Kirsten Dunst im roten Dunst. Kameramann Rob Hardy hat einen Blick für einprägsame Bilder.
Kirsten Dunst im roten Dunst: Kameramann Rob Hardy hat einen Blick für einprägsame Bilder.
A24 Films

In Die Farbe der Wahrheit schrieb die Kulturwissenschafterin und Filmemacherin Hito Steyrl über die dokumentarische Funktion von Kriegsfotografien. Seit dem Irakkrieg 2003 hätten Handykamerabilder überhandgenommen, die aufgrund ihrer unscharfen Auflösung die Gräuel eines Krieges nur noch abstrakt erahnen ließen. In Alex Garlands nun in den Kinos anlaufender Politdystopie Civil War ist das Gegenteil der Fall. Hier hat jedes Bild eine unbequeme Schärfe. Dazu kommt: Die Bildausschnitte sind mit Bedacht gewählt, manchmal sind sie sogar ein bisschen arrangiert.

Was zeigen aber die Bilder in Civil War? Kampfeinsätze, Massengräber, Sterbende und Tote. Hinter der Filmkamera steht Rob Hardy, Alex Garlands erprobter Kameramann. Im Film selbst geht es aber um zwei Kriegsfotografinnen: Lee (Kirsten Dunst spielt sie als bewährte und desillusionierte Agenturfotografin) und Jessie (Priscillas Cailee Spaeny). Jessie ist jung und ehrgeizig. Sie fotografiert mit einer Analogfilmkamera und blickt zu Lee auf, die genauso heißt wie ihr Vorbild Lee Miller. Und tatsächlich hat Dunsts Lee einen gewissen Ruf, vor allem aber – und das sieht man in ihrem Gesicht – hat sie schon zu viel gesehen.

Präsidentenputsch

Nur muss Lee dafür nicht mehr in ferne Kriegsgebiete reisen, denn Civil War spielt in den USA während eines fiktiven zweiten amerikanischen Bürgerkriegs. Über dessen Ursachen erfährt man nur so viel: Der Präsident (Nick Offerman) hat das FBI abgeschafft und sich zu einer dritten Amtszeit geputscht, die er mit Waffengewalt verteidigt. Dagegen hat sich mit den Western Forces eine Allianz zwischen Texas und Kalifornien gebildet. Es ist kein Zufall, dass Garland einen roten und einen blauen Staat zusammenschmiedet, denn der Film bleibt hinsichtlich der ideologischen Ausrichtung von Freund und Feind weitgehend unübersichtlich.

In diesem chaotischen, von größeren und kleineren Kämpfen durchzogenen Amerika gehen Lee und Jessie gemeinsam mit den Journalisten Joel (Wagner Moura) und Sammy (Stephen McKinley Henderson) ihrer Arbeit nach. Letzterer ist ein Relikt dessen, was einmal die New York Times war. Diese hat zwar kein Gewicht mehr, aber dennoch gibt es zwischen den Figuren interessante Spannungen aufgrund von Alter, Status und Erfahrung. Die Junge, Jessie, und der Alte, Sammy, sind jedenfalls nur Anhängsel von Lee und Joel. Deren Plan ist es, von New York nach Washington, D.C., zu reisen, um den Präsidenten zu interviewen. Eine gewagte Aktion, denn dieser hat sich bereits seit Monaten im stark umkämpften weißen Haus verbarrikadiert.

A24

Auf dem Weg zum Debattenfilm?

Der britische Regisseur Alex Garland hat sich mit dystopischen Zukunftsszenarien, die ihren Finger in aktuelle Wunden legen, einen Namen gemacht. Von ihm stammen Romane und Drehbücher, etwa The Beach oder 28 Days Later (beide von Danny Boyle verfilmt) und eigene Filme, wie der Sci-Fi-Erfolg Ex Machina und der Misserfolg Men, der durch die seltsame Art und Weise, wie er dem Konzept toxischer Männlichkeit auf den Zahn fühlt, für gespaltene Kritiken gesorgt hat.

Auch Civil War könnte zum Debattenfilm werden, gerade wegen seiner scheinbar abwesenden Parteinahme. In den USA hat der bislang teuerste A24-Film letztes Wochenende die Kinocharts geknackt, in den Medien wird er rege rezipiert. Einen Kriegsfilm, wie der Trailer suggeriert, darf man sich aber nicht erwarten. Garlands Fokus liegt auf den Journalisten, die auf der Jagd nach eindringlichen Bildern und einer guten Story sind. Wie er selbst.

Verbeugung vor New Hollywood

Das Resultat ist ein nervenaufreibender Roadtrip durch ein von Gewalt zerpflügtes Amerika mit einer fesselnden Bild- und Tonregie, in der fotografischer Realismus schnell in ästhetische Überhöhung kippt und beklemmende Stille durch Songs von Suicide bis De La Soul abgelöst wird. Garland verbeugt sich, so der Eindruck, sowohl vor Zombie-Apokalypsen als auch vor den Antikriegsfilmen New Hollywoods.

Jessie (Cailee Spaeny) und Joel (Wagner Moura) auf der Pirsch. Mal ist das Bild realistisch, mal ist es von einer bedrohlichen Schönheit.
Jessie (Cailee Spaeny) und Joel (Wagner Moura) auf der Pirsch. Mal ist das Bild realistisch, mal ist es von einer beklemmenden Schönheit.
A24 Films

Schließlich gibt es Szenen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Etwa die, in der die Gruppe auf einen rotbebrillten Jesse Plemons trifft, der noch wenige Plätze im Massengrab frei hat und dem es egal ist, dass er es mit amerikanischen Journalisten zu tun hat. "Welche Art von Amerikanern seid ihr?", erwidert er, das Gewehr im Anschlag. Die Antwort fällt so unterschiedlich aus wie die Zusammensetzung der Journalistengruppe, deren Dynamik innerhalb von Sekunden von warmherziger Kollegenschaft zu pragmatischer Kälte umschlagen kann. Denn am Ende geht es darum, das Millionen-Dollar-Foto zu schießen. (Valerie Dirk, 18.4.2024)