Karoline Edtstadler (ÖVP) erledigt in der Regierung vielfältige Aufgaben, die sich nicht immer aus ihrer eigentlichen Zuständigkeit ergeben. War sie oft genug Schattenjustizministerin, so hat sie sich jetzt im Bereich des ohnedies in ÖVP-Hand befindlichen Wirtschaftsministeriums betätigt.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP)
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) musste seine Europaministerin Karoline Edtstadler zurückpfeifen.
IMAGO/Manfred Siebinger

Der 41-Stunden-Zwischenfall beruht nicht auf strategisch platzierten Botschaften, es handelt sich um kommunikatives Irrlichtern. Die grundsätzliche Sympathiebekundung der EU-Ministerin für die Industriellen-Fantasie einer 41-Stunden-Arbeitswoche hielt nicht einmal wenige Stunden. Dann musste der Bundeskanzler eine Rolle einnehmen, die seit Kurz’schen Zeiten oft Edtstadler zukam: Er musste höchstselbst zur Schadensbekämpfung ausrücken. Die 41-Stunden-Woche komme fix nicht. Karl Nehammer weiß: ein hochbrisantes Thema, das weite Teile der Bevölkerung erreicht. Wie das McDonald's-Video. Eine aktiv befeuerte Arbeitszeitendebatte kann Koalitionsvarianten – wie eine wahrscheinliche mit der SPÖ – erschweren.

Zitierverbot muss fallen

Es ist schon das zweite Mal in wenigen Wochen, dass Nehammer seine Europaministerin zurückpfeifen muss. Edtstadler, die später Wert darauf legte, die 41-Stunden-Erweiterung nie gefordert zu haben, sagte bei der Industriellenvereinigung: "Wenn wir den Wohlstand erhalten wollen, müssen wir eher mehr als weniger arbeiten." Sie gab der Industriellenvereinigung mit ihrem Vorstoß höchstens Rückendeckung, allerdings gewohnt knackig: Mit "linken Träumen" von Arbeitszeitverkürzung werde es sich "nicht ausgehen". Da war der Geist schon aus der Flasche entwichen.

Es spüren nicht nur Partei-Insider, dass die Vorstellungen von Edtstadler und dem Rest der ÖVP durchaus auseinanderklaffen. Ähnlich war es bei ihrer Forderung nach einem Aktenzitierverbot für Medien. Freilich habe das nichts mit den Korruptions-Chats der ÖVP zu tun. Natürlich nicht. Der Kanzler ortete drohendes Unbill mit praktisch allen Medien und ließ Edtstadlers Plan eines Zitierverbots fallen. Sie musste mit einem skurrilen Hintergrundgespräch mit Chefredakteuren zurückrudern. Edtstadler wäre am liebsten anonym geblieben, jedenfalls durfte nicht aus dem Gespräch zitiert werden. Genau: Zitierverbot.

Die ÖVP mäandriert, je nachdem, wen man fragt, zwischen einer regelrechten Fake-FPÖ und einer beliebigen Nur-nicht-anecken-Partei. Wenige Monate vor der Wahl haben die Schwarzen, die sich vor einigen Jahren noch der Message-Control rühmten, keine klare Linie gefunden. (Gerold Riedmann, 26.4.2024)