Es ist ein beliebtes Spiel, das von Parteien in ganz unterschiedlicher Konstellation praktiziert wird, und zwar meist kurz vor Nationalratswahlen. Um politisch noch einmal zu punkten, werden im Parlament regelmäßig vor Urnengängen in einem freien Spiel der Kräfte, also ohne koalitionäre Bindungen, größere und kleinere Entlastungspakete beschlossen.

Der Fiskalrat, der damit beauftragt ist, die laufende Budgetentwicklung zu überwachen, hat sich die Mühe gemacht und in einer aktuellen Analyse ausgewertet, welche "Wahlzuckerln" seit 2008 beschlossen worden sind und wie sie bis heute fortwirken. Das Ergebnis: In diesem freien Spiel der Kräfte werden meist keine einmal wirksamen Entlastungen beschlossen, sondern solche, die dauerhaft fortwirken. Das macht die Maßnahmen langfristig ziemlich teuer. Laut dem Fiskalrat belasten die Wahlzuckerln der vergangenen 15 Jahre das heurige Budget mit etwas mehr als 4,1 Milliarden Euro. Das entspricht rund einem Prozent der Wirtschaftsleistung oder den jährlichen Kosten für Polizei und innere Sicherheit.

Freilich ist auch richtig: Viele der Maßnahmen, die im freien Spiel der Kräfte fixiert werden, sind aus sozial- und familienpolitischer Perspektive gut argumentierbar.

Jeder hat etwas zu bieten: Parteien beschließen vor Wahlen ganz gern noch einmal Entlastungen.
Foto: Friesenbichler/Klausner

Der Fiskalrat definiert als Wahlzuckerln jene Beschlüsse, die entweder kurz vor einer Wahl getroffen wurden und vorher nicht von der Koalition vereinbart waren oder bei denen ein Koalitionspartner gar nicht mitgestimmt hat.

Ein paar Beispiele: Nach einer 19-stündigen Marathonsitzung Ende 2008 wurde kurz vor der Wahl eine Reihe an Anträgen angenommen – allein deren Verlesung dauerte beinahe eine halbe Stunde. Darunter war die Einführung einer 13. Auszahlung der Familienbeihilfe, was vor allem die ÖVP gefordert hatte. Die Umsatzsteuer für Medikamente wurde damals halbiert, von 20 auf zehn Prozent. Die vergünstigte Umsatzsteuer, die von SPÖ und BZÖ gefordert wurde, macht Medikamente bis heute billiger, bedeutet aber laut dem Fiskalrat, dass der Staat heuer 490 Millionen Euro weniger einnimmt, als wenn es noch den höheren Umsatzsteuersatz geben würde. Die Einführung der 13. Familienbeihilfe, die inzwischen bei Kindern zwischen sechs und 15 Jahren von einem Schulstartgeld ersetzt wurde, kostet heuer 95 Millionen Euro.

Für 13. Familienbeihilfe stimmten damals alle Parteien, ebenso für die Halbierung der Umsatzsteuer. Auch die Studiengebühren wurden damals in der Sitzung 2008 abgeschafft, mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen.

Goodies für ältere Wählerinnen und Wähler

Auffällig ist, dass es eine Gruppe gibt, die fast immer bedacht wird, also zumindest bei drei der vier vergangenen Nationalratswahlen: die Wählergruppe der Pensionistinnen und Pensionisten. In Österreich ist eigentlich seit 20 Jahren fixiert, dass Pensionen regelmäßig und ohne politischen Eingriff erhöht werden, und zwar mit jenem Betrag, der den Anstieg der Verbraucherpreise im Jahr davor widerspiegelt. Tatsächlich wird immer wieder eingegriffen. Wahlzuckerl für Pensionistinnen und Pensionisten machen aktuell ein Drittel der Gesamtbelastung durch Wahlzuckerl seit dem Jahr 2008 aus.

2019 etwa gab es so eine außertourliche, sozial gestaffelte Pensionsanpassung vor den Wahlen, die den Menschen ein Plus deutlich über der Inflationsrate brachte. Kostenpunkt der Maßnahme: 400 Millionen Euro im Jahr laut Fiskalrat. Eine ähnliche Erhöhung für Pensionisten vor der Nationalratswahl 2017 wirkt heuer fort mit Kosten von 114 Millionen Euro. Auch 2008 wurden Pensionen außertourlich um etwas mehr als drei Prozent erhöht, damals wurde zudem auch die Hacklerregelung, die bei besonders vielen Beitragsjahren einen vorverlegten Ruhestand ermöglicht, befristet für fünf Jahre verlängert. 2019 wurde außerdem der Pensionistenabsetzbetrag erhöht. Kostenpunkt: 200 Millionen. Der Absetzbetrag ist eine steuerliche Entlastung.

Die mit Abstand teuersten Wahlzuckerln gab es übrigens 2019. Damals wurde neben den erwähnten Goodies auch eine Valorisierung des Pflegegeldes beschlossen, der Betrag wird seither durch die Inflation nicht mehr laufend entwertet. Ein vielbeachteter Beschluss aus dem Jahr 2017 war das Ende der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe: Bis dahin wurde bei dieser Leistung, obwohl sie aus der Arbeitslosenversicherung kommt, das Partnereinkommen bei der Höhe berücksichtigt. Seither ist das vorbei, Langzeitarbeitslose erhalten somit etwas mehr Geld.

Relative Zurückhaltung gab es übrigens nur im Wahljahr 2013: Damals wurde dafür die besonders umstrittene Pendlerpauschale ausgeweitet. Außerdem wurde für Autofahrer damals der seither bestehende "Pendlereuro" für jeden gefahrenen Kilometer eingeführt. Kostenpunkt: Rund 200 Millionen Euro im Jahr. Die relative Zurückhaltung 2013 hatte wohl auch mit den vielen Beschlüssen aus dem Wahljahr 2008 zu tun.

Der Fiskalrat sieht die Aufstellung der Kosten als Warnung für die Parteien und Bevölkerung im Wahljahr 2024, weil dauerhaft eingesetzte Entlastungen lange fortwirken. Der Fiskalrat hat bereits vergangene Woche mit einer Analyse aufhorchen lassen, wonach Österreichs Defizit, also die errechnete Differenz zwischen Steuereinnahmen und staatlichen Ausgaben, heuer und im kommenden Jahr bei über drei Prozent liegen wird. Das Finanzministerium widerspricht dieser Darstellung.

In der EU gilt, dass ein Staatsdefizit nicht mehr als drei Prozent betragen sollte. In der Pandemie wurden die Regeln außer Kraft gesetzt, seit 2024 sind mögliche Sanktionen als Folge von Verstößen wieder denkbar. Entscheidend dafür wird sein, wie die EU-Kommission die Lage in ihrer neuen Prognose im Mai bewertet. Sollte sie auch ein Defizit von über drei Prozent sehen, muss zunächst beurteilt werden, ob es vertretbare Gründe wie ein außergewöhnliches Ereignis oder eine besondere Budgetbelastung gibt. Wenn das der Fall ist, wird kein Verfahren der EU wegen Regelverstößen eingeleitet, welches vor allem politisch unangenehm wäre. Politische Empfehlungen dazu, wie weit das Defizit zu senken ist, kämen allerdings dennoch. (András Szigetvari, 22.4.2024)