War es das jetzt? Einmal mehr beginnt in der Realität des neuen Nahen Ostens, der noch schlimmer ist als der alte, ein banges Warten. Israel hat in der Nacht zum Freitag auf den ersten Angriff von iranischem Territorium aus fünf Tage zuvor militärisch reagiert. Die Antwort erfolgte ebenfalls auf iranisches Territorium: eine Klarstellung, womit der Iran im Falle weiterer Schläge zu rechnen hat.

Die Lage bleibt angespannt.
AFP/ATTA KENARE

Der israelische Gegenangriff ist dennoch in mehrfacher Hinsicht unter der Eskalationsschwelle geblieben – immer unter der Prämisse, dass man alles weiß und dass nichts mehr nachkommt: Er war, sowohl was den Einsatz der Mittel als auch was die Anzahl der Ziele anbelangt, kleiner als der iranische. Ein Understatement. Und die Israelis halten, wie meist, ihre Deckung aufrecht und trommeln sich nicht, was die Iraner vor fünf Tagen getan haben, wie die Gorillas auf die Brust.

Bekannte Ambiguität

Diese israelische "Ambiguität" ist auch aus dem Atomwaffenbereich vertraut: Israel ist ein Atomwaffenstaat. Aber indem es diesen Status nicht deklariert, entlastet es seit Jahrzehnten andere regionale Staaten zumindest formal, sich auch solche anschaffen zu müssen. Das klingt verquer, aber so funktioniert Politik (auch). Und indem es nun dem iranischen Regime seinen Angriff nicht unter die Nase reibt, erlaubt ihm Israel, zu tun, als sei ohnehin nichts passiert.

Die Botschaft war dabei ganz klar, auch durch die Wahl des Angriffsorts: In der Nähe von Isfahan, in Natanz, befinden sich kritische Teile des iranischen Atomprogramms, das schon viel früher Ziel von israelischen Sabotageakten war. Das ist auch eine Klarstellung für die Zukunft: Das iranische Urananreicherungsprogramm ist die größte strategische Sorge Israels. Wenn der Iran den nordkoreanischen Weg zu gehen beabsichtigt, sich durch eine Atombewaffnung unangreifbar zu machen, wird Israel das nicht dulden. Die Variante, seine offizielle Doktrin eines zivilen Atomprogramms zu ändern, wird ja in Teheran mehr oder weniger offen diskutiert.

Zentrifugen zur Urananreicherung im iranischen Natanz.
AP

Der Ball ist damit wieder beim Iran, der für den Fall eines israelischen Gegenschlags eine Reaktion angekündigt hat, sich jedoch jetzt auch ganz gut drücken könnte. Der Preis, den Teheran bereits zahlt, bemisst sich nicht in ein paar Explosionen über Isfahan. Das iranische Raketenprogramm rückt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit – und neuer internationaler Sanktionen. Der Iran riskiert, sollte er weitermachen, nicht nur Ziel der Israelis, sondern auch der USA zu werden.

Politischer Kollateralschaden

Auch politisch ist der Kollateralschaden groß: Die internationale Solidarität, die Israel aufgrund seiner Kriegsführung im Gazastreifen fast verloren hat, hat sich hinter dem Opfer des iranischen Angriffs versammelt. Für die Palästinenser hat Teheran nichts erreicht. Die arabischen Staaten wollen bei aller Empörung über Israel keinen Krieg, schon gar nicht einen von Teheran angeführten.

Beruhigt zurücklehnen kann man sich dennoch nicht. Zu viel ist im Iran in der letzten Phase der Khamenei-Ära in Bewegung, um auf iranischen Pragmatismus setzen zu können. Der Iran kann auch noch anderswo viel Ärger machen, in der Straße von Hormuz im Persischen Golf oder durch seine Stellvertreter. Auch in Israel gibt es Kräfte, die fürs Weitermachen plädieren. Aber die sitzen einstweilen nicht an den roten Knöpfen. (Gudrun Harrer, 19.4.2024)