Ein Polizist am Reumannplatz in Wien-Favoriten
Ein Polizist auf dem Reumannplatz in Wien-Favoriten.
Foto: Christian Fischer

Der zehnte Hieb, wie der Bezirk Favoriten in Wien gern genannt wird, steht gerade im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Es geht um Sicherheit beziehungsweise um das Gegenteil davon. Nach mehreren Verbrechen, an denen zum Teil Jugendliche beteiligt waren, tritt am Karsamstag eine große Waffenverbotszone in Kraft, die dutzende Häuserblocks rund um den Reumannplatz und den Keplerplatz bis hin zum Hauptbahnhof umfasst. Die Polizei reagiert damit unmittelbar auf Messerstechereien, die sich zuletzt vor allem in der Nacht in der Gegend ereigneten – eine davon, nur wenige Stunden nachdem Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) vor Ort eine neue mobile Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Jugendkriminalität angekündigt hatte. Inzwischen wird auch kritisiert, dass es generell zu wenige Polizistinnen und Polizisten in Favoriten gebe.

Die Waffenverbotszone in Favoriten
In Innerfavoriten tritt am Karsamstag eine Waffenverbotszone in Kraft. Sie gilt vorerst bis 30. Juni und kann dann bei Bedarf verlängert werden.
APA

Auf Social-Media-Kanälen fragt etwa Alexander Ackerl, der Vorsitzende der Jungen Generation in der SPÖ Wien, den Favoritner SPÖ-Bezirksrat Muhammed Yüksek, was da los sei "bei euch" im zehnten Bezirk. Dieser erklärt ihm in einem Video, dass es in Favoriten 319 Planstellen der Polizei gebe. Linz habe im Vergleich dazu doppelt so viele, obwohl Favoriten knapp mehr Einwohnerinnen und Einwohner habe als die oberösterreichische Landeshauptstadt, nämlich rund 220.000.

Bezirksübergreifende Einsätze

Die Wiener Polizei präsentiert andere Zahlen: Derzeit hätten 410 Polizistinnen und Polizisten dauerhaft ihren Arbeitsplatz in Favoriten, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Darüber hinaus gebe es bei Schwerpunktaktionen Unterstützung von verschiedene Einheiten wie der Bereitschaftseinheit, der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität, der Wega oder von Beamten des Landeskriminalamts und der Landesverkehrsabteilung. Auch der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl hat zuletzt mehrfach betont, dass die Polizei bezirksübergreifend zusammenarbeite, also bei Bedarf schnell Einsatzkräfte zusammenziehen könne.

Für das Stadtpolizeikommando in Linz sind rund 620 Planstellen vorgesehen. In der jüngeren Vergangenheit waren diese zu 97 Prozent vollzeitbesetzt. Ein hoher Wert, der sich aber durch Abkommandierungen oder Teilzeitvarianten relativ rasch ändern kann. Auch in Linz gibt es regelmäßig Rufe nach mehr Polizei. Personalvertreter unterschiedlicher Couleur orten einen Mangel von 20 bis 50 Kollegen und Kolleginnen. Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) sah vor drei Jahren eine Lücke von 160 Beamten.

Historischer Höchststand beim Personal

Österreichweit gibt es derzeit rund 32.000 Polizistinnen und Polizisten, das ist ein historischer Höchststand. 7.765 davon unterstehen der Bundespolizeidirektion Wien, der Personalstand in Oberösterreich beträgt rund 4.450. Auch die Recruitingzahlen ziehen wieder kräftig an: Anfang März 2024 starteten bundesweit rund 750 Polizeischülerinnen und -schüler in ihre zweijährige Ausbildung. Laut Innenministerium ist dieser Turnus einer der stärksten seit Jahren, er übertrifft den Dezember-Turnus 2023 um beinahe 100 Personen und den Turnus März 2023 um 530 Personen. Der Anteil der weiblichen Aufgenommenen liegt mit steigender Tendenz bei derzeit 41 Prozent.

Laut Statista, einer deutschen Onlineplattform und GmbH, die weltweit Statistiken erstellt, ist die Polizeidichte in Österreich in Bezug auf die Bevölkerungszahlen im Burgenland am höchsten. Hier kamen im Jahr 2021 auf einen Polizisten oder eine Polizistin 213 Einwohner und Einwohnerinnen. In Wien betrug das Verhältnis 1:227, es folgen Kärnten (1:279), Salzburg (1:332), Tirol (1:341), Niederösterreich (1:354), die Steiermark (1:355), Oberösterreich (1:417) und Vorarlberg (1:419). Heruntergebrochen auf Favoriten und Linz, um bei den eingangs erwähnten Beispielen zu bleiben, beträgt die Polizeidichte in der drittgrößten Stadt Österreichs aktuell 1:338 und im zehnten Wiener Gemeindebezirk 1:536.

Innenministerium relativiert Zahlen

Im Innenministerium hält man von derartigen Zahlenspielereien wenig. Ein Vergleich von Personalständen zwischen einzelnen Bezirken in Wien und einer Landeshauptstadt mag medial spannend sein, sei aber aus polizeilicher Sicht irrelevant. "Für den örtlich zuständigen Personalstand sind nicht nur die zum jeweiligen Stadtpolizeikommando zählenden Bediensteten ausschlaggebend, sondern alle Kräfte der Landespolizeidirektion, die regelmäßig in diesem Bereich zum Einsatz kommen", heißt es auf Anfrage des STANDARD. Sämtliche größere Veranstaltungen, wie etwa Demonstrationen und Fußballmatches, werden zusätzlich von Kräften der Einsatzeinheit und der Ordnungsdiensteinheit abgedeckt. Insgesamt ergebe das zusätzlich tausende Einsatzstunden von Polizeikräften, die bei einem Vergleich Berücksichtigung finden müssten und unterschiedliche Personalstände mehr als relativierten.

Die grundlegende Frage "Wie viele Polizisten sind genug Polizisten?" ist also schwer zu beantworten. Ein Gradmesser für den Erfolg der Polizei ist die Aufklärungsquote. Zuletzt lag sie laut polizeilicher Anzeigenstatistik österreichweit bei 52,3 Prozent. Die Anzahl geklärter Fälle hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen, es gibt aber durchaus noch Luft nach oben. (Michael Simoner, 30.3.2024)