Big Bang
Künstlerische Darstellung dessen, was vor rund 13,8 Milliarden Jahren passierte und heute als "Big Bang" (deutsch: Urknall) bekannt ist. Vor 75 Jahren bekam der Begriff seine kosmologische Bedeutung – und war keinesfalls abwertend gemeint.
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Wer heute im Netz nach "Big Bang" sucht, stößt zuerst einmal auf die populäre US-Sitcom "The Big Bang Theory", die zwölf Staffeln lang für meist ziemlich gute Unterhaltung über (und für) Wissenschaftsnerds sorgte. Der von den Barenaked Ladies interpretierte Titelsong der Serie bringt auf den Punkt, worum es bei diesem kosmologischen Begriff geht: "Our whole universe was in a hot, dense state / Then nearly fourteen billion years ago expansion started." Und im mehrfach wiederholten Refrain heißt es: "It all started with the big bang / it all started with the big bang."

Big Bang Theory Song
Barenaked Ladies (official)

Aber wann und wie kam dieser so anschauliche Begriff, der sich in der deutschen Übersetzung als "Urknall" etablierte, selbst in die Welt? Der Eintrag "Big Bang" im Lexikon der Astronomie von "Spektrum der Wissenschaft" – einer Seite, die bei Google-Suchen nach "Big Bang" ebenfalls sehr weit oben auftaucht – gibt in einem prägnanten Satz Auskunft: "Ein populärer Begriff für den Anfang des Universums, der von dem Kosmologen Fred Hoyle 1949 eingeführt wurde und eigentlich als Abwertung (big bang: dt. 'großer Knall') des Urknall-Modells zu verstehen sein sollte." Die erste Hälfte dieses Satzes stimmt, und das Datum lässt sich auch präzisieren: Der unkonventionelle britische Astronom, der auch ein umtriebiger Wissenschaftsvermittler war, verwendete den Begriff erstmals am 28. März 1949, also vor genau 75 Jahren, in einem Vortrag für das Radioprogramm der BBC.

Die zweite Hälfte des Satzes im Onlinelexikon wiederholt freilich eine populäre Legende, die eher falsch ist. Das behauptet zumindest der dänische Wissenschaftshistoriker Helge Kragh in einem Essay für das Wissenschaftsmagazin "Nature", das so wie "Spektrum der Wissenschaft" zur Verlagsgruppe von Springer Nature gehört. Kraghs Kernargument: Hoyle verwendete den Begriff "Big Bang" 1949 nicht abwertend, sondern neutral, "um die Urknalltheorie des Abbé Georges Lemaître auf eine griffige Formel zu bringen", wie es bei Wikipedia heißt. Das wiederum ist in Kraghs Lesart unvollständig.

Zwei konkurrierende Kosmologien

Der belgische Priester und Astrophysiker hat in den 1930er-Jahren zwar wichtige Vorarbeiten geleistet. Die Urknall-Kosmologie in ihrer modernen Bedeutung – also die Entstehung des Universums in einem Energieblitz, gefolgt von einer bis heute andauernden Ausdehnung und Abkühlung – sei erst in den späten 1940er-Jahren mit Veröffentlichungen des sowjetisch-amerikanischen Atomphysikers George Gamow und seiner US-Kollegen Ralph Alpher und Robert Herman aufgekommen.

Was stimmt: Fred Hoyle zweifelte 1949 an der Richtigkeit dieses Modells. Einige Monate vor der historischen BBC-Sendung hatte er mit den beiden in Wien geborenen Astrophysikern Hermann Bondi und Thomas Gold die sogenannte Steady-State-Theorie publiziert, der zufolge sich das Universum in einem Zustand der Gleichförmigkeit befinde. In der BBC-Sendung stellte Hoyle diese beiden Konzepte gegenüber.

Keine Abwertung, wenig Resonanz

Obwohl er die Idee einer plötzlichen Entstehung des Universums sowohl aus wissenschaftlichen wie auch aus philosophischen Gründen als inakzeptabel ablehnte, sagte er später, dass er den Begriff "Big Bang" nicht spöttisch, höhnisch oder abwertend gemeint habe, schreibt Kragh. Was für diese Behauptung spricht: Keiner der Kosmologen, die für ein explodierendes Universum eintraten – wie Lemaître und Gamow –, fühlte sich durch den Begriff angegriffen. Trotz seiner Anschaulichkeit fand "Big Bang" als Begriff zunächst kaum Resonanz und wurde so gut wie nie verwendet.

1965 kam es dann zu einem Wendepunkt in der Geschichte der modernen Kosmologie. Die US-Physiker Robert Wilson und Arno Penzias (ein gebürtiger Münchner, der mit einem Kindertransport nach England fliehen konnte) berichteten in diesem Jahr über die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung, die als Überbleibsel der Strahlung aus der Entstehungsphase des Universums interpretiert wurde. Die Streit über den Ursprung des Universums schien entschieden.

Die "New York Times" titelte am 21. Mai 1965 entsprechend: "Signals Imply a 'Big Bang' Universe" ("Signale deuten auf ein 'Urknall'-Universum hin"). Damit schien es, als ob der Begriff vollends angekommen wäre. Doch in der Wissenschaft blieb man weiterhin zurückhaltend, den Begriff zu verwenden. Das änderte sich, wie Kragh dokumentiert, erst in den 1980er-Jahren. Nicht nur die "Big Bang Theory" hatte sich durchgesetzt, sondern auch der Begriff.

Urknall Big Bang
Das heutige kosmologische Standardmodell: der Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren und die darauffolgende Ausdehnung des Universums (roter Zeitpfeil). Fred Hoyle glaubte bis zu seinem Tod nicht daran.
Nasa

"Big Bang" als "Harpune"

Einer der wenigen, die skeptisch blieben, war der Erfinder des Begriffs: "Worte sind wie Harpunen", sagte Fred Hoyle 1995 in einem Interview. "Wenn sie einmal eingedrungen sind, lassen sie sich nur sehr schwer wieder herausziehen." Der damals 80-jährige Astronom bezog sich damit natürlich auf den Begriff "Big Bang", den er am 28. März 1949 erstmals zur Beschreibung der Entstehung des Universums in die Welt gesetzt hatte. Er blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2001 entschiedener Kritiker der Urknall-Kosmologie. (Klaus Taschwer, 28.3.2024)