In einer Zeit, in der weite Teile der Welt aufrüsten, eine Abrüstungskonferenz zu organisieren mag auf den ersten Blick paradox klingen. Bei genauerer Betrachtung macht Österreichs Versuch, autonome Waffensysteme in solch dynamischen Zeiten in möglichst geordnete Bahnen zu lenken, aber natürlich umso mehr Sinn. Am 29. und 30. April werden rund 130 Staaten dem Ruf Österreichs in die Wiener Hofburg folgen, um sich dort intensiver mit dem Thema autonomer Waffensysteme zu beschäftigen. Nicht umsonst habe man die Konferenz: "Humanity at the Crossroads" genannt, die "Menschheit am Scheideweg" also.

Botschafter Alexander Kmentt und Marit Seyer, Obfrau der Campaign to Stop Killer Robots laden demnächst Menschen und Stimmen aus aller Welt nach Wien, um für mehr Regulierung autonomer Waffensysteme zu kämpfen.
BMEIA/Victoria Rath

Im Interview mit dem STANDARD betont Alexander Kmentt, Österreichs Botschafter für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Non-Proliferation, immer wieder, dass es um "eine echte, fundamentale Weichenstellung für die Menschheit" gehe. Die Abzweigung in Richtung mehr Regulierung nicht zu nehmen, wie man es bei Atomwaffen als Menschheit schon einmal verabsäumt habe, wäre aus Sicht Kmentts ein fataler Fehler. Ja, man habe es wohl mit einem historisch ähnlichen Moment zu tun wie einst bei J. Robert Oppenheimer, dem Vater der Atombombe, glaubt Kmentt. Aber worum geht es?

Seit etwas mehr als zehn Jahren wird auch auf Druck einiger NGOs wie der Campaign to Stop Killer Robots oder Human Rights Watch, aber auch auf Initiative von Staaten wie Österreich, am Uno-Sitz im schweizerischen Genf um einen völkerrechtlichen Vertrag zur Regulierung autonomer Waffensysteme gerungen – also solcher, die aufgrund lernbasierter Modelle auch eigene Entscheidungen treffen, ganz ohne einen Soldaten oder eine Soldatin.

Wenn gemeinhin die Mühlen der Justiz als langsam gelten, wird in der Uno manchmal noch langsamer gemahlen. Nun sei aber "genug diskutiert" worden, und es gelte, langsam "ins Machen zu kommen", fordert Kmentt, dass möglichst bald über etwas Handfestes verhandelt wird – ein Stück neues Völkerrecht sozusagen. Kmentt hat darin Erfahrung, hat er doch die erste Vertragsstaatenkonferenz zum zuvor neu in Kraft getretenen Nuklearwaffenverbotsvertrag unter österreichischem Vorsitz im Juni 2022 geleitet und entscheidend zu diesem Stück Völkerrecht beigetragen.

2023 wurde unter Federführung Österreichs dann jedenfalls die allererste Resolution zu autonomen Waffensystemen in der UN-Generalversammlung eingebracht, die von insgesamt 164 Staaten unterstützt wurde. Das entstandene Momentum will man nun nützen und für den zu erwartenden Bericht des Uno-Generalsekretärs durch die Konferenz weitere wertvolle Inputs liefern. Dem Vernehmen nach sind nicht alle Staaten glücklich über den "Beschleunigungsversuch" am Genfer Prozess vorbei, aber immerhin haben alle Sicherheitsratsmitglieder zugesagt und zeigen damit zumindest Bereitschaft zur Diskussion. Innerhalb Österreichs Parteien herrscht beim Thema seltene Einigkeit für mehr Regulierung. Am Mittwoch wurde ein Entschließungsantrag für eine internationale Regierung einstimmig angenommen.

Gebrochenes Recht

Von der Forderung nach einem generellen Verbot autonomer Systeme ist man mittlerweile weitestgehend abgerückt – aufseiten der Staaten wie auch bei vielen NGOs. Zu gering sind die Chancen, Mehrheiten zu finden, zu fortgeschritten sind die Entwicklungen im Bereich der teil- und vollautonomen Systeme bereits. "Wir haben das eingesehen", sagt Marit Seyer, Obfrau des österreichischen Ablegers der Campaign to Stop Killer Robots. Hoffnung habe sie aber als Aktivistin immer. Am Tag vor der Internationalen Konferenz wird deshalb auch am 28. April für die breite Öffentlichkeit ein zivilgesellschaftliches Forum mit vielen NGOs zum Thema organisiert.

Angesprochen darauf, dass der Mensch auch in seiner jüngeren Geschichte nicht gerade als Friedensengel glänzte, furchtbare Genozide zu verantworten hatte und noch immer etliche Kriegsverbrechen begeht, sagt Kmentt, dass es "durchaus möglich sei, dass in einigen Szenarien die Künstliche Intelligenz vielleicht sogar zivile Opfer reduziert". Die Idee der Autonomie bestehe aber darin, dass die Systeme selbst dazulernen, eigenständige Muster entwickeln. Und ab diesem Moment sei es schwer bis gar nicht zu kontrollieren, und es ergäben sich unglaublich schwierige Fragen der Verantwortlichkeit – und die Frage, was uns als Mensch ausmacht, wenn wir das Töten vollkommen an Maschinen abgeben sollten.

Wie umgehen mit KI? Wie reguliert man eine Rüstungsbranche?
Der Standard / Fatih Aydogdu

Seyer sieht dies ähnlich. Wir seien "keine Nullen und Einsen", sagt sie und ist trotz der Weltlage überzeugt, "dass der Mensch an sich nicht töten will". Dazu sei überhaupt nur ein kleiner Prozentsatz der Gesellschaft imstande. Langfristig würde ein Entmenschlichen des Tötens daher zu mehr Toten führen, ist sie überzeugt.

"Mord ist verboten, und das zweifelt auch niemand an", entgegnet Kmentt jenen Zynikern, die sagen, es sei ein Kampf gegen Windmühlen. Und natürlich werde trotzdem weiterhin gemordet und Recht gebrochen. "Auch Völkerrecht wird laufend gebrochen! Aber wenn wir diese Regeln nicht haben, haben wir lediglich das Recht des Stärkeren." Durch das Aufstellen dieser Normen könne man den größeren Staaten etwas entgegensetzen, auch wenn es ihnen nicht immer recht sei. Darüber hinaus bekomme man auch Hebel in die Hand, um möglichen Rechtsbrechern mehr entgegenzusetzen und Menschen wie Organisationen gegebenenfalls zu sanktionieren.

"Den großen Wurf im Völkerrecht gibt es selten", sagt Kmentt. Viel eher sei Völkerrecht etwas Dynamisches. Aktuell kommt jedenfalls wieder etwas Dynamik in die Sache. (Fabian Sommavilla, 18.4.2024)