Kuba Touristen
Menschen, die finanzielle Mittel haben, sind weniger vom Staat abhängig und können in Bildung investieren. Doch rechtfertigt das den Vergnügungsurlaub in einer problematischen Region?
REUTERS/Alexandre Meneghini

Für

Touristen sind Investoren. Sie bringen Geld in ihr Zielland, bezahlen damit Hotels, Restaurants und Taxifahrer. Indirekt profitieren davon die jeweiligen Regime: etwa über Tourismusabgaben oder zusätzliche Steuereinnahmen. Ein Großteil des Geldes geht aber an Menschen und Unternehmen vor Ort, die meist wenig bis gar nichts für die Politik ihres Landes können.

Wohin das Geld genau fließt, hat man als Tourist - zumindest in einem gewissen Rahmen - selbst in der Hand. Wer in kleineren Herbergen nächtigt anstatt in großen Tourismuspalästen, kann eher davon ausgehen, dass die Mittel am richtigen Ort landen. "Vieles davon können Touristen mit bewusster Planung im Voraus steuern", sagt Anna Burton, Tourismusexpertin beim Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo)."Wer will, dass das Geld in der Bevölkerung bleibt, sollte kleinere Unternehmen unterstützen und nicht Ketten, die möglicherweise regimenahe sind." Wachsender Wohlstand führt laut der Modernisierungstheorie zu mehr Demokratie.

Menschen, die finanzielle Mittel haben, sind weniger vom Staat abhängig und können in Bildung investieren. Das stärkt das politische Bewusstsein und den Durst nach Mitsprache. "Es ist natürlich immer schwierig zu sagen, was zuerst da war: der Wohlstand oder die Demokratie", betont Burton. Es gebe aber positive Beispiele, etwa Südkorea. "Da hat man sehr viel in den Tourismus investiert und in den vergangenen Jahren auch eine starke demokratische Bewegung gesehen." Abseits der rein wirtschaftlichen Fragen öffnet der Tourismus ein Land nach außen. Er bringt neue Ideen und kulturellen Austausch, ist Burton überzeugt. "Es übt Druck auf autoritäre Regime aus, wenn sie sich öffnen, zur Schau stellen und damit angreifbar machen." (Jakob Pflügl)

Wider

Am Strand Sonne tanken, ein Gläschen Wein schlürfen, mit Blick aufs Meer – inklusive einer Prise Exotik. Vietnam ist mittlerweile ein wahrer Touristenmagnet. Es locken wunderschöne Sandstrände und anmutige Tempel. Der eine denkt bei Urlaub an Sonne und Meer, der andere will lieber fischen. Auch das nicht ohne einen Hauch Extra­vaganz. Auf der russischen Halbinsel Kamtschatka lassen sich solche Träume verwirklichen, inmitten tropisch anmutender Vegetation mit Vulkanen und malerischen Bergspitzen. Gut für Erzählungen im Freundeskreis, schmückt auch jeden Instagram-Account.

Es gibt Länder, wo man gerne hinwollte: schöne Fleckchen Erde in Diktaturen wie Kuba oder Vietnam, in autokratisch regierten Staaten wie Russland, dort, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden, wo im Gefängnis landet, wer unliebsame Meinungen äußert. Muss Urlaub dort sein? Florian Krause lehrt am Institut für Wirtschaftsethik an der Uni St. Gallen. Er kennt zahlreiche Argumente, die dagegen sprechen. Lasse ich Geld dort, unterstütze ich ein Regime, stärke dessen Politik. Wifo-Forscherin Anna Burton sieht ein weiteres Pro­blem: "Autoritäre Regime nutzen den Tourismus, um sich zu legitimieren. Das haben wir zuletzt vor allem mit Sportveranstaltungen gesehen."

Pauschalbewertungen sind schwierig, räumt Wirtschaftsethiker Krause ein. "Gut ist schon mal, wenn man sich bewusst ist, was man da tut und welche positiven und negativen Aspekte damit verbunden sein können. Die Abwägung unterschiedlicher Motive macht es aus." Die Rechnung "Wohlstand ist gleich mehr Demokratie" geht laut Tourismusforscherin Anna Burton jedenfalls nicht immer auf. Vietnam habe aufgrund des Tourismus in den letzten Jahren sehr starke Wohlstandszuwächse erfahren, "ist dadurch aber nicht unbedingt demokratischer geworden". (Regina Bruckner)