Kickl – selbst nie zurückhaltend, wenn es darum geht, andere anzugreifen, zu verspotten und zu verleumden. "Ich bin bereit, diesen hohen Preis zu zahlen", sagt er, als hätte daran irgendjemand Zweifel gehabt. Und: "Bevor ich Teil dieses Systems werde, mich biegen, brechen und erpressen lasse, gehe ich lieber unter und das mit erhobenem Haupt und mit reinem Gewissen."

"Wir stehen vor einer Richtungsentscheidung, lassen wir eine neue Ära anbrechen", appelliert der blaue Frontmann gegen Ende seiner Rede. Die Nationalratswahl bezeichnet er als "eine Schicksalswahl", er wünsche sich für die anderen Parteien eine "unmissverständliche Lektion", eine "doppelte Wählerwatschn, eine links und eine rechts".

Aufräumen in Europa

In diesen Kanon stimmten auch Kickls Vorredner ein. Haimbuchner sieht den 1. Mai als "Beginn des Endes dieser türkis-grünen Bundesregierung", die FPÖ werde dafür sorgen, "dass die schwächste Regierung in der Zweiten Republik abgewählt werde". Mit Kickl und der FPÖ werde es "einen politischen Neuanfang in Österreich" geben. Und er verspricht gleichzeitig das Blaue vom Himmel: Vorbei sei es dann "mit Befehlsausgaben in Brüssel, illegaler Massenmigration, der unvorstellbaren Verschuldung in der Republik, mit Regenbogenfahnen an öffentlichen Gebäuden".

Zuvor gehe es allerdings darum, dass man in Europa so stark werde, "dass niemand mehr an uns vorbeikommt". "Bitte geht zur Wahl", appelliert Haimbuchner. In Richtung Vilimsky sagt er: "Lieber Harry, Glück auf und räum in Europa auf!" Was der Angesprochene, der bereits zum dritten Mal als Spitzenkandidat für die EU-Wahl ins Rennen geht, in der Union vorhat, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen und Co. "mit einem Tritt in den Allerwertesten aus ihren Ämtern jagen", das "Irrenhaus EU gewaltig abspecken", er selbst liebäugelt mit einem fiktiven Kommissarsposten für Remigration und Rückbau der Europäischen Union.

Zum Abschluss stimmen die blauen Parteigranden schließlich noch die Österreich-Hymne ab, ehe die John Otti Band mit „Immer wieder Österreich“ den blauen Parteievent zum Tag der Arbeit ausklingen lässt. (Sandra Schieder, 1.5.2024)