Die Inflation befindet sich zu Frühjahrsbeginn weiterhin auf dem Rückzug, allerdings nur sehr gemächlich. Gemäß einer Schnellschätzung der Statistik Austria lag sie im März bei 4,2 Prozent. Im Vormonat waren die Preise für Waren und Dienstleistungen im Jahresabstand mit 4,3 Prozent geringfügig stärker angestiegen. "In Restaurants, aber auch in einigen anderen Bereichen fielen die Teuerungen etwas geringer aus als zuletzt. Allerdings wirken sich die Strom- und Treibstoffpreise aktuell im Jahresvergleich nicht mehr preisdämpfend aus wie in den Vormonaten, sondern leicht preistreibend", erläutert Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas die Entwicklung.

Eine junge Frau betrachtet eine Packung mit Teigwaren aus den unteren Regalen.
Wegen der hohen Inflation müssen viele Konsumierende in die unteren Regale greifen, wo im Supermarkt – trotz hohen Preisauftriebs – in der Regel die günstigeren Produkte zu finden sind.
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Allerdings ist die Teuerung in Österreich damit noch immer viel stärker als in den meisten anderen Ländern der Eurozone. Zum Vergleich: Im gesamten Euroraum legten die Preise durchschnittlich um 2,4 Prozent zu. In Deutschland betrug die Inflation im März nur noch 2,2 Prozent nach 2,5 Prozent im Februar und ist damit an den Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent schon sehr nahe herangerückt.

Davon kann in Österreich noch länger keine Rede sein, Experten zufolge wird die Teuerung hierzulande noch länger überdurchschnittlich hoch ausfallen. Das Wifo erwartet in seiner Frühjahrsprognose für 2025 immer noch einen 2,7-prozentigen Preisauftrieb im Jahresmittel.

In Österreich besonders hoch

Selbst wenn die Inflation am Rückzug ist, so sorgte sie doch in den vergangenen zwei Jahren für viel Unmut unter der Bevölkerung, etwa wegen der rasant steigenden Lebensmittelpreise oder Mieten. Zur Erinnerung: Den höchsten Preisauftrieb gab es im Jänner 2023 mit 11,2 Prozent. Ein Nahrungsmittelgipfel der Regierung blieb ohne greifbare Ergebnisse, der Mietendeckel gilt als löchrig. Die Regierung hat also zumindest im Europavergleich keine allzu gute Figur gemacht. Wird die Teuerung also im anstehenden Wahlkampf eine große Rolle spielen? Oder rücken bis zum Termin der Nationalratswahl, voraussichtlich im September, andere Themen in den Vordergrund?

Für den Politikberater Thomas Hofer wird die Inflation "hundertprozentig ein Riesenthema". Obwohl sich die Teuerung abschwäche, seien es immer noch sehr hohe Zahlen. Es handle sich dabei zwar um ein grundsätzlich abstraktes Thema, das allerdings durch die ständigen Preiserhöhungen beim Einkaufen im Supermarkt greifbar werde. Das trägt Hofer zufolge dazu bei, dass – ähnlich wie bei der Wahl 2017 – etwa zwei Drittel der Ansicht sind, dass sich das Land in die falsche Richtung entwickle.

"Gefühl der Missstimmung"

Der Politikberater verortet daher ein "allgemeines Gefühl der Missstimmung". Das Eigenlob, mit dem sich die Regierung in Sachen Inflationsbekämpfung rühmt, nimmt die Bevölkerung der Koalition ihm zufolge trotz nachlassender Inflationsdynamik nicht mehr ab. "Aus dieser Gasse kommt man nicht mehr heraus und muss daher auf andere Themen schalten", erklärt Hofer. Die ÖVP "umarme" Themen der FPÖ und stelle sich dabei als sozial verträglichere Variante dar. Die Asylzahlen seien derzeit auch nicht sehr hoch, aber das Grundgefühl sei trotzdem da. Wobei bei Migration immer auch eine Sicherheitskomponente mitschwinge.

Der kleine Koalitionspartner werde hingegen das Thema Erderwärmung forcieren, zumal in der Klimapolitik "gar nicht so wenig" gelungen sei. "Es war 2019 das Thema Nummer eins", sagt Hofer. "Für die Grünen war das ein echter Bringer." Allerdings glaubt der Experte nicht, dass sich dies wiederholen lässt, denn: "In ökonomisch engen Zeiten tritt das Thema in den Hintergrund." Sofern das Wetter im Sommer nicht komplett aus dem Ruder laufe, glaubt er, dass das Klima zwar weniger wichtig, aber trotzdem relevant im Wahlkampf sein werde – und für die Grünen damit eine Art "Lebensversicherung".

Links oder rechts?

Unter den Wirtschaftsthemen wird dem Politikberater zufolge Wohnen auch in der Bundespolitik eine Rolle spielen, da es wie die Inflation mit der Leistbarkeit des Lebens zusammenhänge. Auffallend: Nicht nur linke Parteien wie die KPÖ oder die Bierpartei, sofern sie antrete, besetzen das Thema, sondern auch die FPÖ – womit sie auf ein "eigentlich SPÖ-dominiertes Thema" aufgesprungen sei. Aber auch für die Sozialdemokratie bieten Inflation und Wohnen Hofer zufolge eine Chance zu punkten.

Andere Wirtschaftsthemen wie die seit dem Vorjahr lahmende Konjunktur oder gar die Abwanderungsdrohungen der Industrie werden eine geringere Rolle als die Inflation spielen. "Das ist schon sehr mittelbar bis zu dem Zeitpunkt, in dem es passiert", sagt Hofer dazu. Unter dem Strich ist er aber der Ansicht: "Wirtschaft wird eine größere Rolle spielen als in vergangenen Wahlen."

Ärger wird bleiben

Auch Franz Schellhorn, Direktor des arbeitgebernahen Instituts Agenda Austria, sieht in der Teuerung ein wichtiges Wahlkampfthema: "Der Ärger über den empfundenen Wohlstandsverlust wird nicht verfliegen", sagte er auf Anfrage, "zumal die Zukunftsaussichten auch nicht gerade rosig sind." Ähnlich sehe es beim Wohnen aus: "Die Wahlerfolge der KPÖ kommen nicht aus dem Nichts, sondern weisen auf ein veritables Problem in vielen Städten hin." Dazu komme die Migration in die Sozialsysteme, die ebenfalls stark diskutiert werden sollte. Wird das Klima wieder so wichtig wie 2019? "Nein, das zeigen ja auch die bescheidenen Umfragewerte der Grünen", sagt Schellhorn. "Hier sind viele Illusionen am Platzen, die Menschen sehen, dass sich viele Versprechen nicht ohne Wohlstandsverluste erfüllen lassen."

Einen anderen Blick auf das Thema hat das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut. Auch wer von "Klimaschutz mit Hausverstand" spreche, muss Ökonom Leonard Jüngling zufolge einräumen: "Auf einem toten Planeten gibt es auch keine Wirtschaft, davor wird man auch im Wahlkampf die Augen nicht verschließen können." Sonst hat auch er die Teuerung sowie leistbares Wohnen als wichtige Wahlkampfthemen auf der Rechnung, dazu kommt: "Ein großes Thema wird auch die immense Schieflage der Besteuerung." Warum? Während Einkommen durch Arbeit stark besteuert werde, sei das bei Vermögen kaum der Fall. (Alexander Hahn, 3.4.2024)