Klimaschutz, ja bitte – aber nicht zulasten der Einkommensschwachen. So in etwa können die klimapolitischen Pläne der SPÖ zusammengefasst werden. In der Praxis stellt diese Kombination immer wieder eine Gratwanderung dar. "Die SPÖ begreift die Klimafrage auch als Verteilungsfrage", heißt es auf der Homepage der Roten. Was aber will die Partei konkret im Klimaschutz weiterbringen, sollte sie an der nächsten Regierung beteiligt sein? Darüber hat DER STANDARD in diesem Serienteil zu Klima im Wahlkampf mit der roten Klimasprecherin Julia Herr gesprochen. Den Serienteil zur Klimapolitik der FPÖ finden Sie hier, jenen zum Programm der Neos hier.

Ein Auto wird betankt.
Sollte die SPÖ in die Regierung kommen, will sie den CO2-Preis aussetzen, solange die Inflation so hoch ist.
IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Nicht der jährliche Sommerurlaub sei das Problem im Klimabereich, heißt es auf der SPÖ-Homepage, "sondern die Blockade von ÖVP, Wirtschaftskammer und Co". Doch auch für die SPÖ hatte das Thema in der Vergangenheit nur geringe Priorität. So stellte die Partei in keiner der Regierungen der vergangenen Jahrzehnte, in der sie beteiligt war, einen Umweltminister oder eine Umweltministerin. Vor allem in Wien, wo die SPÖ den Bürgermeistersessel innehat, musste sich die Partei angesichts mangelhafter Radinfrastruktur und ihrer Unterstützung für die Stadtstraße viel Kritik von Klimaschützern gefallen lassen.

Mittlerweile hat es das Klimathema aber auch in die Mitte der SPÖ geschafft – und soll im Wahlkampf einen entsprechenden Platz einnehmen. Ein "Green New Deal" soll Österreich auf Klimakurs bringen, so die Ideen von Parteichef Andreas Babler. Als Grundpfeiler dafür sehen die Roten einen mit 20 Milliarden Euro dotierten Transformationsfonds für die Industrie, eine Arbeitsstiftung für Umweltjobs und den Ausbau der Öffis.

Zu wenige grüne Jobs

Die für eine grüne Wende fehlenden Arbeitsplätze sind auch unter den Hauptkritikpunkten der Sozialdemokraten an der türkis-grünen Klimapolitik. Pläne wie eine Anhebung der Sanierungsrate oder der Ausbau der Öffis seien auf dem Papier gut, "aber uns fehlen die Arbeitskräfte, die das tatsächlich auf den Boden bringen sollen", kritisiert Herr. Die SPÖ will daher Ausbildungs- und Umschulungsprogramme forcieren, die sogenannte Green Jobs zum Ziel haben.

Sollte die SPÖ Teil der nächsten Regierung sein, will sie auf jeden Fall einiges anders machen, etwa beim CO2-Preis. Diesen will die Partei auf Eis legen: "Solange die Inflation in Österreich weiterhin so hoch ist, gehört die CO2-Steuer ausgesetzt." Wie hoch der Effekt tatsächlich ist, erklärt Wifo-Ökonom Josef Baumgartner: Würde der derzeitige CO2-Preis von 45 Euro je Tonne mit 1. Juni wegfallen, würde das die Inflationsrate für das Gesamtjahr 2024 um rund einen Viertelprozentpunkt senken – vorausgesetzt, die Energiepreise bleiben auf dem aktuellen Niveau. Würde sie mit 1. Jänner 2025 auf null gesetzt werden, würde die Inflationsrate im Folgejahr um rund einen halben Prozentpunkt niedriger ausfallen.

Ab 2027 wird es auf EU-Ebene jedoch so oder so eine Ausweitung der CO2-Bepreisung geben, die auch den Verkehr und den Gebäudesektor umfassen wird. Ein Aussetzen hätte also nur eine relativ kurze Entlastung zur Folge. Babler argumentierte schon in der Vergangenheit, dass der CO2-Preis "überhaupt keinen Lenkungseffekt" habe. Ein Aussetzen würde das Problem nicht lösen – im Gegenteil: Klimaforscher betonen regelmäßig, dass der Preis angehoben werden müsse, um einen Lenkungseffekt zu erzielen.

Andreas Babler hält eine Rede.
SPÖ-Chef Andreas Babler will Österreichs Industrie ökologisieren.
APA/EXPA/ERICH SPIESS

Ein Aussetzen des CO2-Preises würde auch ein – zumindest temporäres – Ende des Klimabonus bedeuten. Diesen will die Partei insgesamt reformieren und sozial treffsicherer machen. "Es braucht natürlich eine Rückvergütung", sagt Herr. "Aber die Treffsicherheit einer Postleitzahl – sie bestimmt derzeit die Höhe der Rückvergütung – geht gegen null."

Grundsätzlich unterstützen die Roten das Ziel der Klimaneutralität bis 2040. "Nachdem wir die letzten Jahre da nicht geglänzt haben, ist die Frage, ob das überhaupt machbar ist", meint Herr. Sie kritisiert, dass die Regierung keine konkreten Daten vorgelegt hätte, was eine Nettonull in 16 Jahren konkret bedeute. Das stimmt, die Wissenschaft hat sich hingegen sehr genaue Überlegungen dazu gemacht und entsprechende Analysen veröffentlicht.

Schwierige Heizungsfrage

Klimaneutralität wird sich jedenfalls nur dann ausgehen, wenn nicht mehr fossil geheizt wird – was für die SPÖ zur Verteilungsfrage wird. Auf ein Verbot fossiler Heizungen angesprochen, ging die Abgeordnete auf mehrfache Nachfrage nicht ein. "Wir wollen niemanden bestrafen, wir wollen es allen ermöglichen, dass sie ihre Heizung austauschen können. Das ist natürlich eine soziale Frage“, lautet die Antwort der Roten. Ziel sei es, aus der fossilen Raumwärme auszusteigen. Aber nicht jeder Haushalt könne sich die Kosten für den Tausch leisten. Zwar gebe es eine Förderschiene für einkommensschwache Haushalte, diese setze jedoch voraus, dass Haushalte die Kosten für den Heizungstausch vorfinanzieren müssten, so die Kritik.

Der öffentliche Verkehr soll aus Sicht der Roten stark ausgebaut werden. Die Partei will ein Bundesverkehrszielgesetz umsetzen, das eine öffentliche Anbindung zwischen 5 Uhr morgens und Mitternacht im Halbstundentakt sicherstellen soll. Jede Bezirkshauptstadt soll demnach an ein hochrangiges Verkehrsnetz angeschlossen werden. Unerwähnt lässt Herr unterdessen die bereits bestehenden Probleme der ÖBB: zu wenige Züge, Ausfälle und Überlastung. Wie das Problem zu lösen sei? "Es braucht mehr Budget", antwortet die Abgeordnete. Sie kann sich etwa eine Erweiterung des ÖBB-Rahmenplans vorstellen.

Julia Herr bei einer Rede im Parlament.
Abgeordnete Julia Herr will, dass Öffis "so billig wie möglich" sind.
APA/HELMUT FOHRINGER

Beim Thema Gratis-Öffis für alle winkt Herr hingegen ab. Diese wurden etwa in Luxemburg etabliert oder auch im sozialdemokratisch regierten Tallinn. Dennoch sollten Öffis laut der Politikerin "so billig wie möglich sein". Sie kann sich jedoch eine soziale Staffelung bei Öffi-Tickets vorstellen, um einkommensschwache Haushalte mehr zu entlasten. Ein größerer Dorn im Auge ist der Politikerin die Pendlerförderung. "Es ist absurd, dass ein Manager mehr Pendlerpauschale bekommt als seine Sekretärin", sagt Herr. "Jetzt ist es so, dass je mehr ich verdiene, desto mehr Pendlerpauschale bekomme ich – das gehört umgekehrt gedacht." Ziel sei ein Freibetrag, der sich erhöht, wenn der öffentliche Verkehr statt des Autos genützt wird.

Keine neuen Tempolimits

Was den Verkehr angeht, ist die SPÖ gegen eine allgemeine Reduktion der Tempolimits. Anders sehen das Forscherinnen und Forscher der Uni Innsbruck sowie der TU Wien und der Boku: In einem gemeinsamen Schreiben an die Bundesregierung forderten sie eine Temporeduktion auf Österreichs Straßen, um Unfälle und Emissionen zu reduzieren. Eine Reduktion der Treibhausgase will die SPÖ hingegen durch ein Verbot von Privatjets erreichen. Diese belasten die Umwelt angesichts ihrer geringen Transportkapazität überproportional. Innerhalb der Bevölkerung könnten die Roten mit einem Vorstoß punkten: Laut einer Greenpeace-Umfrage ist eine deutliche Mehrheit für das Verbot.

Darüber hinaus ist der SPÖ das fehlende Klimaschutzgesetz ein Dorn im Auge: "Wir sind total planlos unterwegs, es gibt keinen Emissionsreduktionspfad für Landwirtschaft, Industrie oder Verkehr", sagt die Abgeordnete. Sollte die SPÖ in der nächsten Regierung sitzen, wolle sie das Gesetz rasch verabschieden, meint Herr – und zwar mit mehr Erfolg als die Grünen: "Die SPÖ hat es schon einmal geschafft, mit der ÖVP ein Klimaschutzgesetz auf den Weg zu bringen. Wir werden das auch wieder schaffen." (Nora Laufer, 21.4.2024)