Der Verfassungsgerichtshof hat Servus TV nach Informationen des STANDARD recht gegeben und die Berichterstattung mit Bildern von der tödlichen Terrorattacke in Wien am 2. November 2020 als zulässig eingeordnet. Die Medienbehörde KommAustria und das Bundesverwaltungsgericht hatten die Bilder von Schusswechseln, von Opfern und vom getöteten Attentäter als Gesetzesverletzungen verurteilt.

Studio Servus TV Nachrichten.
Durften aktuelle Bilder vom Terroranschlag zeigen, sagt der Verfassungsgerichtshof: "Servus Nachrichten".
Servus TV Screenshot

Öffentliches Interesse überwiegt

Das Bundesverwaltungsgericht habe dem öffentlichen Informationsinteresse an einem Terroranschlag zu wenig Bedeutung beigemessen, insbesondere über einen noch andauernden Anschlag. Servus TV, vertreten durch Korn Rechtsanwälte, berichtete in seinen Abendnachrichten von dem Anschlag und zeigte Bilder davon, so eine Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts, obwohl die Polizei dazu aufgerufen hatte, dies auf Social Media zu unterlassen. Das Bundesverwaltungsgericht unterstelle zu Unrecht, dass Servus TV damit Sensationslust bedienen wollte.

Gerade der Bildberichterstattung komme in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, weil Bilder wirkmächtig(er als Worte) in der Lage seien, das Leid von Menschen zu vermitteln und die Öffentlichkeit für dieses Leid zu sensibilisieren, begründet der Verfassungsgerichtshof seine Entscheidung im Sinne von Servus TV. Artikel zehn der Menschenrechtskonvention anerkenne und schütze das Interesse, die Öffentlichkeit durch auch schockierende, verletzende und beunruhigende Bilder über die Auswirkungen menschenverachtender Gewalt aufzurütteln.

Die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und diesem öffentlichen Interesse in der aktuellen Berichterstattung unter dem Eindruck des noch laufenden Anschlags stelle Medien vor eine komplexe Aufgabe, argumentiert der Verfassungsgerichtshof. Gerade in solchen Konstellationen habe die rasche journalistische Berichterstattung in Audio- und Videomedien zur Information der Bevölkerung große Bedeutung. Die gezeigten Personen seien zudem "nicht individualisierbar" gewesen, heißt es in dem Erkenntnis. Wenn sie im Zuge der Aufarbeitung des Anschlags später identifizierbar würden, könne das nicht dem aktuellen Informationsinteresse entgegenstehen.

"Wahrheit über Auswirkungen von Terror zumutbar"

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird aufgehoben, das Gericht muss das Verfahren nun laut Höchstgericht fortsetzen und etwa prüfen, ob gezeigte Verletzte identifizierbar waren. Grundsätzlich gilt laut Verfassungsgericht: "Es ist der Öffentlichkeit und damit den Menschen zumutbar, mit der Wahrheit über die Auswirkungen von Terroranschlägen auch in einer schockierenden, verstörenden und Empfindungen verletzenden Weise konfrontiert zu werden, wenn durch einen angemessenen und nicht exzessiven Einsatz einschlägiger Bildberichterstattung jene öffentliche Betroffenheit hergestellt werden soll, die Voraussetzung dafür ist, dass auch Menschen, die über derartige Ereignisse medial informiert werden, Anteilnehmen und die Auswirkungen der Gewalt einschätzen können."

Die Höchstrichter an die Instanz: "Das Bundesverwaltungsgericht hätte im Lichte des Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention daher im Einzelnen darlegen müssen, aus welchen Gründen es welche konkrete Video- und Bildberichterstattung für geeignet erachtet, die hinter dem Aufruf der Landespolizeidirektion Wien stehenden Sicherheits- und Bevölkerungsschutzanliegen zu gefährden. Eine pauschale Betrachtung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht vorgenommen hat, dass vorliegend die journalistische Sorgfalt gefordert hätte, Video- und Bildberichterstattung gänzlich zu unterlassen, beschränkt die Berichterstattungsfreiheit der Beschwerdeführerin in einer in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendigen Weise."

*Update: Beim Verfassungsgerichtshof wollte man auf STANDARD-Anfrage zu der Entscheidung am Freitag noch nicht Stellung nehmen, die Zustellung an alle Verfahrungsparteien könnte wegen der Feiertage noch nicht abgeschlossen sein. (fid, 29.3.2024)