Verteidigungsminister Sébastien Lecornu verliert die Geduld. Bei einer Pressekonferenz erklärte er im Beisein aller Mitglieder des französischen Generalstabs, die Rüstungsproduzenten im Land müssten schneller arbeiten. Das gelte namentlich für die Bereiche Artillerie und Munition.

Lecornu machte auch klar, dass er die Mittel habe, um seinen Willen durchzusetzen. Das Armeegesetz von Herbst 2023, das die langfristige Militärplanung bis 2030 festschreibt, schaffe ausdrücklich die Möglichkeit von "Requirierungen", also Beschlagnahmungen privater Firmen durch den Staat. Bedingung ist laut dem Gesetz eine "aktuelle oder vorhersehbare Bedrohungslage". Lecornu nimmt das wegen der russischen Aggression gegen die Ukraine als gegeben an.

Beschlagnahmung "keine Überraschung"

"Erstmals schließe ich nicht aus, zu Beschlagnahmungen oder der Festlegung militärischer vor zivilen Prioritäten zu greifen, wenn die Kadenzen und die Produktion nicht eingehalten werden", sagte der von den Konservativen gekommene Verteidigungsminister. Das entsprechende Armeegesetz habe er zitiert, "weil es existiert", fügte Lecornu trocken an, als wolle er seiner Drohung mehr Gewicht zu geben. So könne es "keine Überraschung" geben, wenn die Beschlagnahmung effektiv angeordnet werde.

Präsident Emmanuel Macron bei der Besichtigung eines Rüstungsbetriebs in Bourges.
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Laut Gesetz kann die Regierung sowohl Lagerbestände und Produktionsmittel beschlagnahmen als auch das entsprechende Betriebspersonal zwangsverpflichten. Das gilt nicht nur für die eigentlichen Rüstungskonzerne wie MBDA, Thales, Dassault oder Nexter, sondern auch für ihre Zulieferer.

Macron machte Andeutungen

In Paris schlägt Lecornus Ankündigung am Dienstag hohe Wellen. Der Vorsitzende des außen- und verteidigungspolitischen Ausschusses im Senat, Cédric Perrin, musste seinerseits klarstellen, dass Frankreich mit dieser Ankündigung "nicht auf die Kriegswirtschaft umgestellt" habe. Solange keine Requirierung angeordnet sei, könne man nicht davon sprechen. Staatspräsident Emmanuel Macron hatte in den vergangenen Wochen den in Russland längst umgesetzten Begriff "Kriegswirtschaft" seit dem Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 immer wieder benützt, ohne konkreter zu werden.

Geschosse sollen bald schneller produziert werden, wenn es nach dem Wunsch der französischen Regierung geht.
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Lecornus Drohung scheint fürs Erste ein Versuch, die Rüstungsindustrie aufzurütteln. Seinem Land fehlt es momentan derzeit vor allem an Luftabwehrraketen des Typs Aster – und zwar für die Entsendung in die Ukraine genauso wie für den eigenen Bedarf. Diese Defensivwaffen werden in Frankreich und Italien vom Rüstungskonzern MBDA hergestellt. Die heutige Produktionsdauer beträgt mehr als drei Jahre.

Langsame Lieferungen

Die französische Armee hatte vor gut einem Jahr 200 Aster-Raketen im Gegenwert von 900 Millionen Euro bestellt. Sie sollten 2026 geliefert werden. Lecornu verlangt sie nun aber schon für Ende 2024. Und das nicht nur für die Ukraine; im Roten Meer scheint es auch den französischen Fregatten an solchen Abwehrmitteln gegen die Drohnen der Huthi-Rebellen zu mangeln.

Raketen, Patronen und Artilleriegeschosse werden nach Pariser Ansicht nicht schnell genug hergestellt.
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Sehr gefragt sind bei der ukrainischen Armee auch die französischen Caesar-Haubitzen. Lecornu betonte, die Finanzierung durch die Ukraine, Frankreich und Dänemark stehe. Mit anderen Worten: Nur die Produktion halte nicht mit. Mehrere politische Parteien, darunter die russlandfreundlichen Rechtspopulisten von Marine Le Pen, kritisieren allerdings, dass Frankreich gar nicht die Mittel für diesen Rüstungsaufwand habe. Diese Woche musste die Regierung in Paris ein unerwartet hohes Haushaltsdefizit von 5,5 Prozent bekanntgeben. (Stefan Brändle aus Paris, 29.3.2024)