Martin Kocher
Wirtschaftsminister Martin Kocher hat sich beworben.
APA/HELMUT FOHRINGER

Wirtschaftsminister Martin Kocher will Nationalbank-Gouverneur werden. In einem Interview mit der Kronen Zeitung sagte Kocher, sich auf den Posten beworben zu haben. "Natürlich gibt es auch andere Funktionen, neben der des Ministers, die für einen Ökonomen sehr interessant sind. Geldpolitik, Währungspolitik und Finanzmarktstabilität werden in Zukunft aus meiner Sicht eine noch viel wichtigere Rolle einnehmen", wird der Minister von der Kronen Zeitung zitiert. Darum habe er sich für die Funktion des Nationalbank-Gouverneurs beworben.

Die Bewerbungsfrist für die Ende März vorzeitig ausgeschriebenen Direktoriumsposten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) hat am Montag geendet. Die Funktionsperiode von OeNB-Direktoriumsmitglied Thomas Steiner läuft bis Ende April 2025, jene von OeNB-Direktor Eduard Schock und von Vizegouverneur Gottfried Haber bis 10. Juli 2025 und die von Gouverneur Robert Holzmann bis Ende August 2025. Nur Holzmann (75) hat öffentlich bekundet, keine zweite Amtszeit anzustreben.

Pikante personelle Verquickungen 

Die Ausschreibung ist sehr früh gekommen, gemäß Public-Corporate-Governance-Kodex der Republik werden derlei Posten ein Jahr im Voraus ausgeschrieben, ein Abgehen von dieser Regel muss begründet werden. In diesem Fall hieß es sinngemäß, man wolle eine Unsicherheitsperiode verhindern, weil ja nicht sicher sei, wie lange die Regierungsverhandlungen nach der Nationalratswahl im Herbst dauern werden. Und für die Bestellung der OeNB-Chefs ist letztlich die Bundesregierung zuständig. Das Prozedere funktioniert so: Der Generalrat, das Aufsichtsgremium der OeNB, beschließt die Ausschreibung und deren Text, er ist es auch, der dann Vorschlagslisten fürs Direktorium erstellt und beschließt. Diese Liste geht an die Bundesregierung, die allerdings nicht an die Vorschläge des Gremiums gebunden ist.

Was die Sache im konkreten Fall der Bewerbung von Kocher (von der ÖVP nominiert) pikant macht: Das von ihm geleitete Wirtschaftsministerium hat gemäß Wirtschaftskammergesetz die Aufsicht über die Wirtschaftskammern, was insbesondere "die Sorge für die gesetzmäßige Führung der Geschäfte" dort umfasst. Und der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich ist niemand anderer als der Präsident des OeNB-Generalrats, nämlich Harald Mahrer (ÖVP). So betrachtet hat sich Kocher beim von ihm beaufsichtigten Mahrer beworben. Mahrer wird dann auch beim Hearing des amtierenden Ministers dabei sein. Was doch pikante Fragen aufwirft. Die Hearings der Kandidatinnen und Kandidaten beginnen in zwei Wochen.

Keine Stellungnahmen

Was sagt Harald Mahrer dazu? Fragt man seine Sprecherin in der Wirtschaftskammer, ob Mahrer einen Interessenskonflikt sieht und wie er sich im Bewerbungsverfahren verhalten wird: gar nichts – denn es gehe um ein Thema, das die OeNB betreffe. Man möge in der OeNB fragen. Fragt man die OeNB-Sprecherin, dann erfährt man auch nichts, weil die OeNB zu diesem Thema keinen Kommentar abgebe.

 Schwarz, Rot, Grün

Der Besetzungsplan steht schon fest: Zwei Personen, die der ÖVP zuzurechnen sind, sollen ins Direktorium, und je eine Person, die SPÖ bzw. Grünen nahesteht. Für die Roten wird Helene Schuberth gehandelt, Chefökonomin des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB). Die 62-jährige Wirtschaftswissenschafterin kennt die OeNB bestens, sie war dort von Mai 1993 bis Mai 2022 tätig, zuletzt als Leiterin der Abteilung für die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung im Ausland. Zudem hat sie Sitz und Stimme im Fiskalrat.

Für die Grünen soll Josef Meichenitsch ins Direktorium wechseln, er leitet derzeit derzeit die Abteilung Europäische Aufsichtsgrundsätze und Strategie in der OeNB. Meichenitsch war engster Berater von Grünen-Chef Werner Kogler und verhandelte für die Grünen in den Koalitionsgesprächen mit.

OeNB-Vizegouverneur soll in FMA wechseln

Beworben hat sich für den Gouverneursposten auch Gottfried Haber, der jetzige Vizegouverneur der Notenbank, auch er ist der ÖVP zuzurechnen. Haber ist im Direktorium für die Banken und ihre Aufsicht zuständig. Er dürfte aber keine Chancen auf den Chefposten haben, wie zu hören ist. Wie das kommt: Haber hat zuletzt FMA-Chef Helmut Ettl bei seiner neuerlichen Bewerbung um den FMA-Posten unterstützt – Ettl ist aber ein Roter. Mag sein, dass das Kalkül Habers so ausgesehen hat: Wäre Ettl (er sitzt auf einem OeNB-Ticket im FMA-Vorstand) nicht wieder in den FMA-Vorstand gekommen, wäre er erstens in die OeNB zurückgekehrt, wohin er als Notenbanker ein Rückkehrrecht hat, und hätte sich vielleicht selbst für den Gouverneursposten beworben. Wie auch immer: Die ÖVP nimmt Haber sein Engagement für Ettl übel und will ihn lieber in die Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA übersiedeln. Dort, gleich vis-à-vis der Nationalbank, ist der Posten von Vorstandsmitglied Eduard Müller (ÖVP) ausgeschrieben, dessen Vertrag 2025 ausläuft. (Renate Graber, András Szigetvari, 30.5.2024)