Das Bild der Sonnenfinsternis zeigt neben zwei Planeten auch zwei Kometen. Die Sichtbarkeit von Soho-5008 kam unerwartet. Der überbelichtete Bereich rund um die Sonne wurde mit Teleskopbildern aus einer anderen Quelle ergänzt.
Lin Zixuan

Bei Sonnenfinsternissen werden am Himmel Dinge sichtbar, die normalerweise verborgen bleiben. Das sorgte bereits in der Vergangenheit für bahnbrechende Beobachtungen, etwa als eine minimale Verschiebung eines Sterns unmittelbar neben der Sonne die Korrektheit der Allgemeinen Relativitätstheorie bestätigte und Albert Einstein endgültig zum Superstar der Physik machte.

Besonders interessant sind die Bedingungen bei einer Sonnenfinsternis für die Beobachtung von Kometen. Sie werden in der Regel aktiver, je näher sie der Sonne kommen. Doch weil sie sich dann auf der Tagseite befinden, werden sie von der Sonne überstrahlt. Die einzige Ausnahme bilden Sonnenfinsternisse. In der Theorie sollten Kometen also während der Bedeckung der Sonne durch den Mond gerade in ihrer schönsten, aktivsten Phase sichtbar sein.

Fotografinnen und Fotografen aus aller Welt waren deshalb bei der Sonnenfinsternis diesen Monat auf der Jagd nach einem ganz besonderen Bild: Bei günstigen Bedingungen, hofften sie, könnte es möglich sein, die verdunkelte Sonne gemeinsam mit dem Kometen 12P/Pons-Brooks abzubilden. Der Komet war bereits in den vergangenen Monaten ein beliebtes Fotomotiv. Als es dann so weit war, scheiterten viele von ihnen aber an schlechten Sichtbedingungen.

Nicht so der chinesische Forscher Lin Zixuan von der Universität Tsinghua. Er fand im Norden von New Hampshire perfekte Verhältnisse vor. Als er seine Aufnahmen auswertete, wartete aber eine Überraschung auf ihn: Auf seinem Bild fand sich nicht nur der Komet 12P/Pons-Brooks, der weniger aktiv war als erhofft, sondern ein zweiter, sonnennäherer Komet. Und dessen Beobachtung durch den Amateur ist eine Sensation.

Suche nach optimalem Wetter

"Ursprünglich wollte ich die Sonnenfinsternis in der Nähe von Dallas, Texas, fotografieren", erzählt Lin dem STANDARD, "aber die ECWMF-Modellvorhersage von Ende März zeigte, dass Texas während der Sonnenfinsternis von Wolkenstörungen betroffen sein könnte. Daher entschied ich mich, vorübergehend in Utica, New York, zu bleiben und nach nahe gelegenen Orten zu suchen, die sich für Fotos während der Sonnenfinsternis eignen."

Am Tag vor der Sonnenfinsternis hätten mehrere Wettermodelle schließlich ähnliche Wolkenvorhersagen geliefert. "Ich entschied mich, die totale Sonnenfinsternis am Lake Connecticut III im Norden von New Hampshire zu fotografieren", sagt Lin. Das sollte laut Vorhersage der südlichste Punkt in der Nähe der Totalitätszone sein, an dem es während der Sonnenfinsternis keine Wolkenstörungen geben würde. "Bei den abschließenden Aufnahmen hatte ich das Glück, dass die Wolken, wie vorhergesagt, erst etwa eine Stunde nach der Finsternis begannen, den sonnennahen Bereich zu beeinträchtigen."

Die Corona der Sonne, in der Mitte ist schwach der Mond zu sehen.
Für diese HDR-Aufnahme der Corona wurde ein Teleskop benutzt.
Lin Zixuan

Digitalkamera mit 40-mm-Objektiv

Das Bild entstand nicht mit einem Teleskop, sondern mit einer konventionellen Digitalkamera. "Es wurde mit einer Canon-6D-Mark-II-Kamera und einem Sigma-40-mm-Objektiv aufgenommen", erklärt Lin. Die Mitte des Bildes ist aber nachbearbeitet, gesteht Lin: "Ich habe die Bilder, die ich mit einem Teleskop aufgenommen habe, in dem überbelichteten Bereich in der Nähe der Sonne zusammengesetzt."

Die große Besonderheit des Bildes liegt abseits des Zentrums. "Ursprünglich wollte ich nur ein Gruppenfoto von der 12P-Sonnenfinsternis und der totalen Sonnenfinsternis machen, und ich hoffte auch, ein Foto von Venus und Jupiter zusammen zu machen", berichtet Lin. Doch dazu kam es nicht: "Aufgrund eines spielenden Hundes, der einige Minuten vor der Sonnenfinsternis mit meinem Gerät kollidierte, wurde die endgültige Komposition leicht verschoben, und Jupiter wurde nicht aufgenommen."

"Sonnenstreifer"

Dafür wurde er mit dem zweiten Kometen belohnt. "Die Aufnahme des Kometen Soho-5008 war ein Zufall. Er war tatsächlich hell genug, dass ich ihn bei der ersten Datenverarbeitung bemerkte." Ein weiteres Bild der Sonnenfinsternis mit dem sonnennäheren der beiden Kometen findet sich hier.

Einen der sogenannten Sonnenstreifer von der Erde aus zu sehen ist äußerst ungewöhnlich. Normalerweise werden diese sonnennahen Kometen von Weltraumteleskopen wie Soho beobachtet, das die Umgebung der Sonne im Blick hat.

Eigentlich konzentriert sich Soho auf die Erforschung der Sonne selbst. Doch es eignet sich auch ausgezeichnet zur Entdeckung von sonnennahen Kometen. Erst im vergangenen März wurde mit Soho der 5000. Komet entdeckt. Auch hier sind Amateurinnen und Amateure eingebunden, im Rahmen des Projekts "Sungrazer" können sie die Soho-Daten nach Kometen durchsuchen. Soho-5000 ging auf das Konto eines tschechischen Kometen-Enthusiasten.

Die Entdeckung von Soho-5008 folgte kurz darauf. Wie der Name nahelegt, gelang auch sie mithilfe von Soho-Daten aus dem Weltraum. Von der Erde aus war er aber bisher noch nicht sichtbar gewesen. "Ich bin auch der erste Bodenbeobachter, der der Internationalen Astronomischen Union das Erscheinen von Soho-5008 gemeldet hat", ist Lin stolz.

Berechtigte Hoffnungen

Ganz überraschend kommt Lins Foto nicht. Bereits im Vorfeld der Sonnenfinsternis hatten Fachleute wie der Astronom Karl Battams vom Naval Research Laboratory im US-amerikanischen Washington, D.C., vermutet, bei der Sonnenfinsternis könnte ein Sonnenstreifer sichtbar werden. Bisher waren im Jahr 2008 und 2020 bei Sonnenfinsternissen Aufnahmen dieser sonnennahen Kometen gelungen.

Doch schon zuvor waren Kometen während Sonnenfinsternissen entdeckt worden. Im Jahr 1948 wurden in der Nähe des afrikanischen Nairobi vom Flugzeug aus Bilder einer Sonnenfinsternis aufgenommen. Dabei erschien ein riesiger Komet, der neben seinem offiziellen Namen C/1948 V1 auch "Finsterniskomet" heißt.

Der "Finsterniskomet" auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1948, angefertigt von einem Flugzeug aus.
gemeinfrei

Sterbender Komet

Für Soho-5008 wird es die letzte Sichtung von der Erde aus bleiben. Bereits kurz nach der Aufnahme des Bildes zerbrach er. Das ist kein Einzelschicksal: Soho hat Ähnliches bereits viele Male beobachtet. Die meisten dieser Kometen, die zu nah an die Sonne fliegen, gehören zur sogenannten Kreutz-Gruppe. Sie sind nach Heinrich Kreutz benannt, der erkannte, dass sie alle aus derselben Himmelsregion kommen. Vermutlich handelt es sich um Bruchstücke eines größeren Kometen.

Lin war nicht der einzige Fotograf, dem eine Aufnahme von Soho-5008 gelang. Ein besonders schönes Bild stammt von Petr Horálek, Physiker an der Schlesischen Universität Opava in Tschechien, der sich zum Zeitpunkt der Sonnenfinsternis in Mexiko befand. Wie bei dem Bild von Lin handelt es sich um eine HDR-Aufnahme, für die mehrere Bilder mit unterschiedlichen Belichtungszeiten kombiniert wurden. In diesem Fall ist das Bild eine Kombination von 83 Einzelaufnahmen.

Dank der immer besser werdenden Technik und der großen Menge an Kreutz-Kometen ist in Zukunft mit weiteren Kometenbildern bei Sonnenfinsternissen zu rechnen. Die nächste Gelegenheit bietet sich in zwei Jahren, wenn Grönland, Island und Spanien eine totale Sonnenfinsternis erleben werden. (Reinhard Kleindl, 20.4.2024)