Brücke über trockenes, dunkelbraunes Flussbett
Hitzewelle in Frankreich 2022: Das Flussbett der Loire war stellenweise ausgetrocknet.
REUTERS/Stephane Mahe

So warm wie in den vergangenen Monaten war es weltweit seit tausenden Jahren nicht mehr – und durch die industriellen Treibhausgasemissionen erwärmt sich der Globus so schnell wie kaum zuvor. Der Trend wird noch jahrzehntelang anhalten. Da liegt es nahe, dass auch Hitzewellen in Europa, dem sich am schnellsten erhitzenden Kontinent, immer häufiger und extremer werden.

Neue Indizien dafür wurden im Rahmen einer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag auf der Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU) in Wien präsentiert. Laut Philipp Aglas-Leitner, der früher auch am Institute of Science and Technology (ISTA) in Klosterneuburg in Niederösterreich tätig war und nun am Climate Change Research Centre der University of New South Wales (Australien) arbeitet, ist bei künftigen Hitzewellen noch viel Luft nach oben. Unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Meteorologen Lukas Brunner von der Universität Wien hat sich der Wissenschafter in der noch nicht publizierten Untersuchung mit 25 Hitzewellen auf der ganzen Welt zwischen den Jahren 2010 und 2023 auseinandergesetzt.

Der Fokus lag dabei auf längeren Sommerhitzewellen, teils mit Rekordtemperaturen und großen Auswirkungen auf größere Teile der Bevölkerung. Die Informationen zu den extremen Wetterlagen der vergangenen Jahre, wie zu deren Länge, zu Durchschnitts- und Maximumtemperaturen, zur kumulierten Hitze über die Dauer der Wellen hinweg und zur Ausdehnung der betroffenen Gebiete, kombinierten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit gängigen Klimaprognosemodellen.

Bisherige Erfahrungen in Schatten gestellt

Zuerst ging man von einem optimistischen Klimaszenario mit einer schnellen und starken Reduktion des Treibhausgasausstoßes (im Bericht des Weltklimarats IPCC als "SSP1-2.6" bezeichnet) aus: "Sogar im Fall von enormen Eindämmungsambitionen ist es immer noch sehr plausibel, dass die schon extremen Werte unsere Referenz-Hitzewellen überschritten werden", betonte Aglas-Leitner. Im Fall Europas müsse man mit deutlich längeren und intensiveren Hitzewellen als der ausgeprägten Hitze- und Dürreperiode des Jahres 2018 rechnen. Diese könnten um das Eineinhalb- oder Zweifache stärker als vor sechs Jahren ausfallen. Gegen Ende des 21. Jahrhunderts würden Wellen, die auch mehrere Monate dauern können, immer wahrscheinlicher, so der Forscher.

Sehe man sich ein besser zu unserem aktuellen Treibhausgas-Emissionspfad passendes Szenario an, habe man es mit einem "komplett anderen Bild, mit viel mehr starken und größeren Hitzewellen" zu tun. Die Analyse spucke auch Ereignisse aus, die Wellen mit einer Dauer von bis zu sechs Monaten entsprechen, die sehr große Teile Europas gleichzeitig betreffen würden. "Im Schnitt würde so eine Hitzewelle fast den ganzen Kontinent beeinflussen", sagte Aglas-Leitner. Man sollte sich also vor Augen führen, dass man es künftig mit Hitzewellen zu tun haben könnte, die die bisherigen Erfahrungen mit solchen Wetterlagen in den Schatten stellen – vor allem, wenn der Treibhausgasausstoß nicht rasch und stark heruntergefahren wird.

Mit dem sich verändernden Sommer in Teilen West- und Mitteleuropas hat sich kürzlich auch Dominik Schumacher vom Departement Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich auseinandergesetzt. In einer im Fachjournal "Communications Earth & Environment" publizierten Studie zeigten er und Kollegen, dass Klimaprognosen die Temperaturanstiege seit 1980 deutlich unterschätzt haben.

Saubere Luft sorgt für stärkere Erhitzung

Sehe man sich die Sommertemperaturen in Europa von 1980 bis 2022 im Vergleich an, dann sind diese in den Monaten Juni bis August um rund 2,3 Grad Celsius angestiegen. Viele Klimamodelle haben diese starke Erwärmung unterschätzt. Das dürfte an der heute klareren Luft über Europa liegen (DER STANDARD berichtete).

Mit dem Rückgang vieler in der Luft schwebenden Teilchen (Aerosole), wie zum Beispiel Rückständen aus Verbrennungsmotoren, die Sonnenstrahlung streuen, ging auch ein gewisser Kühlungsfaktor zurück. Gerade bei regionalen Klimamodellen, die für Länder wie Österreich "eigentlich einen guten Job machen sollten", würden Veränderungen der Aerosolkonzentrationen beziehungsweise der Luftverschmutzung oft nicht berücksichtigt.

Da eine gewisse "Dimmung" der Sonneneinstrahlung durch die früher stärker verschmutzte Luft – ein "künstlicher Kühlungseffekt", der immer mehr verschwindet – nicht eingerechnet wurde, kamen in Prognosen auch geringere Temperaturzunahmen heraus, als über Jahrzehnte hinweg tatsächlich gemessen wurden. So wurde die menschgemachte Erwärmung in regionalen Klimaprognosen unterschätzt, erklärte Schumacher auf der Wiener Geowissenschafterkonferenz: "Das heißt aber nicht, dass Luftverschmutzung gut ist. Sie ist es nicht!" Der kaum berücksichtigte Effekt dürfte aber unseren Blick auf das Klima der Zukunft ändern. (APA, red, 17.4.2024)