Er werde "die Boote stoppen", hat der britische Premier Rishi Sunak bei seinem Amtsantritt vor achtzehn Monaten versprochen. Gemeint war ein kleiner Teil der Einwanderung ins Vereinigte Königreich: Tag für Tag setzen Menschen aus aller Welt, überwiegend junge Männer, ihr Leben aufs Spiel, indem sie in total überladenen Schlauchbooten den Ärmelkanal zu überqueren versuchen. Skrupellose Schlepperbanden verdienen mit dem Menschenhandel Millionen. Immer wieder kommt es dabei zu Tragödien. In der Nacht zum Dienstag mussten wieder fünf Migranten ihr Leben lassen, darunter ein siebenjähriges Mädchen.

Premier Rishi Sunak hat nun bekommen, was er wollte – ganz zufrieden kann er dennoch nicht sein.
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Zur Abschreckung des Phänomens hatte sich die konservative Regierung, damals noch unter Boris Johnson, ein Projekt ausgedacht, das in vielen Ländern Westeuropas mit hohem Interesse verfolgt wird. London erklärte kurzerhand sämtliche Bootsankömmlinge zu "Illegalen"; sie genießen keinerlei Bleiberecht auf der Insel, ob sie nun politische Flüchtlinge sind oder Wirtschaftsmigranten. Das Asylrecht wird nach Ruanda ausgelagert: In dem 7000 Kilometer entfernten zentralafrikanischen Land dürfen sich die Migranten um Asyl bewerben, eine Rückkehr nach Großbritannien bleibt, bis auf wenige Einzelfälle, ausgeschlossen.

Sicher, auch wenn nicht

Der Londoner Supreme Court schob dem Vorhaben vor fünf Monaten einen Riegel vor, diesen hat Sunak jetzt mit einem Eilgesetz entfernt. Zukünftig gilt Ruanda den Briten als "sicheres Land", egal wie die Realität vor Ort aussieht. Von heimischen Gerichten will sich der Regierungschef nichts reinreden lassen, und schon gar nicht vom Europäischen Menschengerichtshof EGMR. Bei diesem handele es sich um ein "fremdes" vulgo ausländisches Gericht, was Sunak damit begründet, dass es in Straßburg ansässig ist. Die Albernheit solcher Argumente – wollen die Briten demnächst aus der in New York ansässigen UN oder der Brüsseler Nato austreten? – fällt auf der Insel noch kaum jemandem auf.

Noch als Finanzminister war Sunak angesichts der Kosten gänzlich gegen das Vorhaben. Mit diesen Bedenken hat er recht behalten: Schon bisher, ohne dass ein einziger Flüchtling ins Flugzeug nach Ruanda gesetzt werden konnte, hat die Angelegenheit die britischen Steuerzahler rund eine Viertelmilliarde gekostet, vom Reputationsverlust der einst als weltoffen geltenden Insel einmal abgesehen.

Die Bevölkerung hält von der teuren Asylpolitik wenig, aber wen schert das? Sunak muss den äußersten rechten Flügel seiner Fraktion befrieden, um noch einige Monate im Amt bleiben zu können. Erst ein Wahlsieg der Labour Party könnte dem Spuk ein Ende bereiten. (Sebastian Borger, 23.4.2024)