Der bisher letzte Landesparteitag der Wiener SPÖ fand am 28. Mai 2022 in der Wiener Messe statt. Am 20. April stellt sich Landesparteichef Michael Ludwig erneut der Wiederwahl. Bei einigen Anträgen herrscht unter den Delegierten Diskussionsbedarf.
APA/HANS PUNZ

Beim Landesparteitag der Wiener SPÖ am 20. April stehen nicht nur regionale Weichenstellungen für die Partei auf der Agenda. Die Veranstaltung in der Messe Wien dient auch als Wahlkampfauftakt für die kommenden EU-Wahlen im Juni. So widmet sich der vom Wiener Parteivorstand eingebrachte Leitantrag dem Thema EU. Auf 17 Seiten wurde die Bedeutung Wiens für Europa herausgestrichen, aber auch ein ganzer Strauß an Forderungen an Brüssel formuliert.

Im Bereich Gesundheit wird etwa die Wiederansiedelung von Forschung, Entwicklung und Produktion wichtiger Arzneimittel in Europa verlangt, um künftige Engpässe – wie sie zuletzt nach der Covid-19-Pandemie gehäuft auftraten – zu verhindern. Mit einer Überarbeitung des Patentsystems soll eine Privatisierung von Gewinnen nach einer öffentlich finanzierten Forschung und Entwicklung verhindert werden. Um einen Ansturm auf Medizinstudienplätze in Österreich zu verhindern, soll es EU-weit ein Mindestangebot an Studienplätzen pro EU-Staat geben.

Beim Thema Klimaschutz wird darauf verwiesen, dass der Ausbau des europäischen Energienetzes gestärkt werden müsse. Das Programm "Repower EU" müsse umgesetzt werden, "um Österreich unabhängiger von russischem Gas zu machen". Verlangt wird auch eine europaweite Wohnbauoffensive mit EU-Geldern und nationalen Förderungen, um den dringend notwendigen Wohnbedarf zu decken.

Im Bereich der Zuwanderung wird eine Verbesserung der EU-Fachkräfte-Einwanderungsregelungen verlangt. Die Versorgung und Integration von Geflüchteten stelle zudem eine große Herausforderung dar. Gefordert wird mehr finanzielle Unterstützung durch die EU, etwa mit einem europäischen Integrations- und kommunalen Entwicklungsfonds.

Insgesamt 127 SPÖ-Anträge

Neben dem Leitantrag sieht das 227 Seiten dicke Programmheft der Wiener SPÖ für den Landesparteitag aber auch Diskussionen über insgesamt 127 Anträge vor. Viele Forderungen sind keine große Überraschung und decken sich teils mit bereits bekannten SPÖ-Positionen, andere dürften durchaus für Aufsehen sorgen. Zur Entscheidungshilfe empfiehlt die Antragskommission bereits im Vorfeld für die Delegierten eine Annahme, eine Ablehnung oder eine Zuweisung an ein anderes Gremium, was für interne Kritiker am System gleichbedeutend mit einem "Begräbnis zweiter Klasse" ist. Selten, aber doch kommt es auch zu faustdicken Überraschungen: Entgegen der offiziellen Parteilinie war etwa 2011 bei der Abstimmung auf dem Parteitag ein Antrag erfolgreich, der sich für das Aus des kleinen Glücksspiels in Wien aussprach.

In einem Antrag werden etwa eine Verkürzung der Normalarbeitszeit im Arbeitsrecht sowie sechs Urlaubswochen für alle, eine Beschränkung von All-in-Vereinbarungen sowie das Recht auf Nichterreichbarkeit in der Freizeit gefordert. In einem weiteren Antrag werden eine Millionärssteuer für Reiche sowie "mehr Netto für die vielen" verlangt. Die Empfehlung der Kommission lautet in beiden Fällen: Annahme.

Kritik an "Russland-Hörigkeit" innerhalb der SPÖ

Ein Antrag der Jungen Generation der SPÖ richtet sich auch gegen das private Projekt einer Seilbahn auf den Wiener Kahlenberg. Befürchtet werden negative Auswirkungen auf die Natur, etwa durch den Bau von Stützpfeilern und Stationen. Eine Seilbahn würde aber auch zu einer erhöhten Verkehrsbelastung führen, indem Besucherinnen und Besucher mit dem Auto anreisen würden, um die Seilbahn zu nutzen. Auch mit Lärm- und Luftverschmutzung wird argumentiert. Vertreter der Wiener SPÖ sprachen sich schon bisher gegen das Vorhaben aus. Von der Jungen Generation wird aber nun ein "klares Bekenntnis" der SPÖ sowie der Stadt Wien dagegen gefordert. Die Empfehlung der Kommission lautet: Annahme.

Ein weiterer Antrag der Jungen Generation wird hingegen für weit mehr interne Diskussionen in der Wiener SPÖ sorgen. Denn die Interessenvertretung des Parteinachwuchses fordert selbstkritisch auch "Schluss mit der Russland-Hörigkeit": Kritisiert wird etwa, dass bei der Videoansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im März 2023 die Hälfte des SPÖ-Klubs im Parlament abwesend war. Das habe dem Ansehen der Partei innerhalb Österreichs und auch in Europa geschadet. Viele Genossinnen und Genossen hätten ein "verklärtes Bild und teilweise auch aktive Beziehungen nach Russland". Dies zeige sich auch "in der Verbreitung russischer Narrative und teilweise auch von Propaganda bis hin zu Positionen, welche den russischen Imperialismus in Zentral- und Osteuropa stützen".

Die SPÖ dürfe es sich nicht leisten, "in einem Europa der gemeinsamen Werte und Prinzipien auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen". Da sich innerhalb der Gesellschaft bereits russische Narrative durchgesetzt hätten, bedürfe es auch einer internen Aufarbeitung.

Konkret gefordert wird, dass sich Parteifunktionärinnen und -funktionäre auf allen Ebenen von vergangenen Positionen, "welche auf russischer Propaganda basieren", unverzüglich distanzieren. Die SPÖ sollte ihre eigene Russland-Politik in der Vergangenheit kritisch beleuchten: Gefordert wird eine "Entromantisierung der Sowjetunion". Russische Symbole wie etwa das Z-Symbol oder das Sankt-Georgs-Band sollten verboten werden. Die Antragskommission empfiehlt den Delegierten bei diesen Forderungen keine Annahme, sondern eine Zuweisung an den Nationalratsklub, wo dieses Thema näher erörtert werden soll.

Ludwig stellt sich der Wiederwahl

Beim Landesparteitag kommt es auch zur Neuwahl des Präsidiums und des Vorstands: Beim bisher letzten Parteitag 2022 wurde Bürgermeister Michael Ludwig mit 94,4 Prozent als Parteichef bestätigt. Am 20. April stellt sich Ludwig erneut der Wiederwahl. Nicht mehr für den Vorstand kandidieren wird die Nationalratsabgeordnete Petra Bayr. Diese Entscheidung hat laut Partei aber nichts mit dem Kauf von zwei Kleingärten in Breitenlee zu tun. Bayr sei als Sprecherin der Bundes-SPÖ für Außenpolitik häufig unterwegs, ihre Teilnahme an Sitzungen in Wien sei teils nicht möglich, heißt es aus der Partei.

Bayr hatte im Kleingartenverein Breitenlee vor einigen Jahren zwei Areale erworben, die später durch eine Umwidmung deutlich aufgewertet wurden. Bayr hatte Kritik daran stets zurückgewiesen: Sie habe sich wie viele andere auch regulär über den zuständigen Kleingartenverein für den Kauf angemeldet. (David Krutzler, 11.4.2024)