Sind wir etwas ganz Besonderes? Seit Nikolaus Kopernikus im 16. Jahrhundert dem irdischen Exzeptionalismus einen empfindlichen Dämpfer verpasste, indem er zeigte, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist, hat sich unser Verständnis von unserem Platz im Kosmos grundlegend geändert. Dass die Erde um ihren Stern kreist und nicht umgekehrt, war nur der Anfang: Wie sich herausstellen sollte, ist weder die Sonne einzigartig noch unsere Galaxie. Vor 30 Jahren erhielt das narzisstische Selbstbild der Erdenbewohner dann einen weiteren schweren Schlag, der bis heute Ohrensausen verursacht: Die Entdeckung der ersten Planeten außerhalb des Sonnensystems ließ erahnen, dass es von Welten im Kosmos nur so wimmeln könnte.

Forschende wollen mit einer neuen Weltraummission schon bald gezielt nach erdgroßen Planeten in der habitablen Zone von sonnenähnlichen Sternen suchen.
NASA Ames/SETI Institute/JPL-Cal

Dieser Verdacht hat sich längst bestätigt. Fast 6000 sogenannte Exoplaneten, die ihre Bahnen um fremde Sterne ziehen, wurden bisher zweifelsfrei nachgewiesen. Praktisch täglich kommen neue Funde dazu – und doch steht die Exoplanetenforschung eigentlich noch am Anfang. Astronominnen und Astronomen gehen inzwischen davon aus, dass es mehr Planeten im Universum gibt als Sterne. Sind darunter auch Erdzwillinge oder sogar Planeten, die noch lebensfreundlicher sind als unserer? Das lässt sich derzeit nicht beantworten, eine zweite Erde wurde noch nicht gefunden. Mithilfe neuer wissenschaftlicher Instrumente könnte sich das bald ändern. Eine Inventur der bisherigen Entdeckungen zeichnet aber schon jetzt ein erstaunliches Bild: Erdähnliche Planeten sind offenbar gar nicht so selten.

"Wir sind noch nicht beim Erdzwilling angekommen, aber wir kennen schon Planeten, die ungefähr die richtige Größe und die richtige Temperatur haben", sagt die Exoplanetenforscherin Monika Lendl von der Universität Genf. "Diese Planeten umkreisen aber Sterne, die deutlich kleiner sind als die Sonne. Sie sind also viel näher am Stern dran als die Erde, und dadurch sind auch die Bedingungen auf diesen Planeten nicht wirklich mit denen auf der Erde vergleichbar."

Vielfältige Supererden

Die Forschung der vergangenen Jahrzehnte hat auch gezeigt, dass es eine überraschend große Vielfalt da draußen gibt – und etliche Beispiele für Planeten, die im Sonnensystem nicht vorkommen. Höllisch heiße Gasplaneten, die in nur wenigen Tagen ihren Stern umrunden, sind ebenso darunter wie Wasserwelten oder Planeten, die aus ihrem System entkommen sind und allein durch das All rasen.

Das rund 40 Lichtjahre von uns entfernte Trappist-System besteht aus mindestens sieben Gesteinsplaneten. Sie dürften ihrem Stern stets dieselbe Seite zuwenden.
NASA/JPL-Caltech/R. Hurt, T. Pyl

Sehr zahlreich sind sogenannte Supererden, die im Sonnensystem interessanterweise ebenfalls nicht zu finden sind: Planeten dieser Klasse haben Massen, die zwischen jener von Erde und Neptun liegen. Manche sind zweimal so groß wie die Erde und könnten theoretisch lebensfreundliche Bedingungen bieten. Andere haben an die zehn Erdmassen und bestehen hauptsächlich aus Gas. Dazwischen gibt es alle möglichen Varianten: Manche Supererden sind vollkommen von Wasser bedeckt, auf anderen brodeln Ozeane aus Lava, wieder andere gleichen gefrorenen Schneebällen.

"Besonders spannend ist, dass viele Exoplanetensysteme grundlegend anders sind als unser Sonnensystem. Exoplanetensysteme sind oft sehr kompakt und haben viele Planeten, die relativ nah am Stern dran sind", sagt Lendl. "Das sind zum Beispiel Systeme aus mehreren Planeten, die sich innerhalb der Entfernung Sonne–Merkur um ihren Stern fast schon zusammenquetschen."

Ewige Nacht

Ein anschauliches Beispiel dafür findet sich "nur" 40 Lichtjahre von uns entfernt: Um den Zwergstern Trappist-1 im Sternbild Wassermann kreisen sieben erdähnliche Gesteinsplaneten. Der innerste Planet ist seinem Stern so nahe, dass er für eine Umrundung nur eineinhalb Tage braucht – der äußerste gerade einmal 19 Tage. Trappist-1 ist deutlich kleiner und kühler als die Sonne, trotz dieser erstaunlich geringen Abstände liegen drei Trappist-Planeten in der sogenannten habitablen Zone ihres Sterns, in der es theoretisch flüssiges Wasser auf der Oberfläche geben könnte.

Die Hoffnungen auf lebensfreundliche Bedingungen im Trappist-System wurden zuletzt aber getrübt: Jüngste Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Planeten aufgrund des starken stellaren Windes ihres Sterns vermutlich keine Atmosphären halten können. Dazu kommt, dass diese Welten Trappist-1 aller Wahrscheinlichkeit nach in gebundener Rotation umkreisen, sie wenden ihrem Stern also immer dieselbe Seite zu. Das sorgt für enorme Temperaturunterschiede zwischen Tag- und Nachtseite. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf einem dieser Planeten irgendwo eine Nische für Leben entstanden ist. Ein richtiger Erdzwilling ist im Trappist-1-System aber nicht zu finden.

Planeten, die ihren Stern in wenigen Tagen vollständig umkreisen, gibt es im Sonnensystem nicht. Dabei scheinen sie keine Seltenheit zu sein.
M. Weiss/CfA

Verborgene Welten

Um Leben zuzulassen, wie wir es kennen, müssen Planeten einige Grundvoraussetzungen erfüllen: Sie müssen Gesteinsplaneten mit etwa der Masse der Erde sein, um einen sonnenähnlichen Stern kreisen und sich genau im richtigen Abstand dazu befinden. Nur dann sind gemäßigte Temperaturen, die Existenz von flüssigem Wasser auf der Oberfläche und die Entstehung einer günstigen und dauerhaften Atmosphäre möglich – Faktoren, die zumindest für Leben auf unserem Heimatplaneten unabdingbar ist. Dass Forschenden bisher noch kein solcher Erdzwilling ins astronomische Netz gegangen ist, muss aber noch lange nicht bedeuten, dass unser Heimatplanet ein beispielloser Sonderfall im Kosmos ist.

"Wir sind momentan einfach noch nicht fähig, eine genaue Kopie unseres Sonnensystems zu entdecken", sagt Lendl. "Wenn wir unser Sonnensystem von außen beobachten würden, sagen wir aus 50 Lichtjahren Entfernung, dann würden wir die kleinen Planeten heute noch nicht finden können. Wir würden den Jupiter sehen und den Saturn, aber die inneren Planeten würden für uns verborgen bleiben."

Maßgeschneidertes Teleskop

Doch schon in wenigen Jahren werden Forschende über ein neues Instrument verfügen, das maßgeschneidert für die Suche nach einer zweiten Erde ist. 2026 soll das Weltraumteleskop Plato (Planetary Transits and Oscillations of Stars) der europäischen Weltraumorganisation Esa starten, um speziell nach erdgroßen Planeten zu fahnden, die um sonnenähnliche Sterne kreisen. Plato ist Teil des Esa-Wissenschaftsprogramms, zu dessen Budget auch das österreichische Klimaministerium beiträgt.

"Der Plan ist, einen großen Himmelsausschnitt langfristig mit einer extrem hohen Präzision zu beobachten", sagt Lendl. "Wenn wir mehrere Jahre lang dieselben Sterne untersuchen, dann ist es nur eine Frage der Wahrscheinlichkeiten, dass wir auch tatsächlich einen kleinen Planeten wie die Erde mit einer Umlaufzeit von ungefähr 360 Tagen um einen Stern, der der Sonne ähnelt, finden werden." Die mit 26 Kameras bestückte Raumsonde Plato arbeitet auf besonders präzise Weise mit der sogenannten Transitmethode, jener Technik, mit der auch der Großteil der bisher bekannten Exoplaneten aufgespürt werden konnte.

Karge Gebirgswelten, höllische Lavaplaneten und eisige Supererden außerhalb des Sonnensystems haben Forschende schon entdeckt. Der Jackpot war noch nicht darunter: ein Erdzwilling.
ESO/M. Kornmesser

Bei der Transitmethode sucht man nach verräterischen Auffälligkeiten im Licht von Sternen: Wenn ein Planet auf seinem Orbit von uns aus gesehen direkt vor seinem Stern vorbeizieht, verdeckt er regelmäßig einen kleinen Teil der Sternenoberfläche. Das sorgt für winzige, messbare Helligkeitsschwankungen, die nicht nur die Existenz des Planeten verraten: "Wenn wir mehrere solcher Transite beobachten, sagt uns das etwas über die Umlaufzeit und darüber, wie groß der Planet ist, weil natürlich ein größerer Planet mehr Licht verdeckt als ein kleinerer", erklärt Lendl.

Wackelnde Sterne

Nicht nur gedimmtes Licht kann die Existenz eines Planeten enthüllen, sondern auch die Bewegung eines Sterns. Gravitation ist keine Einbahnstraße – selbst kleine Planeten bringen große Sterne minimal zum Wackeln. Das lässt sich mithilfe der Radialgeschwindigkeitsmethode feststellen, die sich den Dopplereffekt zunutze macht und Farbverschiebungen durch das geringfügige Wackeln misst. Daraus lässt sich sogar die Exoplanetenmasse ableiten.

Inzwischen können manche Exoplaneten auch direkt beobachtet werden. Das ist technisch besonders herausfordernd, denn man muss dafür das Licht des Sterns verdecken, um seine millionenfach lichtschwächeren Planeten sichtbar zu machen. Für die Suche nach lebensfreundlichen Welten könnte diese Methode noch sehr wichtig werden, sagt der Exoplanetenforscher Luca Fossati vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz. "Der Vorteil dieser Methode ist, dass man nicht auf Transite angewiesen ist und auch Planeten finden könnte, die jetzt im Verborgenen liegen."

Fossati geht davon aus, dass diese Technik auch abseits der Astronomie Anwendungen ermöglichen wird. "Es ist schwierig, so etwas vorherzusagen. Aber die Möglichkeit, winzige Punkte neben millionenfach helleren Lichtquellen sichtbar zu machen, könnte in vielen Bereichen nützlich sein."

Das 2019 ins All gestartete europäische Weltraumteleskop Cheops nimmt bereits bekannte Exoplaneten genauer in den Blick.

Blick in die Atmosphäre

Die Suche nach habitablen Erdzwillingen können auch Instrumente wie das 2021 ins All gestartete James-Webb-Weltraumteleskop und künftig das Extremely Large Telescope voranbringen, das derzeit in der chilenischen Wüste gebaut wird und 2027 als weltgrößtes Spiegelteleskop in Betrieb gehen soll. Wie aber könnte der Nachweis gelingen, dass ein ferner, für uns unerreichbarer Planet tatsächlich bewohnbar ist oder sogar Leben beherbergt? Die richtige Größe, günstige Temperaturen und ein passender Abstand zum Stern bedeuten noch nicht, dass es dort auch wirklich lebensfreundlich ist.

Hinweise könnten atmosphärische Spuren geben, sagt Fossati. Die Gashülle einer fernen Welt lässt sich ebenfalls während eines Transits untersuchen: Wenn der Planet vor seinem Stern vorbeizieht, wird seine Atmosphäre vom Licht durchschienen und gibt Informationen über ihre Zusammensetzung preis. "Wenn wir von Leben ausgehen, wie wir es kennen, wäre die Entdeckung eines Planeten mit einer Atmosphäre, die etwas Sauerstoff und eine sehr geringe Menge an Kohlendioxid enthält, extrem interessant", sagt Fossati. "Auf so einen Planeten würden alle Teleskope ihre Spiegel richten."

"Star Trek"-Universum

Auch Fossati setzt große Hoffnungen in die Plato-Mission: Sie könnte es ermöglichen, an die hundert besonders interessante Exoplaneten genauer zu analysieren und nach verräterischen Atmosphären zu fahnden. "Nehmen wir an, wir finden einen einzigen Planeten unter diesen hundert, bei dem es Hinweise auf lebensfreundliche Bedingungen gibt. Das wäre fantastisch. Aber noch wichtiger wären die Folgen, die sich daraus ergeben würden", sagt Fossati. "Wenn in einer so kleinen Stichprobe ein bewohnbarer Planet ist, würde das heißen, dass wir in einem Star Trek -Universum leben, in dem es überall bewohnbare Planeten gibt."

Leben wir in einem Star Trek-Universum? Welche Folgen hätte diese Erkenntnis für die Menschheit? "Wenn wir wirklich einen unzweifelhaften Beweis dafür hätten, dass extraterrestrisches Leben existiert, würde das wahrscheinlich viele Dummheiten, mit denen wir uns hier auf der Erde auseinandersetzen, in eine andere Perspektive setzen", sagt Monika Lendl. "Das ist zumindest meine Hoffnung." (David Rennert, 1.6.2024)

Dieser Text ist im aktuellen STANDARD-Wissenschaftsmagazin FORSCHUNG erschienen. Das Magazin ist im STANDARD-Onlineshop um € 5,90 erhältlich.