Ein Bergbauernhof in der Südsteiermark. Fünf Hektar ist er groß und ideal für Ziegen wie Schafe. Ein Betrieb im Südburgenland, der von Rindern, Direktvermarktung und Urlaub am Bauernhof lebt. Ein Biohof mit Schafen im Mühlviertel. Ein Milchviehbetrieb im Waldviertel. Eine Pferdezucht im Innviertel. Was die Landwirtschaften miteinander verbindet, ist ihre ungewisse Zukunft. Sie suchen Bäuerinnen und Bauern, weil familiäre Nachfolger fehlen.

Österreich zählte im Vorjahr 107.690 bäuerliche Betriebe, um knapp 800 weniger als 2022. Innerhalb von zehn Jahren gab ein Zehntel der Bauernhöfe auf.
JFK / EXPA / picturedesk.com

Mehr als 100 Bauernhöfe in Österreich hoffen über den Verein Perspektive Landwirtschaft den Generationswechsel zu bewältigen. Jährlich finden 15 bis 20 unter ihnen über die Plattform Partner, die ihre Bauernhöfe weiterführen, erzählt Vereinsmitarbeiterin und Agrarwissenschaftlerin Vanessa Kaiser im Gespräch mit dem STANDARD. Die Anfragen häuften sich quer über alle Betriebszweige. Dennoch sei das Thema heikel und tabuisiert. Manche Betriebsleiter zögerten den Schritt bis ins Alter von 80 Jahren hinaus. Dann müsse es oft schnell gehen, um den Hof am Leben zu erhalten.

Ein Drittel der Landwirte kurz vor Pensionsantritt hat keine gesicherten Nachfolger, erhob eine Studie der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft. Marktforscher Keyquest geht von knapp der Hälfte der Bauern aus, die ihre Hofnachfolge trotz fortgeschrittenen Alters nicht geregelt haben. 58 Prozent konnten oder wollten sich nicht darauf festlegen. Ein Viertel habe keine Kinder, oder diese zeigten kein Interesse an Landwirtschaft. Zu mager sind vielerorts die Verdienstmöglichkeiten. Zu groß ist die Arbeitsbelastung, zu gering die gesellschaftliche Anerkennung.

Zwischenmenschliches

Der bei weitem größte Teil der Höfe, der den Sprung in die nächste Generation schafft, bleibt in der Familie. Als Neueinsteiger einen Hof zu kaufen sei in der Praxis kaum möglich, sagt Kaiser. Aber auch außerfamiliäre Übergaben seien schwierig. Kaiser sieht Hürden rechtlicher und steuerlicher Natur. Der Wert eines Grundes etwa bemisst sich innerhalb einer Familie am Einheitsweit, außerhalb am Verkehrswert. "Viel schwerer aber wiegt das Zwischenmenschliche." Für die Vergewisserung, ob eine gute Chemie bestehe, sollten sich Hofübergebende und angehende Landwirte ein gutes Jahr Zeit nehmen.

Wem eigene Kinder fehlen, die als Nachfolger infrage kommen, stößt im Netzwerk Perspektive Landwirtschaft auf 350 mögliche Interessenten. Die Hälfte seien Quereinsteiger, die teils zu idyllische Vorstellungen über die Arbeit mit Vieh, Acker und Urlaubern hätten, sagt Kaiser. Ein Selbsttest des Vereins will dabei helfen, den Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit klarzumachen.

Markus Sandbichler entschied sich im Alter von 24, die Landwirtschaft seiner Familie in die sechste Generation zu führen. 15 Jahre betrieb er den Prentl-Hof am Stadtrand von Wien in Pacht. Seit 2023 ist der Generationswechsel nach zweieinhalb Jahren Vorarbeit in trockenen Tüchern.

Sandbichler räumt offen ein, dass Übergaben unter Geschwistern vielfach nicht friktionsfrei verlaufen. Um einen Betrieb zusammenzuhalten, brauche es Lösungen mit weichenden Erben. Wichtig sei, dass sich nur der harte Kern der Familien einbringe, rät der Landwirt. Denn je näher ein Hof am urbanen Raum sei, desto weniger Verständnis gebe es mitunter für Landwirtschaft und desto stärker sei der Blick auf Immobilien gerichtet.

Loslassen lernen

Loszulassen sei auch für die übergebende Generation schwierig. "Viele wollen, dass ihr Hof weiterlebt, aber genau so, wie sie ihn selbst geführt haben." Doch die Ansprüche an die Zeit änderten sich, und je länger man zuwarte, desto größer werde der Rückstau an Investitionen. "Es braucht Weitblick, um Neues zuzulassen."

Sandbichler bewirtschaftet 85 Hektar. Größter Geschäftszweig seines Biobetriebs in Favoriten ist Ackerbau, was durchaus zu Spannungsfeldern führe. "Was für uns Felder sind, ist für viele Wiener Erholungsgebiet." Andererseits biete die Nähe zur Großstadt gute Absatzchancen. Seit sieben Jahren übt sich der Landwirt, der zuvor an der Boku studierte, in der Direktvermarktung. Seit 2019 hält er in mobilen Ställen mit viel Auslauf ins Grüne Vorstadthühner. Jüngstes Standbein ist die reitpädagogische Betreuung von Kindern.

Es seien vor allem Betriebe mit starker Diversifizierung, Direktvermarktung, Urlaub am Bauernhof und guter Vernetzung, die sich leichter an die nächste Generation übergeben ließen, ist VP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig überzeugt. Bildung sei dafür ebenso entscheidend wie rechtzeitige familiäre Weichenstellung. Derzeit sei ein Drittel der Betriebsführerinnen und Betriebsführer älter als 55. "Es kommt eine große Zahl an Übergaben auf uns zu." Sei eine Stalltür jedoch einmal geschlossen, bleibe sie dies in der Regel für immer.

Totschnig erinnert an Maßnahmen für designierte Nachfolger. Junglandwirte erhielten etwa 66 Euro je Hektar für ihre ersten 40 Hektar. Eine Niederlassungsprämie sichere ihnen neben um fünf Prozent höheren Investitionsförderungen bis zu 15.000 Euro zu. 47 Prozent der jungen Bauern und Bäuerinnen blickten positiv in die Zukunft, zitiert er Umfragen durch Keyquest. 16 Prozent seien pessimistisch gestimmt.

Wachsende Auflagen

Österreich zählte im Vorjahr 107.690 bäuerliche Betriebe, um knapp 800 weniger als 2022. Innerhalb von zehn Jahren gab infolge des Strukturwandels der Landwirtschaft ein Zehntel der Bauernhöfe auf. Viele sehen sich dem wachsenden bürokratischen Aufwand im Rahmen des Green Deals nicht gewachsen. Der Anteil, den sie am Preis eines Lebensmittels erhalten, sank, während die Auflagen großer Handelsketten an ihre Produktion mehr werden. Europaweit stiegen heuer Landwirte, die fürchten, unter die Räder der Globalisierung zu kommen, auf die Barrikaden.

VP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm vertraut auf die Chancen der Digitalisierung und Automatisierung. Ob GPS- und satellitengesteuerte Bearbeitung von Äckern, Melkroboter und automatisierte Futterausgaben oder Drohnen, die auf Feldern Nützlinge ausbringen – dies alles erlaube präzisere Arbeit, reduziere die Produktionskosten und letztlich auch die Bürokratie, ist sie sich sicher. Damit steigen die Anforderungen an den Nachwuchs. Mit Wissen, wie man Traktor fährt, Kühe hält und Karotten zieht, sei es schon lange nicht mehr getan, meint Plakolm

Er wolle der Elterngeneration gegenüber nicht respektlos sein, sagt Sandbichler, "aber junge Betriebsleiter bringen Dynamik in die Landwirtschaft". Der alte Leitspruch "Übergeben heißt nimmer leben" habe ausgedient. (Verena Kainrath, 19.4.2024)