Wayne Gretzky
Wayne Gretzky im Trikot der New York Rangers, für die er am 18. April 1999 ein letztes Mal in der NHL auflief. Seine Trikotnummer 99 wird seither nicht mehr vergeben.
IMAGO/USA TODAY Network

Nicht auszudenken, was nicht geschehen wäre, hätte es zwischen der 15-jährigen Phyllis Hockin aus Paris in Ontario und dem 18-jährigen Walter Gretzky bei einer Wiener-Würstchen-Grillerei auf der Farm der Gretzkys in Canning, Ontario, nicht entscheidend gefunkt. Später haben sie geheiratet und fünf Kinder gezeugt. Eines davon: Wayne Douglas Gretzky, der als Eishockeyspieler eine unvergleichliche Karriere hinlegen sollte. Für viele ist oder war "The Great One" schlicht der beste Eishackler aller bisherigen Zeiten, der "Goat" (Greatest of all times).

Bereits sein Vater war ein guter Eishockeyspieler, der auch mit Leidenschaft Matches analysierte. Doch mit 1,75 Metern und nur 64 Kilogramm wurde er als zu schmächtig angesehen, als dass er in besseren Ligen hätte reüssieren können. Von seinen Erfahrungen sollte aber der kleine, schüchterne Wayne profitieren. Auf einer Eisfläche im Hinterhof trainierte der Vater den dreijährigen Sprössling, indem er ihm insbesondere Kreativität und Spielverständnis vermittelte. Später berichtete Gretzky, dass sein 2021 mit 82 verstorbener Vater eine Schlüsselrolle für seine Karriere gespielt habe. "Skate dorthin, wo der Puck hingeht, und nicht dahin, wo er war", soll einer seiner Ratschläge gewesen sein.

Als Fünfjähriger lief der Bub für die Nadrofsky Steelers in seiner Geburtsstadt Brantford auf, lernte sich auch gegen wesentlich Ältere zu behaupten und mischte bald die Schülerliga als Topscorer (378 Tore und 139 Assists in 85 Spielen) auf. Während manche ihn schon als Nachfolger von Robert Gordon "Bobby" Orr, einem kanadischen Verteidiger und einem der besten seines Fachs, sahen, erklärte Gretzky den begnadeten und 2016 verstorbenen Flügelstürmer "Mr Hockey" Gordon Howe, zu seinem Vorbild. Gretzky musste aber schon als Kind ungewöhnlich viel einstecken, bekam schon mal die Schläger der Gegner zu spüren oder musste sich von aufgebrachten Fans verhöhnen lassen, einfach weil er wieder einmal zu gut war.

Abschied im Madison Square Garden

Nachdem Gretzky als 38-Jähriger am 16. April 1999 seinen Rücktritt verkündet hatte, flossen zwei Tage später im New Yorker Madison Square Garden bei seinem letzten Match Tränen, auch wenn er sich im Vorfeld extra "eine Party und keine Beerdigung" gewünscht hatte. "Seit ich drei Jahre alt war, spiele ich Eishockey. Ich liebe dieses Spiel. Aber mein Entschluss, der schwerste meines Lebens, ist richtig und unumstößlich", sagte er vor rund 18.000 Zuschauerinnen und Zuschauern. Vor dem Match hatte Bryan Adams die kanadische Hymne zum Besten gegeben, die vorletzte Zeile von "Oh Canada" auf "We’re gonna miss you, Wayne Gretzky" abgeändert.

In seinem 1.695. NHL-Spiel hatte er als Assistent den zwischenzeitlichen Ausgleich seiner New York Rangers gegen die Pittsburgh Penguins eingeleitet, sein letztes Match aber verloren. Den Siegtreffer in der Verlängerung erzielte just der Tscheche Jaromir Jágr, der mit 766 NHL-Treffern auch einer der erfolgreichsten Eishackler aller Zeiten werden sollte.

Gretzky Schläger
Diesen Schläger hat Gretzky in seinem letzten NHL-Spiel verwendet.
AP/Bebeto Matthews

Nach minutenlangen Ovationen verkündete NHL-Commissioner Gary Bettman: "Wenn Sie dieses Trikot ausgezogen haben, wird nie wieder jemand die Nummer 99 tragen." Gretzky wurde sieben Monate und nicht wie üblich erst drei Jahre später in die Hockey Hall of Fame aufgenommen. Die Universität von Alberta verlieh ihm 2000 einen Ehrendoktortitel.

Der 1,83 Meter große und 84 Kilo schwere Linksschütze agierte meist als zentraler Stürmer (Center). Sein Spielverständnis gründete auf Antizipation, Agilität und Innovation. Er vermochte mehrere Schritte vorauszudenken, Bewegungen der Beteiligten vorherzusehen, und positionierte sich entsprechend. Er ahnte, wohin der Puck flutschen würde und führte den richtigen Zug zur richtigen Zeit aus. Gerne hielt er sich auch hinter dem gegnerischen Tor ("Gretzkys Büro") auf.

Flut an Rekorden

In seiner 20 Jahre dauernden Karriere in der National Hockey League spielte Gretzky für die Edmonton Oilers, Los Angeles Kings, St. Louis Blues und Rangers und brachte es bis zu seinem Rücktritt auf sagenhafte 61 NHL-Rekorde. Herausragend sind etwa seine vier Stanley-Cup-Triumphe mit den Edmonton Oilers (1984, 1985, 1987 und 1988), bei denen er seit 2015 Mitbesitzer ist, 92 Treffer in 80 Spielen einer Saison oder 163 Assists in einer anderen. Insgesamt 894 NHL-Tore, 1.963 Assists sowie 2.857 Scorerpunkte in 1.487 Spielen der regulären Saisonen sind bislang ebenso unerreicht wie der neunmalige Gewinn (zwischen 1980 und 1989) der Hart Memorial Trophy für den wertvollsten Spieler oder der zehnmalige Gewinn der Art-Ross-Trophäe für die höchste Punktzahl. Alexander Owetschkin hat als zweitbester NHL-Schütze übrigens 853 Mal genetzt.

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NHL

In einer Statistik wurde Gretzky unlängst eingeholt. Der Kanadier Sidney Crosby (36) von den Penguins hat zum insgesamt 19. Mal in einer NHL-Saison im Schnitt mindestens einen Punkt pro Partie geschafft. Damit hat er zu Gretzky aufgeschlossen, dem dieses Kunststück ebenso oft gelungen war. Crosby hält nun bei 1.584 Punkten (587 Tore und 997 Assists) in 1.264 Spielen.

Den Weltmeistertitel als Spieler hatte Gretzky verpasst. 1982 wurde er mit Kanada Dritter, 1996 Zweiter. Bei seinem einzigen Olympiaauftritt 1998 in Nagano, als erstmals NHL-Profis im Zeichen der fünf Ringe starten durften, mussten sich die Ahornblätter Finnland im Spiel um Bronze geschlagen geben. Dafür holte er mit Kanada dreimal Gold beim prestigeträchtigen Canada Cup (1984, 1987 und 1991).

Als Trainer war er weit weniger erfolgreich. Als Chefcoach der Phoenix Coyotes, bei denen er von 2005 bis 2009 Mitbesitzer war, verpasste er in sämtlichen vier Saisonen den Einzug in die Playoffs. Dafür aber gewann er als geschäftsführender Direktor von Hockey Canada sowohl bei Olympia 2002 in Salt Lake City als auch bei der WM 2004 in Tschechien Gold.

Zu Besuch in Österreich

Auf europäischem Eis war Gretzky ein rarer Gast. 2016 stattete er Österreich einen Besuch ab, besichtigte die Akademie von Red Bull und war bei der Formel 1 in Spielberg dabei. Sein Bruder Brent hatte 1997/98 eine Saison bei EC Graz gespielt und soll noch lange von der steirischen Hauptstadt geschwärmt haben. Er selbst sollte bei der WM 2005 in Wien und Innsbruck als Kanadas Teamchef hinter der Bande stehen, sagte jedoch ab, weil bei seiner Mutter Phyllis Krebs diagnostiziert worden war. Sie verstarb noch im selben Jahr.

Die Gretzkys stammen aus Grodno im heutigen Belarus, sie waren bei Ausbruch der Russischen Revolution 1917 geflohen und über Chicago nach Kanada gekommen. Verheiratet ist der 63-Jährige mit der gleichaltrigen Janet Jones, einer Schauspielerin, die er bei der TV-Show "Dance Fever" kennengelernt und die etwa bei Police Academy 5 eine Polizistin gespielt hatte. Sie haben fünf Kinder.

Wayne Gretzky
Wayne Gretzky (rechts oben) bei einem All-Star-Spiel Anfang Februar in Toronto.
AFP/GETTY IMAGES NORTH AMERICA/COLE Burston

Gretzky hat eine Foundation ins Leben gerufen, die benachteiligten Kindern die Chance geben soll, Eishockey zu lernen. In Edmonton ziert eine Bronzestatue das Eisstadion, und eine Hauptverkehrsader trägt seinen Namen. In seiner Heimatstadt Brantford wurden ebenfalls eine Straße und ein Sportcenter nach ihm benannt. Eine Institution gibt es seit 2020 aber nicht mehr: die Sportbar Wayne Gretzky's in Toronto, die für Omas Teigtaschen bekannt war und nach 27 Jahren einem Wohnungsprojekt weichen musste. (Thomas Hirner, 18.4.2024)