Pello Otxandiano, der Spitzenkandidat der seperatistischen EH Bildu, bejubelt den Wahlerfolg.
AFP/ANDER GILLENEA

"Historisch" ist wohl das Wort, das von den Vertretern von EH Bildu am Sonntag am öftesten zu hören war. Nach Auszählung von etwas über 98 Prozent der Stimmen war klar: Das nationalistische Linksbündnis, dem auch das einstige politische Umfeld der 2018 nach jahrelanger Inaktivität endgültig aufgelösten bewaffneten Separatistenorganisation ETA angehört, erreichte 32,2 Prozent der abgegebenen Stimmen und konnte erstmals mit der seit über 40 Jahren mit einer kurzen Unterbrechung im Baskenland regierenden konservativen Baskisch Nationalistischen Partei (PNV) auf 27 Sitze für Abgeordnete im Autonomieparlament gleichziehen. 2020 lagen noch zehn Sitze zwischen beiden nationalistischen Formationen.

Sowohl Parteichef Arnaldo Otegi als auch EH-Bildu-Spitzenkandidat Pello Otxandiano redeten von "einer neuen politischen Karte", die einen "neuen politischen Zyklus" einleiten würde. Knapp 342.000 Basken und Baskinnen wählten EH Bildu. Das sind rund 100.000 mehr als vor vier Jahren. EH Bildu gewann die Wahlen in zwei der drei Baskenprovinzen, die in Spanien eine weitgehende Autonomie genießen. Eine Landkarte im baskischen Fernsehen zeigt, das die Gemeinden, in den EH Bildu die PNV als stärkste Kraft ablöst, erneut deutlich zugenommen haben. Bereits bei den Kommunalwahlen im vergangenen Mai hatten die Linksnationalisten mehr Gemeinderäte erzielt als die PNV. Die auf einem Markt in Bilbao versammelten EH-Bildu-Anhänger feierten dies mit Rufen nach der Unabhängigkeit des Baskenlandes.

Verhaltene Siegesfeier

In der Parteizentrale der PNV versuchten derweil sowohl Parteichef Andoni Ortuzar als auch Spitzenkandidat Imanol Pradales das Ergebnis schönzureden. "Die PNV hat einmal mehr gewonnen", erklärte Ortuzar unter pflichtbewussten Jubelrufen. Die PNV erzielte 34,9 Prozent und damit gerade einmal 29.000 Stimmen mehr als EH Bildu. Ein schwacher Trost angesichts des Verlustes von vier Abgeordneten und der Vormachtstellung in zwei der drei Provinzen.

Kandidat Pradales beansprucht für sich das Amt des Lehendakari, des baskischen Regierungschefs. Er versprach, wie bereits im Wahlkampf, eine Erneuerung der PNV-Politik. Seine Partei wird, daran besteht kein Zweifel, die Regierungskoalition mit den in Madrid regierenden Sozialisten im Baskenland – der PSE – weiterführen. Diese erzielte zwei Sitze mehr als noch vor vier Jahren. PNV und PSE stellen damit gemeinsam 39 der insgesamt 75 Abgeordneten im Baskenparlament.

Mit auf der Bühne bei der PNV-Feier stand der bisherige baskische Regierungschef Iñigo Urkullu. Die PNV hatte ihn überraschend durch den jüngeren Imanol Pradales ersetzt. Dieser Schachzug sollte den Willen zur Erneuerung bekräftigen und so den stetigen Abwärtstrend stoppen. Pradales konnte zumindest einen knappen Wahlsieg halten. Die Umfragen in den letzten Wochen sahen dies nicht als selbstverständlich an.

Podemos schneidet schlecht ab

Außer PNV, EH Bildu und PSE zieht auch der konservative spanische Partido Popular (PP) (9,1 Prozent) ins neue Autonomieparlament ein. Er erreichte sieben statt bisher sechs Sitze. Die rechtsextreme VOX (zwei Prozent) kann ihre einzige Abgeordnete halten.

Größter Verlierer der Wahlen vom Sonntag ist Podemos (2,2 Prozent). Vor vier Jahren hatten die spanischen Linksalternativen noch sechs und 2016 gar elf Abgeordnete, jetzt keinen mehr. Die andere, im gleichen politischen Umfeld angesiedelte politische Kraft, Sumar (3,3 Prozent), die in Madrid mitregiert, erzielte gerade einmal einen Abgeordneten. Ein Großteil der linksalternativen Wählerschaft hat dieses Mal wohl EH Bildu die Stimme gegeben. (Reiner Wandler aus Madrid, 22.4.2024)